Donnerstag, 24. Januar 2013

Ein Römerstein in der Kirchenmauer

In der Nähe der steirischen Landeshauptstadt Graz liegt Dobl; eine kleine, unauffällige Landgemeinde. Nun gut, unauffällig vielleicht nicht, denn dort steht ein 1939 errichteter, unübersehbarer, gut 150 m hoher Sendeturm. Dieses Überbleibsel des 2. Weltkrieges möchte ich hier allerdings nicht näher unter die Lupe nehmen. 
Viel interessanter finde ich nämlich, dass in der Außenmauer der örtlichen Pfarkirche eine Spolie bzw. ein sogenannter "Römerstein" eingemauert wurde - siehe die beiden Fotos. Aufgrund der Haartracht der dargestellten Personen, würde ich den Stein ins 4. Jahrhundert datieren; da ich kein Kunsthistoriker bin, mag ich damit aber auch falsch liegen. Jedenfalls erinnert mich vor allem der links Dargestellte, vom Stil her, schwer an ihn. Außerdem bilde ich mir ein, dass die rechte Person, ihre Hand zum christlichen "Segenszeichen" formt (ausgestreckter Zeige- und Mittelfinger, abgewinkelter Ringfinger und Kleiner Finger).

Unweit der Pfarrkirche Dobl liegt ein heute mit dem freien Auge kaum noch erkennbarer, römischer Grabhügel, der eine nahezu quadratische Ummauerung aufweist bzw. aufwies - ich habe hier schon einmal kurz davon berichtetGut möglich, dass hier zumindest im weitesten Sinn eine Verbindung zu dieser Spolie besteht. 
Die Kirche selbst ist im Kern spätromanisch, wurde aber im Laufe ihrer Geschichte zigmal umgebaut bzw. erweitert. Zu welchem Zeitpunkt genau dieser antike Stein eingesetzt wurde, vermag ich deshalb nicht zu sagen. Es könnte allerdings erst relativ spät, etwa im 19. Jh. geschehen sein, als man sich verstärkt des antiken Erbes anzunehmen begann. Ein besonders eindrucksvolles Beipiel für dieses Wiederverwenden antiker Bildsteine, liefert das einige Kilometer entfernten Schloss Seggau: Klick mich 

NACHTRAG: In der Bilddatenbank Ubi-erat-lupa.org, fand ich zwischenzeitlich einen Eintrag, der genau diesen Bildstein behandelt. Datiert wird er ca. in die Mitte des 3. Jhs. Die rechts dargestellte Person ist ein Mann, dem man bei einem wohl schon weit zurückliegenden Restaurierungsversuch den Kopf eines Mädchens aufgesetzt hat, welcher wiederum von einem anderen Relief stammt (mir kam die Darstellung aufgrund der Proportionen und Frisur in der Tat ziemlich seltsam vor). Fragt sich nur, wo dieser zweite Stein geblieben ist?
Auch die Fingerhaltung dürfte eine andere Bedeutung haben als zuerst vermutet (Das kommt davon, wenn man noch spät am Abend Blog-Artikel verfasst; da übersieht man leicht das Offensichtliche...). Der Mann hat höchstwahrscheinlich, wie man es bei anderen Darstellungen ja auch immer wieder sieht, in der linken Hand eine Schriftrolle gehalten, auf die er mit der rechten Hand weist. Diese oft zu sehende Rolle bzw. Geste, könnte im Zusammenhang mit der Verleihung des Bürgerrechts stehen; allerdings ist das, soweit mir bekannt, in der Forschung umstritten. Und wenn man bedenkt, dass Caracalla im Jahr 212 ohnehin allen Freien im Reich das Bürgerrecht verlieh, dann würde das hier eventuell auch mit der Datierung des Steins nicht ganz übereinstimmen. Wie auch immer; nähere Informationen, wie z.B. die Begründung für die Datierung, findet man hier: Klick mich



7 Kommentare:

  1. Faszinierend! Ich glaube, ich hätte das gar nicht als römischen Stein erkannt, sondern es für ein Zierelement aus dem 19ten Jahrhundert gehalten.
    Hut ab und sehr gute Augen :)

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    1. War eigentlich kaum zu übersehen, da ich beinahe direkt davor geparkt habe ;)

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  2. Also die Tracht der Damen sieht noch stark nach Peplos aus. Das wäre eher früher dann. Trägt man im 4. Jhdt nicht schon Tunikaartige Trachten mit Ärmel? Also hätte ich jetzt zumindest von den Gentes so in Erinnerung.

    http://gentes-danubii.at/neu/galerie/galerie12.html

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    1. Möglich, dass das ein Peplos ist (wobei dann aber die beiden üblichen Fibeln auf den Schultern fehlen würden oder verdeckt sind.
      Ich kann mir allerdings aufgrund der Kopfbedeckung der Frau in der Mitte, die mir nach einer dieser "norischen Hauben" aussieht, auch vorstellen, dass die Dargestellten im 3. Jh. angesiedelt sind. Würden die Männer einen Bart tragen, eventuell noch früher....

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    2. Unfassbar, und ich zerbreche mir hier den Kopf darüber ;)
      http://www.ubi-erat-lupa.org/monument.php?id=1414

      Aber zumindest lag ich punkto Datierung nicht allzu weit daneben; Mitte des 3. Jhs.

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  3. Servus Richard, ääh, Hiltibold ;-)
    Lupa ist wirklich ein erstklassiges Suchwerkzeug wenn es um antike Grabreliefs, Stelen und ähnliche Dinge geht. Vor allem weil man fast immer Begründungen vorfindet, warum ein Stein von den Wissenschaftlern in diese oder jene Zeit eingeordnet wurde. Das fehlt ansonsten ja meist gänzlich.
    Auf alle Fälle ein interessanter Beitrag!
    LG,
    Erwin

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    1. Leider entdeckt man solche Seiten immer erst im Nachhinein, wenn der Beitrag schon draußen ist...

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