Sonntag, 19. Februar 2017

Buch: Selbstbetrachtungen (Marc Aurel)


Der Anfang von Roms Ende lässt sich mit guten Gründen bereits in der Regierungszeit des Kaisers Marc Aurel verorten. Eine verheerende Pest-Epidemie schwächte Land und Leute, während die germanischen Markomannen - als Vorboten der noch bevorstehenden Völkerwanderungszeit - Rom in einer bis dahin kaum gekannten Massivität militärisch herausforderten.
Während den sich über viele Jahre hinziehenden Feldzügen verfasste Marc Aurel in seinem Quartier an der Donau die heute als Selbstbetrachtungen bezeichnete Sammlung von Essays unterschiedlicher Länge: manche bestehen aus nur wenigen Zeilen, andere wiederum sind etwas umfangreicher.

Über die philosophische Qualität der vom Autor zu Papier gebrachten Gedanken maße ich mir kein Urteil an. Dazu fehlt mir die Qualifikation. Außerdem stehe ich der Philosophie ähnlich distanziert gegenüber wie der mit ihr verwandten Religion. 
Warum aber habe ich mir die Selbstbetrachtungen dann überhaupt gekauft? Ganz einfach: Ich wollte mehr über Marc Aurel erfahren - aus erster Hand. Und in der Tat findet sich vor allem im allerersten der insgesamt zwölf 'Bücher', in die das Werk unterteilt ist, so manch Persönliches aus dem Leben des Kaisers: Beispielsweise bedankt er sich beim Urgroßvater dafür, zuhause unterrichtet worden zu sein, anstatt auf einer öffentlichen Schule (kein Wunder, bei dem fragwürdigen Ruf, den römische Schulen bzw. die dort gepflegten Unterrichtsmethoden bereits in der Antike genossen). Kleine Zweifel am Urteilsvermögen des Philosophenkaisers kamen allerdings bei mir auf, als er sich für die wunderbaren Kinder bedankte, die ihm seine Frau geschenkt hat; schließlich war es Marc Aurels Sohn und Nachfolger Commodus, der durch Fehlentscheidungen und aufgrund schwerer charakterlicher Mängel die Krise des Römischen Reichs vertiefte. Doch eventuell hatte sich Commodus zu Lebzeiten seines Vaters einfach nur gut verstellt, sodass diesem verborgen blieb, wie ungeeignet der Sohnemann für das Herrscheramt ist.

Die vom Nikol Verlag angebotene Übersetzung ist leider nur einsprachig und außerdem schon relativ alt. Sie stammt nämlich aus dem 19. Jahrhundert und wurde von Karl (Carl) Cleß verfasst. Trotzdem ist der Text erfreulicherweise auch heutigen Lesern ohne weiteres zumutbar (inwieweit eine Überarbeitung stattgefunden haben könnte, entzieht sich meiner Kenntnis). Auf erklärende Fußnoten muss man allerdings verzichten. 
Weil für die Übersetzung das Urheberrecht längst abgelaufen ist, kann sie der Verlag sehr günstig anbieten. So kommt es, dass für diese optisch schön gestaltete Hard-Cover-Ausgabe lediglich sechs Euro verlangt werden. Bei diesem niedrigen Preis kann man zugreifen, ohne dabei viel falsch zu machen.

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5 Kommentare:

  1. Also dass die Philosophie mit der Religion verwandt ist, halte ich für eine höchst kühne Behauptung. Basiert letztere doch ausschließlich auf dem unbedingten Glauben an sie, während erstere (im Normalfall) systematisch und auf Vernunft basierend zu begründen versucht.
    Deshalb würde mich eine nähere Erklärung für diese Aussage interessieren.

    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Ein zentrales Thema in Religion wie auch Philosophie ist es, Erklärungen für das nicht Erklärbare/Fassbare anzubieten oder zu finden (woher kommen wir, wohin gehen wir etc). Ich persönlich halte das für Zeitverschwendung.
      Genauer kann ich es nicht begründen, denn dann müsste mich ich ja selbst in die Abgründe von Religion und Philosophie begeben - und wie gesagt, das gibt mir einfach nichts. Anders als Harald Lesch halte ich mich auch nicht für einen Universalgelehrten, der überall seinen Senf dazu geben muss ;)

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    2. Danke. Einen thematischen Zusammenhang kann ich so durchaus akzeptieren, auch wenn ich aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen eine etwaige Verwandtschaft weiterhin ablehne.
      Die Zurückhaltung ist sehr schätzenswert, denn bekanntlich gibt es auch viele Nicht-Universalgelehrte, die trotzdem überall ihren Senf dazugeben müssen. ;)

      lg
      Martina

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  2. Der Nikol Verlag bietet mehrere solcher günstigen Übersetzungen antiker Werke im Halbleineneinband an. Ich besitze die meisten davon und bin mit dem Deutsch der Texte auch halbwegs zufrieden. Da gibt es im Vergleich dazu wirklich viel Schlechteres auf dem Markt.

    Liebe Grüße,
    Britta

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    1. Ja, es gibt auch viele Nachdrucke anderer Verlage, die einfach eingescannt und voller Fehler sind, weil der OCR-Kram nicht funktioniert hat und auch kein Lektorat stattfand. Beim obigen Buch konnte ich keine solchen Mängel feststellen.

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