Donnerstag, 10. Oktober 2013

Vermummungsverbot, Luxusgesetze und Fensterhennen


Betrachtet man die in mittelalterlichen Städten erlassen Verbote und Regelungen, dann kommt man nicht umhin mit Staunen zu bemerken, wie modern doch manches anmutet. Anderes wiederum, ist aus heutiger Sicht eher schwer nachvollziehbar. Beispielsweise war es in Berlin verboten, zu einer Hochzeit mehr als 80 Gäste einzuladen; maximal sechs Musiker durften für Unterhaltung sorgen und nicht mehr als 5 Gänge bzw. Gerichte waren erlaubt. Geschenke gestattete man zwar im Falle einer Hochzeit, nicht jedoch bei einer Taufe.
Durchaus bemerkenswert ist auch ein in Straßburg erlassenes Vermummungsverbot, welches für alle Bewohner der Stadt galt, die älter als 18 Jahre waren. In Nürnberg wiederum, durften Hunde nach dem abendlichen Leuten der Glocken, die Nachtruhe nicht mehr durch Bellen stören (der heutige Trend sieht freilich so aus, dass sich aufs Land gezogene Städter/Bobos durch das Leuten der Kirchenglocken gestört fühlen...).
In Lübeck findet sich ein gewiss nicht unvernünftiges Gesetz, demzufolge ein Mindestabstand zwischen dem eigenen Schweinestall und dem Brunnen des Nachbars eingehalten werden musste. Grund hierfür könnte auch eine 1466 angestrengte Klage gewesen sein, der zufolge jemand in seinem Keller Schweine hielt, deren übel riechender Unrat die Luft - und möglicherweise auch das Trinkwasser - verpestete.
Besonders interessant ist, wie man im Mittelalter mit "Dirnen", "Hübschlerinnen" und "Fensterhennen" umging. So mutet etwa die Begründung für die Duldung der Prostitution - zumindest teilweise - modern an: Junge Mädchen sollten vor Schändung bewahrt werden (ähnlich argumentiert man auch heute noch).
Gegenwärtigen Bestrebungen nicht unähnlich, versuchte man dieses als nötig erachtete, aber trotzdem wenig geliebte Gewerbe, von den Straßen fern zu halten und es stattdessen an bestimmten Plätzen zu konzentrieren. Im Wien des 14. Jahrhunderts gab es zu diesem Zweck beispielsweise zwei große Freudenhäuser. Als im frühen 16. Jh. verstärkt Geschlechtskrankheiten aufkamen, wurden diese Etablissements - so wie die bis dahin höchst beliebten Badestuben - nach und nach geschlossen (letztere auch deshalb, weil Brennholz aufgrund umfangreicher Rodungen im Hoch- und Spätmittelalter in zunehmendem Maße rar wurde).
Egal, ob Prostituierte nun auf der Straße oder ortsfest arbeiteten, sie mussten sich mittels spezieller Kleidung als das kenntlich machen, was sie waren. In einigen Städten trugen sie zu diesem Zweck ein gelbes Tuch von vorgegebener Größe (Gelb galt interessanterweise als die Farbe der Erotik).
Die in Wien der Aufsicht des Scharfrichters unterstellten "Hübschlerinnen", versteckte man übrigens nicht immer verschämt vor den Augen der Öffentlichkeit. Im Gegenteil, die zu einer jeweils wöchentlich fälligen Steuer verpflichteten Damen, wurden anlässlich eines Besuchs Kaisers Sigmunds in Samt gekleidet und zum Empfang des Herrschers geladen.
Lediglich an Sonntagen und in der Fastenzeit, mussten die Prostituierten - zumindest offiziell - die Stadt verlassen.


Literatur-Tipp: 
Frank G. Hirschmann | Die Stadt im Mittelalter | Oldenbourg Wissenschaftsverlag | 2009 | Infos bei Amazon


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