Montag, 27. August 2012

1066: Unterdrückt, beraubt, vertrieben, getötet

Angelsachsen 1066
Normans to the front ;) (Foto: Dan Koehl/Wikimedia.org)

Wie gründlich Wilhelm "der Bastard" - der später "der Eroberer" genannt wurde - die angelsächsische Führungsschicht in England eliminierte, nachdem er ab 1066 Stück für Stück das ganze Land unterjochte, kann man im Domesday Book nachprüfen, dem großen Reichsgrundbuch der Normannen. 1086/87 fand man gerade noch zwei(!) hochrangige, altenglische Adelige darin: Thurkell von Arden und Colswein von Lincoln (wobei ausgerechnet diese beiden Männer auch noch skandinavisch-dänische Wurzeln zu haben scheinen...).
Bei der Kirche verhielt es sich nicht anders. Als Wilhelm 1087 qualvoll verstarb, war nur noch ein einziger angelsächsischer Bischof im Amt (Worcester) und zwei Äbte bedeutenderer Abteien (Ramsey, Bath).

Es hatte sich somit eine neue normannische Herrenschicht etabliert, deren Assimilation durch die autochthone angelsächsische Mehrheitsbevölkerung deshalb lange Zeit mehr schlecht als recht funktionierte, weil über Jahrhunderte hinweg von jenseits des Ärmelkanals immer wieder neue normannische bzw. französischsprachige Verwandte nach England geschippert kamen - besonders zur Zeit des angevinischen Reichs. Der Hochadel Englands wurde eigentlich erst "englisch", oder besser gesagt, weniger "französisch", als man den Hundertjährigen Krieg verloren hatte und somit fast sämtliche verwandtschaftlichen und grundherrschaftlichen Bindungen zum Kontinent unterbrochen waren. Natürlich hatte sich bis dahin die englische Kultur und Sprache in vielen Bereichen längst grundlegend verändert.

Was unter normannischer Herrschaft in England geschah ist meiner Meinung nach ein teilweise vollzogener, kultureller Genozid. Das romanisch-fränkische Feudalsystem wurde nun auch dem letzten der noch bedeutenden germanisch geprägten Königreiche übergestülpt. Bis heute rechtfertigt man diese Zwangsbeglückung mehr oder weniger damit, dass die Normannen, überspitzt formuliert, im bis dahin angeblich ziemlich hinterwäldlerischen England doch so schöne Kirchen und Burgen gebaut hätten...

Interessant im Zusammenhang mit der normannischen Landnahme ist die Entstehung des Mythos von Robin Hood, dem Kämpfer gegen die normannische Unterdrückung schlechthin.
Diese Figur beruhte ursprünglich sehr stark auf dem angelsächsischen Widerstandskämpfer Hereward the Wake, der den neuen Herren Englands ziemlich zusetzte. Ein wirklich interessanter, zu Unrecht in Vergessenheit geratener Mann! Ich kann den Wikipedia-Artikel zu ihm nur empfehlen: -->Klick mich

PS: Wenn schon alle 10 - 20 Jahre Robin Hood ins Kino gebracht wird (zuletzt in sehr schlechter Form), dann doch bitte endlich einmal in einer Adaption, die sich eng an die historische Figur des Hereward anlehnt! Sein Kampf gegen die Normannen in den Jahren direkt nach der Eroberung Englands ist deutlich glaubwürdiger, als jener des legendenhaften Robin Hood (Ende des 12. Jh.), zu dessen fiktiver Lebenszeit sich die Normannen schon gut 120 Jahre im Land befanden.

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Weiterführende Literatur:
  • Alheydis Plassmann | Die Normannen: Erobern - Herrschen - Integrieren | Kohlhammer | Infos bei Amazon
  • Richard Allen Brown | Die Normannen | Artemis & Winkler | Infos bei Amazon


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