Montag, 28. Januar 2013

Hatten die Germanen Angst vor römischen Häusern?


Nein, die Germanen hatten wohl keine Angst vor römischen Häusern und den darin angeblich hausenden Geistern der Vorbesitzer; auch wenn man dies immer wieder liest. Tatsächlich verwendete man dort wo es möglich war und sinnvoll erschien römische Gebäude weiter (nachdem die ursprünglichen Eigentümer in den Hades befördert oder vertrieben worden waren). 
Archäologen haben etliche Anhaltspunkte für eine Siedlungskontinuität im Bereich römischer Landgüter ausgemacht; beispielsweise in Hirschberg-Großsachsen (Baden-Württemberg). Dort siedelten Alamannen inmitten römischer Gebäudereste.
Der Grund für den raschen Verfall vieler römischer Gebäude war nicht die Unlust der Germanen sie weiter zu benutzen, sondern schlicht und ergreifend die Unfähigkeit der neuen Herren das Mauerwerk dauerhaft instand zu halten. Man hatte schließlich nur Erfahrung mit Holzbauten. 
Andererseits war zumindest die oberste, germanische Führungsschicht (Königsfamilie, Herzöge, Hausmeier) durchaus in der Lage, das ganze frühe Mittelalter hindurch Villen bzw. Landgüter zu errichten, die sich teils stark an römischen Vorbildern orientierten. Und man ging dabei offensichtlich dermaßen geschickt vor, dass Archäologen germanisch-frühmittelalterliche Mauerreste schon einmal vorschnell den Römern zuordneten oder schlicht und ergreifend vor einem Rätsel standen, wie im folgenden Beispiel:
Im Umfeld des Doms von Fulda fanden Archäologen zwischen 1919 und 1953 nicht nur das typische Fundament eines vermeintlich spätantiken römischen Landhauses (villa rustica), sondern auch die Überreste von Fußbodenheizungen und sorgfältig verfugten Steinmauern, auf denen noch Reste von Putz und Bemalung auszumachen waren. Und das in einem Teil Germaniens, in dem die Römer nie dauerhaft Fuß gefasst hatten! Man zog daraus letztendlich den Schluss, dass Franken der Merowingerzeit hier ein Gut errichtet hatten, für das Anlagen aus dem von ihnen eroberten, damals bereits völlig romanisierten Gallien zum Vorbild genommen wurden.

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10 Kommentare:

  1. Genial... immer wieder unfassbar, was es für merkwürdige Vorurteile gibt und wie haartnäckig sich die halten.

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    1. Und die Medien machen oft alles nur noch schlimmer, anstatt für Aufklärung zu sorgen. Es ist sagenhaft, was in TV-Dokus für hanebüchener Unsinn verzapft wird. Unlängst hörte ich etwas von Kelten, die eine Durchschnittsgröße von 1,90 m gehabt haben sollen, und der römische Pilum, wurde als "Pellum" bezeichnet.
      Warum habe ich eigentlich den Fernseher weggegeben, wenn ich dann auch im Internet so einen Topfen (Quark) sehen muss ;)

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    2. 1,90?! o.O
      Wer kommt denn auf sowas?

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    3. Wenn du in einem sehr großen Videoportal nach
      "Die Kelten: Folge 2 Besiegte Helden"
      suchst, dann findest du die Quelle diesen Unsinns ;)

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  2. Wenn Germanen Angst vor römischen Häusern und römischem Hausrat hätten, wäre das doch ziemlich seltsam, angesichts der vielen Wörter, die das Deutsche dem Lateinischen verdankt (Fenster, Mauer, Wein etc.)

    Wo liest du denn solche Ammenmärchen? In der Trivialliteratur? Oder gibts auch wissenschaftliche Aufsätze, die diesen Unsinn verbreiten? Würde mich interessieren :)

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    1. Unterhaltungsliteratur (z.B. bei Bernard Cornwells Uhtred-Reihe), TV-Dokumentationen des ZDF, Vorlesungen an einer Uni...
      Diesen Bogus bekommt man noch häufig zu hören. Möglicherweise fußt alles auf irgendeiner Nebenbemerkung in einem antiken Text. Da müsste man wohl einmal genau nachforschen.

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    2. Herrje, sogar Uni-Vorlesungen? Das wundert mich jetzt doch - Leute, die auf solchen Gebieten sogar forschen, sollten es doch besser wissen Oo

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    3. In diesem speziellen Fall war es glaub ich gar kein Fachmann/Althistoriker, der sich so falsch äußerte (ich selbst habe es nur einer Mitschrift entnommen), sondern eine dieser Geschlechtegeschichtlerinnen :)

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  3. Hmm ich denke es ist der Copy Paste Effekt

    Dieser kann leider recht hartnäckig sein.
    Einer fing an und alle andern machen es nach weil sie sich auf die „Quelle“ verlassen und irgend wann wird es als Tatsache angesehen. Es ist dann nur Schwer und mit viel mühe zu korrigieren.

    Zudem können auch die Sender nichts mehr machen wenn ihnen von den Fachleuten fehlerhafte Infos gegeben werden. Ich persönlich denke das die wenigsten Regisseure und Moderatoren sich in der Materie auskennen und die Sachlage auch beurteilen können. Ausnahmen dürften leider selten sein.

    Zudem musste ich feststellen das es in der Masse der Leute bei bestimmten Themen Erwartungshaltungen gibt. Diese müssen für dass Massenpublikum auch befriedigt werden weil sonst die Einschaltquoten/Verkaufszahlen leider nicht mehr passen.

    Allerdings denke ich auch sehr schwierig ist eine Reportage zu erstellen die eine/n Fachfrau/mann anspricht und auch fürs breite Publikum geeignet ist.
    Die Kenntnisse des Publikums sind einfach zu unterschiedlich. Jeder einen Fachvortrag für ein unbekanntes Publikum halten musste wird mir dies bestätigen.

    Eigentlich wollte ich die Medien nicht in Schutznehmen und denke dass sie in vielen Fällen besser recherchieren sollten und sich mehr "Meinenungen" einholten sollten. Ach ja ich vergaß ja diese Beutzt ja die gleiche Quelle und die Kosten.....

    Ich zumindest habe meinen Anspruch ziemlich nach unten geschraubt bei Rebotagen. Zumal man dort auch die Quellen nur schwere nachvollziehen kann.

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    1. Ich persönlich erwarte mir von geschichtsbezogenen Dokus eigentlich auch kaum noch etwas Substanzielles und lasse sie meist nur zur Berieselung im Hintergrund laufen, während ich zeichne, bastle oder sonst irgend etwas mache, das nicht meine volle Konzentration erfordert.

      Handwerkliche Fehler in Dokus können sich qualitativ sehr unterscheiden. Es ist eine Sache, wenn z.B. die Legionärs-Darsteller in einer Spielszene die die Varusschlacht (9 n. Chr.) thematisiert, Rüstungen des 2.Jh. tragen. Darüber ärgere ich mich längst nicht mehr. Schlimm ist es allerdings, wenn ein bekannter Moderator, der sich früher gerne als die niederländische (Ex-)Königin Beatrix verkleidet hat, zur besten Sendezeit behauptet, Konstantin der Große hätte das Christentum zur Staatsreligion erklärt (was falsch ist, denn das war Theodosius I., und selbst bei ihm ist das nur eingeschränkt richtig).

      Mein Vertrauen in das was Journalisten behaupten, besonders wenn es aus dem Fernseher kommt, tendiert mittlerweile leider gegen null.
      Und Seiten wie Fernsehkritik.tv bestätigen mich darin leider immer wieder.

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