Montag, 29. April 2013

Indoor-Pflanzenzucht in der Antike


Wer meint, es wäre eine typisches Bedürfnis unserer Tage, auch in der kalten Jahreszeit frisches Gemüse oder Blumen auf dem Tisch stehen zu haben, der irrt. Bereits die alten Römer hatten vor rund 2000 Jahren dieses Verlangen.
Beispielsweise schreibt der Dichter Martial von Obst, das man hinter Glas vor Frost schützte; auch Weintrauben erwähnt er, die so im Winter reiften (Mart VIII, 14). 
Der um 70 n. Chr. verstorbene Landwirtschaftsautor Columella spricht davon, dass auf diese Weise sogar Melonen gezüchtet wurden, die deshalb vor der üblichen Zeit geerntet werden konnten (Colum. XI, 3, 51)
Und Neros Zeitgenosse Seneca beschwerte sich (in einer angestaubt-schrägen Übersetzung):  
Nicht leben wider die Natur, die sich im Winter eine Rose wünschen, mit der lindernden Hilfe des warmen Wassers und geschicktem Umpflanzen der Winterzeit, die erste Frühlingsblume abtrotzen. (Sen. ep. 8)
Mit diesem "geschickten Umpflanzen" (locorum apta mutatione) dürfte Seneca das oben bereits erwähnte Verfahren gemeint haben, demzufolge Blumen im Winter hinter Glas gezüchtet wurden. Kurz gesagt, der Blumentopf wurde wohl einfach in ein Gewächshaus oder einen Wintergarten gestellt.
Plinius erwähnt diesbezüglich in seiner Naturalis historia, dass Kaiser Tiberius seine geliebten Gurken auch in mit Rädern versehen Beeten züchten ließ. Diese konnten bei gutem Wetter in die Sonne geschoben werden, während man sie im Winter unter Glas stellte (Plin. NH XIX, 64).
Wobei es sich hierbei möglicherweise nicht um echtes Glas gehandelt hat. Die im originalen Text verwendete Bezeichnung "specularium" lässt nämlich auch die Möglichkeit zu, dass ein vergleichsweise billiger Glasersatz gemeint ist, den Plinius an anderer Stelle lapis specularis  nennt - siehe rechtes Bild.
Wie archäologische Funde belegen, wurde diese vor allem in Spanien abgebaute Form des Minerals Gips, auch zur "Verglasung" von Legionärsbaracken und Thermen verwendet.

Der stadtrömische Durchschnittsbürger, konnte von all dem freilich nur träumen. Für ihn dürften ein paar kleine Blumentöpfe das höchste der Gefühle gewesen sein. Martial spricht in diesem Zusammenhang von rus in fenestris, was wortwörtlich übersetzt Land auf dem Fenstersims bedeutet (Mart. XI, 18,2).


Weiterführende Literatur:
Alltag im alten Rom - Das Leben in der Stadt | Karl-Wilhelm Weeber | Albatros | 1995/2011 | Meine Rezension | Infos bei Amazon

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