Donnerstag, 2. März 2017

Krimskrams: Die Knieschützer des Pharao -- Campus Galli, "ein finanzpolitisches Hütchenspiel"

Schminkpalette des ägyptischen Königs Narmer
(Hierakonpolis, 1. Dynastie) 
Im Buch Formen und Stile: Antike (Benedikt Taschen Verlag, 1994) findet sich die nebenstehende Zeihnung des ägyptischen Herrschers Narmer, der um 3000 v. Chr. regiert haben soll.
Der König mit erregierter Zipfelmütze (eigentlich die weiße Krone Oberägyptens) und am Gürtel befestigter Peitsche scheint hier einen äußerst knapp bekleideten Mann an den Haaren zu packen. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um einen Feind bzw. Gefangenen (der scheinbar nichts Besseres zu tun hat, als dem König auf den Schritt zu starren - aber irgendwie kommt mir sowieso die ganze Szene etwas 'schwül' vor 😄).

Mit Interesse habe ich festgestellt, dass der abgebildete Herrscher (der Titel 'Pharao' kam ja eigentlich erst viel später auf) Knieschützer wie ein Skater trägt. Wenn man davon ausgeht, dass es sich hier um eine kriegerische Darstellung handelt, dann frage ich mich, welchen praktischen Zweck dieses 'Accessoire' erfüllte (das übrigens auch auf anderen ägyptischen Bildwerken vereinzelt zu sehen ist). 
Einen Schutz wie Beinschienen bieten Knieschützer ihrem Träger nicht einmal annähernd. Ich kann keinen Sinn darin erkennen, sich so etwas für den Kampf umzuschnallen. 
Triftige Gründe wird es für die alten Ägypter natürlich trotzdem gegeben haben. Möglicherweise sollten die Knieschützer gar nicht vor feindlichen Waffen schützen, sondern erfüllten eine völlig andere Aufgabe? Grundsätzlich muss man nämlich sagen, dass richtige Rüstungen in jener Phase der ägyptischen Geschichte noch recht unüblich gewesen sein dürften.

Ich denke, es wird Zeit, dass ich mir ein gutes Buch über Soldaten und Waffen des Alten Ägypten zulege. Mal sehen, ob ich dazu etwas Schönes finde.

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Leserbrief:  Campus Galli - "Ein finanzpolitisches Hütchenspiel"

Die im baden-württembergischen Meßkirch beheimatete Mittelalterbaustelle Campus Galli wurde aufgrund scheinbar nie enden wollender Finanzspritzen aus dem Topf des Steuerzahlers, fragwürdiger wissenschaftlicher Umsetzung und diversen, dem Marketing geschuldeten Behumpsereien schon des Öfteren kritisiert.
Das hindert die Verantwortlichen freilich nicht daran, ein Bild zu zeichnen, in dem zumindest die lokale Bevölkerung hinter dem Projekt steht. So meint etwa der Meßkircher Bürgermeister Arne Zwick: "Die Unterstützung in der Bevölkerung ist breit." Und der Geschäftsführer des Projekts, Hannes Napierala, erklärt, die Mehrheit der Meßkircher sei stolz auf das Projekt. Belegen können oder wollen die beiden Herren ihre Behauptungen freilich nicht. 
Und in der Tat dürfte sich die Stimmung vor Ort gravierend von solchen rosigen Träumereien unterscheiden. Beispielsweise war vor wenigen Wochen in der BZ folgendes zu lesen:
Die Skepsis der Einheimischen zeigt sich auch am Stammtisch des Gasthofs zum Adler. Dort waren nur drei von acht jemals auf dem Bauareal, der Rest weigert sich dezidiert. Man habe nicht wirklich etwas gegen das Projekt, heisst es, sondern eher etwas gegen die Finanzierung. Vernünftige Sportanlagen gebe es hier seit Jahren nicht, Löcher in den Strassen dafür umso mehr, und jedem Verein werde das Geld gekürzt, aber das Klosterdorf, das erhalte Hunderttausende Euro. Ein wenig verloren zwischen den Gegnern aus dem Dorf sitzt Thomas Schlude auf der Eckbank, auch er einer von hier, Messkirchner, aber auf der anderen Seite der Geschichte. [...]
Erwähnenswert wäre noch: Besagter Herr Schlude, CDU-Stadtrat von Meßkirch, soll laut Medienberichten als Finanzberater des Campus Galli auch persönlich finanziell von dem Projekt profitiert haben. Ob das seine Zuneigung für den Campus Galli ein wenig erklärt?

Schon mehrfach wurde die vermeintliche "Klosterstadt" von Bürgern in Leserbriefen kritisiert. Vor wenigen Tagen erst erschien eine entsprechende Kritik am Finanzgebaren des Campus Galli in der Print-Ausgabe der Schwäbischen Zeitung (was an sich schon erstaunlich ist, handelt es sich bei diesem Blatt doch um einen der wichtigsten medialen Cheerleader des Bauprojekts):
Zu den städtischen Zuschüssen für den Campus Galli erreichte uns folgender Leserbrief:
 "Ein finanzpolitisclıes Hütchenspiel"
Das Projekt Campus Galli soll im Jahr 2017 wiederum mit rund 300 000 Euro gefördert werden. Von diesem Betrag sollen 100 000 Euro als sogenannter Kassenkredit gewährt werden, der noch im laufenden Jahr zurückbezahlt werden soll. Legt man die veröffentlichten, prognostizierten Besucherzahlen zugrunde, drängt sich der Verdacht eines finanzpolitischen Hütchenspiels auf, denn wozu der erneute, identisch hohe Zuschussbedarf, wenn doch mit immer mehr Besuchern gerechnet wird? Im Übrigen haben die bisher veröffentlichen, angeblich gestiegenen Besucherzahlen nicht zu einer Minderung der Zuschüsse geführt. Es sieht im Gegenteil nach einer fortgesetzten, entgegen sämtlichen bisherigen Beteuerungen nicht absehbaren „Zuschusspolitik“ der verantwortlichen Entscheidungsträger aus. Denn mit Ablauf eines bisher jeden Betriebsjahres des Campus Galli verschiebt sich das „prognostizierte“ Ende der Förderungen immer weiter in die Zukunft. Zur Erinnerung: Nach den ersten drei Jahren sollte der Campus Galli sich selbst tragen. Mittlerweile heißt es „vielleicht 2018 oder 2019“. Allein dies belegt sehr eindrücklich, dass hier weder eine belastbare Planung, noch eine realistische Einordnung der Ressourcen vorliegen kann. Bei der mittlerweile (nicht) sichtbaren Umsetzung muss man sich schon die Frage stellen, ob hier nicht geschludert wurde/wird und in welchem Verhältnis das Ganze noch mit einer Daseinsvorsorge einer Gemeinde in Einklang gebracht werden kann.
J. Kappler, Meßkirch
Man sieht hieran: Aufgrund der schon beinahe institutionalisierten Kungelei zwischen Politik, Medien und gar nicht einmal so wenigen 'Wissenschaftsprostituierten' fällt zunehmend wahrheitsliebenden "Normalbürgern" die Aufgabe zu, Steuergeldverschwendung zu recherchieren und öffentlich aufzuzeigen. Besonders Zeitungen scheint es mitunter ganz recht zu sein, Kritik an bestimmten Misständen nicht selbst üben zu müssen - was ja bekanntlich Anzeigenkunden (wie etwa politische Parteien) vergraulen könnte. Stattdessen überlässt man dies Leserbriefschreibern.

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17 Kommentare:

  1. *lol* die haltung des gefangenen in lendenschurz erinnert wirklich ein wenig an einen striptease-tänzer. chris

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  2. Ich vermisse ein bißchen die wissenschaftliche Distanz zu historischen Darstellungen ;-)Ägyptische Reliefs haben nun mal diese komische Haltung, in der die Schultern immer frontal zu sehen sind. Und eine kniende Person hat ihr Gesicht immer etwa in Schritthöhe eines stehenden Menschen.
    Abgesehen davon, daß die Ägypter selbst auch nicht gerade viel Kleidung trugen, würde ich den Lendenschurz des Gefangenen als Ausdruck der Unterlegenheit und/oder Minderwertigkeit deuten, und seine Haltung mit den ausgestreckten Armen als Unterwerfungsgeste.
    Warum das hier als "schwul" und Stripteasetänzer gewertet wird, erschließt sich mir nicht, und ich finde es ehrlich gesagt auch nicht gut. Ist dem sonst sehr hohen Niveau des Blogs nicht angemessen ;-)
    - Fränkin -

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    1. Wie singt schon Roberto Blanco:

      https://www.youtube.com/watch?v=lQUT6rfB_KA

      Und geschrieben wurde der Beitrag ja noch im Fasching, nur mit der rechtzeitigen Veröffentlichung ist es sich nicht mehr ausgegangen ;-)

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    2. Mann im Minirock mit Peitsche? Enthält definitiv eine Portion Homoerotik und SM! ;o)

      Der Wanderschmied

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    3. Ts ts ... die Peitsche ist übrigens ein "bull tail" - ich zitiere das mal aus dem Text zu Hiltibolds Link unten, um Zweideutigkeiten der deutschen Sprache zu vermeiden ;-)
      - Fränkin -

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  3. Der Leserbrief an die SZ trifft ins Schwarze.
    Außerdem kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass 80 Prozent meiner Verwandten, Freunde und Bekannten in Meßkirch die Karolingische Klosterstadt kritisch betrachten. Die hohen Kosten stehen einfach in keinem Verhältnis zum geringen Nutzen für vergleichsweise wenige Individuen.
    Wäre es ein rein privat finanziertes Projekt, dem man höchstens den Baugrund zur Verfügung gestellt hätte, dann würde die Sache anders aussehen. Aber so .....

    Grüßle,
    Maria

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  4. Ägypter mit Zelt in der Hose ;-)
    http://www.experience-ancient-egypt.com/wp-content/uploads/2015/05/ancient-egyptian-police.jpg

    Oder noch eindeutiger, dieses Motiv, dessen Reproduktionen gerne an Touristen verhökert werden:
    https://i.ytimg.com/vi/xNXykcfXiD4/maxresdefault.jpg

    Grüßle,
    Maria

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    1. Ja, die gestärkten Wickelröcke schauen für heutige Betrachter schon etwas komisch aus. Die zweite Darstellung erst recht, obwohl es sich dabei um irgendeine harmlose Banalität handelt, sofern ich mich richtig erinnere. Das Bild kenne ich nämlich.

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  5. Die letzten Kommunalwahlen zeigten in Meßkirch eine überwältigende Zustimmungen zur "Klosterstadt". Es wurden fast nur solche Kandidaten gewählt, die dem "Campus Galli" Unterstützung zugesagt haben.
    Darauf können sich Zwick und Napierala beziehen.
    Leser

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    1. Eventuell. Allerdings war dazumal ja noch nicht bekannt, dass die Förderungen massiv verlängert werden müssen und selbst die revidierten Prognosen nicht eingehalten werden können.

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    2. Leser, die vergangenen Kommunalwahlen als Zustimmung für den Campus Galli zu werten, wäre sehr gewagt, weil das war kein großes Wahlkampfthema. Und zwar deswegen, weil unsere mit der Lokalpolitik verklüngelte Presse (allen voran Südkurier und Schwäbische Zeitung) über die negativen Vorgänge rund um die Finanzierung des Campus Galli entweder gar nichts mehr berichtet hat oder nur in beschönigender Form. Diese"Lückenpresse" hat Zwick und Napierala nicht einmal dafür kritisiert, dass der 2015 groß angekündigte Plan, ab 2018 endlich ohne Förderungen auskommen zu können, im Vorjahr wieder kassiert worden ist.

      Mr. Frog aus Meßkirch

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    3. Immerhin hat sich das Desaster nicht lange vor den Kommunalwahlen abgezeichnet, indem die eigenen Leute (!) das sinkende Schiff verlassen haben (Andreas Sturm). Da Sturm seine Kritik öffentlich gemacht und nicht nur der Presse bekanntgegeben hat, konnte jeder sehen, wo der Schuh drückt.
      Endgültig hat die völlig unsachliche Reaktion Geurtens, die in der Presse wiedergegeben wurde, gezeigt, mit welcher Inkompetenz hier gehandelt wird. Geurten warf als Scheingrund die Arbeitssicherheit ein - was zum einen an Sturms Kritikpunkten vorbeilief, und zum anderen ignorierte, dass es vielmehr Sturm war, der Sicherheitsbedenken bei der geplanten Bogenschießbahn einbrachte und auch exakt begründete; aber auch hier wie überall bei Geurten auf Granit stieß. Selbst ein Mitglied des Wissenschaftsbeirats musste öffentlich Geurtens Suggestionen mit der Arbeitssicherheit entgegentreten. Wenn dies alles in der Meßkircher Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde, hat dies eher mit Desinteresse an dem Thema zu tun.
      Leser

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  6. Könnte es sich dabei nicht auch nur um eine stilisierte Form der Knie handeln?

    Liebe Grüße,
    Britta

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    1. Ja, das ist gut möglich (habe ich leider vergessen im Blogbeitrag zu erwähnen). Allerdings würde dann meiner Ansicht nach nicht ganz passen, dass bei der Kniekehle statt einer zwei (parallele) Linien / Falten nach hinten laufen. Das sieht sehr eigenartig aus.
      Außerdem sind auf der Palette, die diese Darstellung ziert, auch Personen zu sehen, deren Knie nicht so dargestellt sind.
      https://www.khanacademy.org/humanities/ancient-art-civilizations/egypt-art/predynastic-old-kingdom/a/palette-of-king-narmer

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    2. Also wenn man sich Aufnahmen im Original und mit hoher Auflösung anschaut (http://xoomer.virgilio.it/francescoraf/hesyra/palettes/narmerp.htm) sieht man eigentlich, dass auch bei den anderen die Knie genau so dargestellt sind, auch bei den Teilnehmern der Prozession auf der Vorderseite der Palette, ich glaube die Nachbildung gibt daher einen falschen Eindruck

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    3. Bei der Darstellung auf der Rückseite fehlen die beiden parallelen Linien nach hinten zur Kniekehle sowie die zusätzliche Einfassung der Kniescheiben mit einem weiteren Kreis. Warum hat der ägyptische Künstler hier eine andere Darstellungsform des menschlichen Körpers gewählt? Meiner Ansicht nach weist das eher darauf hin, dass man es auf der Vorderseite mit einem Accessoire zu tun hat, das der Pharao auf der Rückseite, wo er in einer anderen Situation gezeigt wird, nicht trägt.

      Hier das besonders hochaufgelöste Foto des Originals, wo gut zu sehen ist, dass die Zeichnung aus dem Buch die Knie recht gut wiedergibt.
      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fe/King_Narmer.jpg

      Mich erinnert das ein wenig an einen Muskelpanzer römischer Machart, bei dem die anatomischen Besonderheiten plastisch in Metall nachgebildet wurden.
      Trotzdem könnte es sich hier natürlich auch nur um eine künstlerische Eigenart handeln.

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  7. Ein Knieschützer ist ein Knieschützer. Skater tragen den, damit sie sich die Knie nicht aufreißen, wenn sie sich maulen. Das kann auch im Kampf sehr hilfreich sein, denn da kann man sich auch gut hinhacken. Außerdem kann man mit verstärkten Knien seinem Gegenüber noch kräftiger in die Nüsse kicken.

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