Montag, 11. Februar 2013

Antike Zahlenphantastereien

Antike Schriftquellen sind, sobald es um Zahlenangaben geht, sehr problematisch. Gerne wird seitens der zeitgenössischen Historiker dermaßen übertrieben und gelogen, dass sich die sprichwörtlichen Balken biegen. 
Besonders deutlich wird dies, wenn es um die Taten der römischen Armee geht. Es galt hier meist die einfache Regel: Je höhere die Verluste des Feindes, und je geringer die eigenen, umso größer war auch der erworbene Ruhm. 
Deutlich wird dies an einem Gesetz, das in der späten Republik (2.-1. Jh. v. Chr.) in Kraft trat. Demnach bekam nur jener siegreiche Feldherr vom Senat einen Triumphzug bewilligt, der mindestens 5000 tote Feinde vorweisen konnte (ein Ansporn, mit dem Gegner nicht besonders zimperlich umzuspringen). Waren jedoch die Verluste auf römischer Seite ebenfalls sehr hoch, dann konnten einem die triumphalen Ehren, trotz eines Sieges, schon mal verweigert werden, wie dies beispielsweise 143 v. Chr. bei Appius Claudius Pulcher der Fall war.

Eine Anmerkung am Rande: In der Kaiserzeit bestand für "einfache" Feldherren nicht mehr die Möglichkeit, sich einen Triumphzug zu verdienen. Dieser blieb nun dem Kaiser und Mitgliedern seiner Familie vorbehalten (man hatte wohl Angst, dass manch ein großer General allzu populär wurde). Wenn also Ben Hur an der Seite des römischen Generals Quintus Arrius an dessen Triumphzug teilnimmt, dann ist dies ein anachronistischer Topfen (Quark) ;) Freilich, allzu pingelig sollte man bei diesem an sich großartigen Film ohnehin nicht sein, denn römische Kriegsschiffe wurden ja in Wirklichkeit auch nicht von Sklaven gerudert, sondern von Berufsseeleuten. 

Zurück ins Reich der Zahlen. Wie absurd die Übertreibungen antiker Autoren mitunter ausfielen, möchte ich an folgenden Beispielen aufzeigen:
Appian fabuliert davon, dass im Jahr 121 v. Chr. eine römische Armee unter Quintus Fabius Maximus im Kampf gegen die Gallier 120 000 Feinde in den Hades geschickt haben soll;  bei lediglich 15 Toten auf der eigenen Seite! Strabo behauptet sogar, 200 000 Gallier hätten damals ins Gras gebissen.
Bei der Schlacht von Thapsus liegen unterschiedliche Verlustzahlen vor. Laut einer Überlieferung soll Caesars Armee 50 Mann verloren haben, die Gegenseite 5000.
Am Mons Graupius starben angeblich 10 000 Briten, während auf römischer Seite lediglich 360 Männer den Tot fanden.
Bei der sogenannten Schlacht an der Wattling Street (Boudica-Austand), sollen rund 80 000 erschlagene Briten gerade einmal 400 toten Römern gegenüberstehen.
Usw. usf.

Selbst Livius kritisierte bereits die Angewohnheit seiner Zeitgenossen, mit ungenauen Phantasiezahlen hausieren zu gehen.

—————–

Weiterführende Literatur:
  • Simon James | Rom und das Schwert: Wie Krieger und Waffen die römische Geschichte prägten | Philipp von Zabern | Infos bei Amazon
  • Kate Gilliver | Auf dem Weg zum Imperium: Eine Geschichte der römischen Armee | Nikol | Infos bei Amazon

Weitere interessante Themen auf diesem Blog:

4 Kommentare:

  1. Wahrscheinlich haben sich die Römer auch die Kunst der Übertreibung von den Griechen abgeschaut ;-)
    In der Schlacht bei den Thermopylen sollen die Perser laut Herodot über zweieinhalb Millionen Soldaten in den Kampf geworfen haben. Wer soll das glauben? Viel eher waren es "nur" einige Zehntausend.

    LG,
    Erwin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Veranstalter von Demonstrationen behaupten auch immer wieder, viel mehr Menschen hätten mitgemacht, als von der Polizei gezählt wurden. Man sieht, es hat sich seit der Antike wenig verändert ;)

      Löschen
  2. Sehr empfehlenswert, wenn auch in manchen Punkten überholt, ist zu diesem Thema auch Hans Delbrücks "Geschichte der Kriegskunst" in vier Bänden, wo der Autor anhand der Schlachtfeldbeschreibung/Abmessungen und ähnlicher Feldstudien sowie eindringlicher Studien dessen, was die damaligen Waffen wohl konnten, auszurechnen versucht, wie viele Soldaten wirklich jeweils im Felde waren.
    Die Million der Perser, die angeblich aus Susa losgezogen sind, führt er mit seinen Berechnungen ebenfalls ad absurdum - dennoch wird diese Zahl immer noch abgedruckt...
    Aber auch im Mittelalter haben die AUtoren noch gerne absolut unmögliche Zahlen überliefert: Besonders angesichts dessen, dass eine Gruppe von 36 Menschen im 10ten Jahrhundert als Armee angesehen wurde, widerlegt bereits die angeblich "100000" Ritter in der einen oder anderen Schlacht ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Gerade so "schöne" Zahlen wie 100 000 oder 10 000 sollten wahrscheinlich meist nur zum Ausdruck bringen, dass es einfach sehr viele bzw. unzählige waren.
      Heute würde man einfach "mega viele" schreiben :D

      Löschen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.