Dienstag, 24. Juli 2012

St. Galler Klosterplan reloaded

Vor ein paar Tagen schrieb ich folgenden Text zum St. Galler Klosterplan, der am Rande auch das Projekt "Campus Galli - Karolingische Klosterstadt Meßkirch" betraf.

--->  http://hiltibold.blogspot.co.at/2012/07/die-karolingische-klosterstadt.html

Es ging mir dabei vor allem um einen im Plan eingezeichneten Raum für Ölpressungen, der fürs 9. Jh. nicht ganz an den entsprechenden Ort (nördlich der Alpen) zu passen schien, sprich, dass deshalb das ganze geplante Kloster möglicherweise eher im Süden anzusiedeln wäre.
Bald machte mich jedoch einer der Verantwortlichen des Projekts "Campus Galli" darauf aufmerksam, dass die neuere Forschung nicht der Meinung sei, dass der Klosterplan für südliche Gefilde ausgelegt ist. Er führte einige Beispiele an, ging aber bedauerlicherweise nicht gleich auf den zentralen Punkt meiner Ausführungen, die Ölpresse, ein. Meine diesbezügliche Nachfrage per E-Mail, wurde mir freundlicherweise zwischenzeitlich sehr ausführlich beantwortet.
Ich habe mir außerdem, soweit möglich, weitere Ergebnisse bzw. Publikationen der neueren Forschung zum Klosterplan angesehen, oder mir davon berichten lassen.
Der eingezeichnete Raum für das Pressen des Öls (so steht es ja wortwörtlich im Plan), wird in den mir zugänglichen Schriften leider mehr oder weniger links liegen gelassen (das bestätigte mir auch "Campus Galli"). 
Teilweise wird er auch schlicht und ergreifend falsch übersetzt. Da ist dann z.B. nicht mehr vom "Ölpressen" die Rede, sondern von "heiligem Öl" - so als ob es sich um einen bloßen Lagerraum für kleine Mengen Salböl handelt. Der originale Satz, der den betreffenden Raum zur Ölherstellung beschreibt, lautet jedoch:

Plan of St. Gall
Lage des Raums für die Ölpresse
(Bild: Wikimedia.org)
domus ad p(rae) parandu(m) pane(m) s(an)c(ta)m 
et 
oleum exprimendum
   
"Heilig" bzw. "geweiht" (sanctam), ist nur das Brot (panem), also die Hostien. Das bezieht sich jedoch nicht auf den zweiten Teil des Satzes, also das Öl (oleum).
Dort steht hingegen "exprimendum" - und "exprimo" bedeutet "pressen".
       
Wenn man nun trotzdem die Meinung vertritt, im betreffenden Raum wurden eben kleine Mengen Salböl gepresst (obwohl das Öl NICHT als "sanctam" bezeichnet wird, also profaner Natur ist!), dann muss dem entgegen gehalten werden, dass man für Salböl damals hochwertiges Olivenöl verwendete. Das wurde in unseren Breiten aber ausschließlich importiert.
Seitens des Campus Galli wies man zwar darauf hin, dass es dazumal durchaus nördlich der Alpen auch schon andere pflanzliche Öle gab, z.B. Leinöl (Flachs war in Schwaben im Spätmittelalter ja eine beliebte Nutzpflanze). Das stimmt zwar, doch eignet sich dieses erstens für Salböl nicht, da es schnell ranzig wird (ähnliches gilt für Mohnöl) und zweitens wurde es nach derzeitigem Kenntnisstand erst in späteren Jahrhunderten in größeren Mengen mittels Ölmühlen erzeugt - es kommt damit, da es nicht in großen Mengen vorhanden war, also auch als Lampenöl schwerlich in Frage. Warum Lampenöl?
Konrad Hecht meint in seinem Buch "Der St. Galler Klosterplan", die Ölpresse sollte Öl für die großen Radleuchter des Klosters erzeugen - und führt auch gleich einige vergleichbare Beispiele und Quellen an.  Dieses Lampenöl wurde in der Regel ebenfalls aus den bereits erwähnten Oliven gewonnen. Man sieht, im Zusammenhang mit der Ölpresse landet man immer wieder bei den Oliven, die eben nur im Süden wuchsen.  
  
Inwieweit dies alles durch die neuere Forschung widerlegt worden sein soll erschließt sich mir nicht so ganz.
Natürlich kann man den Klosterplan von St. Gallen als "idealtypisch" betrachten, wie man mir seitens des Campus Galli zu verstehen gab. Also als die Summe klösterlicher Tugenden und Traditionen. Etwas, in das man alles hineingepackt hat, was so einem Kloster nützen könnte; egal ob es in der Praxis sinnvoll ist oder nicht. Der jeweilige Bauherr sollte sich dann das herauspicken, was er als nötig erachtete. Dann passt auch die Ölpresse ins Bild. Was nicht passt, wird sozusagen passend gemacht. Das ist natürlich auch für das Projekt "Campus Galli" recht kommod. Dinge fragwürdiger Sinnhaftigkeit, können einfach weggelassen werden. Ob man dann allerdings noch sagen kann, wir bauen unsere Klosterstadt nach dem St. Galler Klosterplan? Höchstens eingeschränkt. Es wird ja auch nicht bei der Ölpresse alleine bleiben. Man wird etliche Details adaptieren müssen. Was die Bedeutung des Projekts allerdings auch sicher nicht schmälert. 
   
Dass der Klosterplan keine Kopie sein könne - wie man mir ebenfalls zu verstehen gab - weil darauf Zirkelspuren (Einstiche) entdeckt wurden, die bei einem bloßen Durchpausen nicht vorhanden wären, ist eine etwas merkwürdige These. Ich habe schon Zeichnungen durchgepaust und dabei durchaus auch Lineal und Zirkel verwendet. Letzteres um Rundungen sauber hinzubekommen - was freihändig ja deutlich schwieriger ist. Aber das nur der Vollständigkeit halber.   
   
Abschließend möchte ich noch eine Lanze für Hecht brechen. So allumfassend überholt ist dessen Forschungsergebnis zu dem Thema nicht, wo man sich doch sogar in einem PDF, das auf der Homepage von Campus Galli verlinkt ist, darauf beruft ;)    
    
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Klosterplan von St. Gallen birgt sicher noch einige Geheimnisse und Arbeit für viele Forscher-Generationen!

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Passende Blog-Artikel zu diesem Thema:

http://hiltibold.blogspot.com/2012/07/die-karolingische-klosterstadt.html
http://hiltibold.blogspot.com/2012/07/st-galler-klosterplan-digitalisiert.html
http://hiltibold.blogspot.com/2012/09/etwas-zum-horen-klosterstadt-messkirch.html
http://hiltibold.blogspot.com/2012/12/drei-mal-campus-galli-karolingische.html


3 Kommentare:

  1. Zitat: „Dass der Klosterplan keine Kopie sein könne - wie man mir ebenfalls zu verstehen gab - weil darauf Zirkelspuren (Einstiche) entdeckt wurden, die bei einem bloßen Durchpausen nicht vorhanden wären, ist eine etwas merkwürdige These. Ich habe schon Zeichnungen durchgepaust und dabei durchaus auch Lineal und Zirkel verwendet. Letzteres um Rundungen sauber hinzubekommen - was freihändig nämlich deutlich schwieriger ist. Aber das nur der Vollständigkeit halber.“

    Hallo,
    die Zeichenspuren auf dem Klosterplan von St. Gallen gehen weit über einige Zirkeleinstiche für Kreisbögen hinaus. Tatsächlich wurden durch Norbert Stachura (zusammenfassend: 1982) und Werner Jacobsen (1992) eine große Zahl von Einstichen, Blindrillen und Rasuren entdeckt.

    Anhand dieser Zeichenspuren lässt sich heute die Entstehung der Zeichnung recht genau nachvollziehen. Die Klosterkirche wurde auf dem Pergament selbst konstruiert. Die Grundlinie bildete eine Falz entlang der südlichen Arkadenreihe der Klosterkirche. Auf dieser Falz markierte der Zeichner die Mitte der Stützenabstände mittels Einstichen, genauso wie die parallele nördliche Stützenreihe (Jacobsen 1992, Kap. I. 6 Der Ablauf der Planherstellung; s. a. Stachura 2004). Auch weitere Hauptmaße der Kirche und Klausur scheinen von der Falz aus eingemessen worden zu sein.

    Sehr deutlich wird die Konstruktion des Planes im Westabschluss der Klosterkirche, wo der der Zeichner zunächst zwei Versionen erprobte, bzw. sogar einen Teil des Pergamentes abschnitt, einen neuen annähte, schon gezeichnete Linien auch wieder ausschabte und schließlich darüber den heute sichtbaren Westabschluss anlegte (vgl. Jacobsen 1992, Kap. IV. Die verschiedenen Planungen der Abteikirche).

    Auch an anderen Stellen der Kirche finden sich ähnliche Rasuren und Korrekturen. Es kann heute deshalb nicht mehr bestritten werden, dass der Klosterplan von St. Gallen ein Original ist, das auf der Insel Reichenau Schritt für Schritt entwickelt wurde.

    Dazu Werner Jacobsen (1992, 325): „Mit Nachweis der Absteckung der wichtigsten Konstruktionspunkte durch einen Stechzirkel sowie mit der umfangreichen Vorzeichnung ist die These Walter Horns vom Plan als eine Pause auf jeden Fall unhaltbar.“

    Natürlich schließt das nicht die Verwendung eines älteren Bauplanes als Vorlage aus, wie Jacobsen weiter ausführt, doch diese mögliche Vorlage oder Skizze wurde keinesfalls 1:1 kopiert, sondern diente lediglich als Anregung für die Neukonstruktion der Plankirche.

    Diese Forschungsergebnisse der 80er Jahre (!) kamen leider zu spät, um in den bis heute populären Werken von Hecht (1983) und Horn & Born (1979) einen Widerhall gefunden zu haben. Vielleicht kann der Campus Galli aber dazu beitragen, den Blick der „jüngeren“ Forschung auf den Klosterplan einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

    Andreas Sturm
    Projektmanager Living History/Campus Galli

    Literatur

    Hecht 1983
    K. Hecht, Der St. Galler Klosterplan (Sigmaringen 1983)

    Horn – Born 1979
    W. Horn – E. Born, The plan of St. Gall. A study of the architecture & economy of, & life in a paradigmatic Carolingian monastery, California studies in the history of art 19 (Berkeley, CA 1979)

    Jacobsen 1992
    W. Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur. Entwicklung und Wandel von Form und Bedeutung im fränkischen Kirchenbau zwischen 751 und 840 (Berlin, Marburg 1992)

    Stachura 1982
    N. Stachura, Die Entdeckung von Zeichenspuren auf dem Plan von St. Gallen und das Problem seiner Urschriftlichkeit, in: Koldewey-Gesellschaft (Hrsg.), Bericht über die 31. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung. Vom 14. - 18. Mai 1980 in Osnabrück (Bonn 1982) 58–63

    Stachura 2004
    N. Stachura, Der Plan von St. Gallen. Maßeinheit, Maßstab und Maßangaben oder das Dilemma im Schlafsaal (Saint-Just-la-Pendue 2004)

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    1. Stachura ist wohl vergriffen und Jacobsens rund 2cm "dickes" Büchlein kostet z.B. bei Amazon schlappe 153 Euro... Da wird aus der Klosterplanforschung ja schon fast eine Geheimwissenschaft ;)

      Die Sache mit den Zirkelschlägen leuchtet mir allerdings schon mehr ein,
      wenn es um die Frage geht, ob Kopie, oder nicht.

      Für die Klosterstadt in Meßkirch, scheint es allerdings noch keinen endgültigen Bauplan zu geben, oder täusche ich mich da? Interessant wäre es nämlich zu sehen, wie der St. Galler Klosterplan, dem ja viele Merkmale abgehen die einen modernen Bauplan auszeichnen, wie z.B. die Wandstärken, für heutige Bedürfnisse adaptiert wurde.

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    2. Ja, die Verfügbarkeit der relevanten Literatur ist nach Normalnutzer-Maßstäben teilweise etwas eingecschränk. Aber Bestseller würden die Bücher auch nicht, dafür ist das Thema dann doch zu speziell.

      Ohne eine gut sortierte Universitätsbibliothek wie wir hier in Aachen käme der Campus Galli wohl kaum über das Stadium einer vagen Idee hinaus.

      Aber wir haben hier in der alten Lieblingspfalz Karls des Großen mit der Hochschulbibliothek der RWTH Aachen wie auch ca. 230 Institutsbibliotheken wirklich gute Standortbedingungen. ;o)

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