Mittwoch, 27. Februar 2013

Glücklich ist dieser Ort! - 1000 Graffiti aus Pompeji

(C) Reclam Verlag
Das bei Reclam erschienen, rund 370 Seiten starke Buch Glücklich ist dieser Ort! - 1000 Graffiti aus Pompeji beinhaltet, wie der Titel bereits nahe legt, eine umfangreiche Sammlung an Graffiti-Texten, die in der berühmten Stadt am Vesuv im Zuge archäologischer Ausgrabungen entdeckt wurden.
"Eintausend" hört sich nach viel an, und das ist es eigentlich auch. Trotzdem handelt es sich hierbei "nur" um ca. 10 Prozent der bisher in Pompeji freigelegten und wissenschaftlich erfassten Graffiti. 
Ein wenig schade ist, dass Vincent Hunink, der verantwortliche Übersetzer und Herausgeber, bei der Auswahl sein Hauptaugenmerk auf Privat-Graffiti gerichtet hat. Mich hätten nämlich auch geschäftliche Wandkritzeleien - wie  z.B. Werbung, die Programme von Gladiatorenspielen oder Wahlslogans - sehr interessiert. Fairerweise muss jedoch gesagt werden, dass sich trotz allem immer noch genügend faszinierendes Material in diesem Buch findet. Vor allem unflätige Beleidigungen haben es dem Herausgeber nach eigenem Bekunden angetan. Dementsprechend erfährt man hier recht detailreich, wie sich die alten Römer gegenseitig beschimpften. Wer die TV-Serie Spartacus: Blood and Sand kennt, der dürfte erahnen, in welche Richtung das geht... Und weil ich gerade bei dem Thema bin; das Graffito auf dem Bild unten, stellt kein "prä-astronautisches" Flugobjekt dar, wie Erich von Däniken wahrscheinlich mutmaßen würde ;)

(C) Reclam Verlag 

Jeder einzelne Graffito-Text wird im lateinischen Original und in der deutschen Übersetzung wiedergegeben (einige auch als Zeichnung). Mittels eines Codes werden außerdem Angaben zum Fundort innerhalb Pompejis gemacht - zu diesem Zweck enthält das Buch auch einen Plan der Stadt. Für Touristen, die sich vor Ort auf die Suche nach den Graffiti begeben wollen, ist das zweifellos eine praktische Sache. Wobei jedoch erwähnt werden sollte, dass etliche der antiken Wandzeichnungen nicht mehr leserlich sind. Andere wiederum befinden sich in mittlerweile abgesperrten Bereichen oder wurden entfernt und in Museen gebracht.

Es folgen vier Text-Beispiele aus dem Buch:

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Nr. 620
ARPHOCRAS HIC CVM DRAVCA
BENE FVTVIT DENARIO
Arphocras hat hier mit Drauca / gut gefi... für einen Denar.
VII, 12, 18-20 \ CIL IV 2193

Nr. 775
ALBANVS CINAEDVS EST
Albanus ist eine Tunte.
VII, 2, 36-37 (Haus des Lucius Caecilius Phoebus; in einem Flur) |
CIL IV 4917

Nr. 792
MIXIMVS IN LECTO FATEOR PECCAVIMVS
HOSPES SI DICES QVARE NVLLA MATELLA FVIT
Wir haben ins Bett gepinkelt. Ich geb's zu: unser Fehler, Gastgeber! Fragst du jetzt "Warum"?
Es gab gar keinen Nachttopf!
VIII, 6, 6 (an der Fassade, nahe einem Gasthaus) | CIL IV 4957

Nr. 587
CARMINIBVS 
CIRCE SOCIOS 
MVTAVIT
Mit Zaubersprüchen / hat Kirke die Männer / des Odysseus verwandelt.
VII, 9, 1(Gebäude der Eumachia; an der Außenseite) | CIL IV 1982 | metrisch (Distichon); Dichterzitat (Vergil, Bucolica 8,70 | Teile des Zitats auch an drei anderen Orten in Pompeji
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Um  wissenschaftliches Arbeiten mit den Texten zu ermöglichen, wird, wie man sieht, auch immer die CIL-Nummer angegeben.

FAZIT: Für wenig Geld gewährt diese Auswahl pompejanischer Graffiti einen schönen und auch außergewöhnlichen Einblick in den Alltag der römischen Antike. Wer über ausreichende Kenntnisse in der lateinischen Sprache verfügt, der darf sich hier auch des Öfteren über die Rechtschreibkünste der alten Römer wundern ;)
(So wie die Leser dieses Blogs sich ja auch gelegentlich über meine mitunter recht kreative Interpunktion wundern dürften 😊)

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14 Kommentare:

  1. Was es nicht schon alles gegeben hat :) Wobei das Wort "Graffiti" in diesem Zusammenhang etwas reißerisch klingt. Dann könnte man die noch viel älteren Höhlenmalereien ja auch als Graffiti bezeichnen ;-)

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    1. Die Höhlenmenschen wären von so einem Vergleich wahrscheinlich weniger begeistert
      ;)

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  2. Klasse! Ich war schon mal in Pompeji. Aber damals ist mir das gar nicht so aufgefallen. Deshalb super, dass du das hier mal vorstellst. - Und es ist doch so, im Laufe der Jahrhunderte hat sich irgendwie nicht viel geändert. Sogar das günstige Nümmerchen mit der Schönen wird schriftlich kommentiert. Wie heute in so manch einschlägigen Foren. ;-)

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    1. Wobei der Preis von einem Denar (=16 Asse) ziemlich hoch ist; die meisten Frauen (und Männer) in dem Gewerbe, haben "es" bereits für 2-4 Asse getan (für zwei Asse bekam man beispielsweise einen halben Liter Wein).
      Die im Graffito erwähnte Dame muss demnach über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt haben ;)

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    2. Oder sie hat ihren Freier über den Tisch gezogen ;-)

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    3. Auch eine Möglichkeit!
      Wobei dieser Arphocras offensichtlich ganz stolz darauf ist, so viel Geld für eine "Nummer" ausgegeben zu haben; anderenfalls hätte er sich sein Wandgekritzel bzw. den Hinweis darauf wohl erspart ;)

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    4. Ich frage mich gerade: Muss das Wandgekritzel überhaupt von ihm sein? Ich bin ja alles andere als ein Experte, aber könnten nicht auch Kumpels von ihm das gewesen sein, die sich darüber lustig gemacht haben, dass er von der Dame in jeglichem Sinne des Wortes aufs Kreuz gelegt wurde?

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    5. Wenn man sich ansieht, wie viele boshafte bis verleumderische Graffiti es alleine in dieser Zusammenstellung gibt, dann würde ich das nicht ausschließen.

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  3. Natürlich gibt's auch viel Wahlwerbung an Pompejis Mauern zu entdecken.
    Und danke für den Tipp; dieses Reclambüchlein werde ich mir umgehend besorgen! Das ist ja eine einzigartige Fundgrube!

    Ein Tipp von mir, wenn einmal Oberösterreich auf dem Programm steht: Im Museum "Lauriacum" in Enns ist ein einzigartiges römisches Deckenfresko zu bewundern; es existieren überhaupt nur zwei! Ich war dort jahrelang Kustos, als Univ.Prof. Hans-Jörg UBL die Grabungen leitete.

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    1. Wenn ich wieder einmal in der Gegend bin, werde ich mir das Museum bestimmt ansehen.

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  4. Faszinierend... Bestimmt wurde nicht nur in Pompei gekritzelt, aber dort blieb es erhalten und ist ein einzigartiges Kulturdokument, das vor allem viel über das tägliche Leben zeigt. Und darüber, dass die Römer uns gar nicht so fremd sind, wie man glaubt.

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    1. Ich kann mich noch gut erinnern, wie mein Mathe-Lehrer, als er eines Tages für einen kranken Kollegen die Geschichtsstunde Übernahme, wortwörtlich vom vollgesch...enen Rom sprach. Das hat mir, lange bevor ich von diesen Graffiti erfuhr, irgendwie die Augen geöffnet :)

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  5. Eigentlich ziemlich hart, was die sich alles geschrieben haben... wenn ich mir den Satz "Gut gefi..." mal so angucke!

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    1. In einem Interview meinte Udo Jürgens, wenn ein 30jähriger heutzutage ein Lied komponieren würde, dass "17 Jahr, blondes Haar" hieße, dann würde man ihn scheel ansehen und zum Perversen erklären. In den 60ern hatte damit hingegen niemand ein Problem.

      Man sieht daran, in welch rasantem Tempo die Menschheit immer verklemmter wird. Da kannst du dir vorstellen, wie sehr sich die Dinge erst seit der römischen Antike verändert haben ;)

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