Sonntag, 29. Januar 2017

Buch: Houses and monuments of Pompeii

Pompeji zählt zweifellos zu den berühmtesten und umfangreichsten Denkmälern der Antike. Die Ruinen der im Jahr 79 n. Chr. von Vulkanasche verschütteten Stadt werden seit dem 18. Jahrhundert im großen Stil freigelegt, wobei es jedoch zu Beginn hauptsächlich um das Bergen von Kunstschätze ging, die den Sammlungen des Adels einverleibt werden sollten. Als sich diese Schatzgräberei dann im 19. Jahrhundert zur Wissenschaft der Archäologie weiterentwickelte, beschlossen die Brüder Fausto und Felice Niccolini eine mehrteilige Publikation zusammenzustellen, die Pompeji in seiner Gesamtheit einem breiteren Publikum bekanntmachen sollte: Ihr Titel war: Le case ed i monumenti di Pompei.
Nach über 40jähriger Arbeit konnte Antonio, der Neffe der beiden Brüder, das Werk im Jahr 1896 vollenden: Auf über 400 Farblithografien wurden Ruinen, Mosaike, Wandgemälde, Grundrisse von Häusern und vieles mehr großformatig dargestellt. Dem Betrachter wird aufgrund dieser Vielfalt ein facettenreicher Einblick in das Aussehen und Alltagsleben einer antiken Stadt gewährt.
Hinzu kommt, dass etliche der archäologischen Funde Pompejis aufgrund mangelhafter oder komplett fehlender konservatorischer Maßnahmen mittlerweile im Orignal nicht mehr existieren. Beispielsweise wurde ein im Buch abgebildetes Grabrelief, das außerordentlich interessante Details von Tierhatzen und Gladiatorenspielen zeigt, bereits kurz nach seiner Auffindung vom Winterfrost zerstört. Aus diesem Grund kann sich die heutige Forschung glücklich schätzen, zumindest auf die qualitativ hochwertigen Darstellungen der Brüder Niccolini zurückgreifen zu können.

Das Buch Houses and Monuments of Pompeii (Taschen Verlag) basiert, soweit ich das sagen kann, weitestgehend auf den ursprünglichen Publikationen von Fausto und Felice Niccolini. Allerdings wurde es unter anderem mit zwei interessanten Essays angereichert, die vom Kunstgeschichtler Sebastian Schütze und dem Klassischen Archäologen Valentin Kockel stammen. Letzerer ist auch für die erklärenden Texte verantwortlich, die den unzähligen Abbildungen beigefügt wurden. Sowohl die Essays wie auch die Bildtexte und weitere z.T. relativ umfangreiche Einschübe - in denen Beispielsweise auf Fehlinterpretationen bei bestimmten zeichnerischen Gebäuderekonstruktionen eingegangen wird - sind dreisprachig; Nämlich Englisch, Deutsch und Französisch. 

Abschließend möchte ich noch zwei kleine Kritikpunkte nennen: Es ist zwar sehr schön, dass man die archäologischen Funde mit großer Liebe zum Detail dargestellt hat, doch wäre es für den Leser von Vorteil, wenn diese Detailverliebtheit auch immer bei den dazugehörenden Bildtexten an den Tag gelegt worden wäre. Die sind nämlich beispielsweise bei den unten abgebildeten Gladiatoren-Helmen und medizinischen Geräten nur sehr rudimentäre ausgefallen. 
Auch verstehe ich nicht so ganz, warum der Verlag ein Papier verwendet hat, das in Längsrichtung eine rillenartige Struktur aufweist. Das fühlt sich zwar beim Blättern sehr gut zwischen den Fingern an, hat aber den Nachteil, dass diese Rillen bei einem bestimmten Einfallswinkel des Lichtes deutlich hervortreten. Manch Abbildung sieht dann aus wie das Produkt eines Tintenstrahldruckers, bei dem einige Düsen verstopft waren. Freilich, bei guter Raumausleuchtung fällt der beschriebene Umstand kaum ins Gewicht. Man sollte sich nur klar darüber sein, dass es sich hier um keine typischen Hochglanzdrucke handelt.

Fazit: Trotz der zwei kleinen Kritikpunkte gefällt mir das 649-seitige Buch in Summe recht gut. Alleine die Ausmaße von 8,9 x 40,6 x 48,3 cm - bei einem Gewicht von 5 kg - sind äußerst beeindruckend. Auch der Inhalt erschlägt den Leser aufgrund der schieren Menge an großformatigen Abbildungen regelrecht. Im Angesicht des Gebotenen relativieren sich daher auch die 150 Euro Kaufpreis.

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Da Bilder oft mehr als tausend Worte sagen, habe ich mit freundlicher Erlaubnis des Verlages folgende Beispiele aus dem Buch zusammengestellt, die einen kleinen Überblick geben, was den Leser erwartet.

Wer sich an die HBO-Fernsehserie Rome erinnert, dem dürfte die obige Abbildung eines Mosaiks bekannt vorkommen, da es zu Beginn des Vorspanns verwendet wurde. Zu sehen ist hier eine Setzwaage, die das Gleichgewicht vor dem Tod zwischen Reich (Links: Königsbinde, Purpurmantel, Lanze) und Arm (Rechts: Wanderstab, Überwurf und Beutel) symbolisiert. Auf dem Rad der Fortuna sitzt ein Schmetterling als Symbol der Seele.

Auf dieser Abbildung sind links verschiedenste medizinische Geräte zu sehen, die laut Beschreibung "in den Vesuvstädten" gefunden wurden - also wohl nicht ausschließlich in Pompeji, sondern auch in Herculaneum und Stabiae.

Funde von verschiedenen - mitunter außerordentlich prächtigen - Gladiatorenhelmen sind hier zu sehen. 

Sehr interessant ist die auf der rechten Seite abgebildete Badewanne aus Bronze, die aus einem Privathaus in Pompeji stammt und einen schönen Eindruck vermittelt, wie sich die Körperreinigung abseits der heute noch so berühmten Thermen gestaltete. Links sind Beispiele für Wachsetäfelchen abgebildet, die unter der Vulkanasche gefunden wurden.

Auf diesem Foto sind links einige archäologische Funde von Musikinstrumenten zu sehen: Zwei kleine mit einer Kette verbundene Becken (cymbala), ein sistrum sowie verschiedene Flöten.

Hier ist ein besonders interessanter Gegenstand dargestellt - und zwar handelt es sich dabei um eine Gerät, das vermutlich zum Erhitzen und Warmhalten von Wein (Glühwein) oder ähnlichen Heiß-Getränken diente. Ich habe dazu vor einiger Zeit einen kleinen Blogbeitrag verfasst. Die Ähnlichkeit zu einem mit Strom betriebenen Wasserkocher ist schon erstaunlich. Im Übrigens sieht man auf dem vergrößerten Bildausschnitt die rillenartige Struktur des Papiers, von der ich oben geschrieben habe.

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Weiterführende Informationen:

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5 Kommentare:

  1. Ich glaube das Buch muss in meine Bibliothek. Nachdem ich ein bisschen gespart habe.
    :-)
    LG
    Tim

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  2. Ist bei den Bildern das Copyright nicht schon längst abgelaufen?

    Gero

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    1. Bei den originalen Lithographien ganz bestimmt. Wie es sich aber bei einer Neuveröffentlichung wie in diesem Buch verhält, weiß ich leider nicht. Das ist auch von Land zu Land verschieden.
      Der Verlag hat mich aber gebeten, die Bilder so zu veröffentlichen, dass das Buch drumherum noch zu erkennen ist. Die Gründe werden wohl in Richtung Copyright gehen, nehme ich an. Eventuell will man so eine Verwechslung mit den originalen Abbildungen verhindern, bei denen die Rechte ausgelaufen sind.

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  3. Was in Pompeji seit den Ausgrabungen im 18. und 19. Jahrhundert alles kaputt gegangen ist, weil die Italiener die Konservierung nur nachlässig betreiben, ist wirklich ein großer Jammer. Genau genommen geht Pompeji seit gut 200 Jahren ein zweites mal unter. Diesmal endgültig, fürchte ich, weil die Italiener können es einfach nicht. Heute weniger denn je, trotz internationaler Hilfe. Eine gute Dokumentation der Funde ist deshalb sehr wichtig. Das scheint man schon im 19. Jahrhundert erkannt zu haben.

    Zum gewellten Papier: Vielleicht handelt es sich dabei um eine Anlehnung an die Originaldrucke?

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