Im Buch Handschriften und Papyri - Wege des Wissens (Phoibos Verlag) wird auf Grundlage der umfangreichen Papyrus- und Hanschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibiothek ein facettenreicher Einblick in die Überlieferungsgeschichte antiken Wissens gegeben. Da den Klöstern des Mittelalters hierbei eine besonders wichtige Aufgabe zukam, stehen sie häufig im Zentrum der von verschiedenen Autoren stammenden Beiträge. Unter anderem geht es dabei um die Frage, welche dem jeweiligen Zeitgeist unterworfenen Vorlieben und Abneigungen dazu führten, dass Kleriker bestimmte antike Texte weniger oft als andere kopierten. Wie erläutert wird, spielte hier zwar einerseits die Religion eine gewisse Rolle, andererseits wurde jedoch bereits in der Spätantike vieles aus recht 'profanen' Gründen 'aussortiert'; als nämlich die gebildeten Schichten dazu übergegangen waren, die bis dahin dominierenden Papyrusrollen durch gebundene Bücher aus Pergamentblättern (Kodizes) zu ersetzen. Schriften, die damals von ihren jeweiligen Besitzern für nicht wertvoll oder interessant genug erachtet wurden, übertrug man nicht auf den deutlich beständigeren Beschreibstoff Pergament, wodurch sie im Laufe der Zeit überwiegend der Zerstörung anheimfielen.
Leider waren nicht alle Autoren in der Lage, sich durchgehend einer allgemein verständlichen Sprache zu bedienen - denn wie viele Leute wissen schon, was "patristisch" heißt und "interlineare Glossen" sind? Hier wird auch manch 'Bildungsbürger' erst einmal anstehen. 😐
Außerdem mangelte es fallweise an der Fähigkeit, Kausalität und Korrelation zu unterscheiden. So heißt es beispielsweise, aus der Zeit zwischen 400 und 800 n. Chr. wären uns 2000 Bücher überliefert worden, während es alleine aus dem 9. Jh. 7500 sind. Daraus wird sofort der kategorische Schluss gezogen, dies sei ein Beleg für die von der Mediävistik so gerne bemühte "Karolingische Renaissance"; eine Zeit, in der angeblich viel mehr geschrieben wurde, als in den frühmittelalterlichen Jahrhunderten davor. Ja, wenn das so nur einfach wäre. In Wirklichkeit spielt natürlich auch der Umstand eine Rolle, dass uns das 9. Jh. zeitlich deutlich näher ist als z.B. das 5. Jh. Will heißen, je mehr Zeit vergeht, umso mehr Gelegenheiten ergeben sich, dass Bücher zerstört werden oder verloren gehen. Außerdem konnten alte und zerfledderte Bücher, nachdem sie erst einmal in der 'neuen' karolingerzeitlichen Schrift (karolingische Minuskel) kopiert worden waren, entsorgt bzw. dem Recycling zugeführt werden. Ist es etwa ein Zufall, dass ausgerechnet zur Zeit Karls des Großen besonders häufig sogenannte Palimpsestierungen (abschaben und neu beschreiben von alten Pergamentseiten) vorgenommen wurden?
Bei der z.T. oberflächlichen Argumentation einiger Wissenschaftler darf man sich nicht wundern, dass Heribert Illig gerade wieder einmal mit einem neuen Buch daherkommt, um die Mediävistik zu trollen. Es trägt den passenden Titel: Des Kaisers leeres Bücherbrett. Wer bewahrte das antike Erbe".
Fazit: Handschriften und Papyri - Wege des Wissens vermittelt einige interessante Aspekte hinsichtlich des Wissenstransfers von der Antike über das Mittelalter bis in unsere Gegenwart. Auch stellen die zahlreichen, oft großformatigen Abbildungen antiker Schriftzeugnisse eine gelungene Ergänzung zum Text dar. Allerdings wirkt das Buch nicht wie aus einem Guss - was definitiv auf den Umstand der vielköpfigen Autorenschaft zurückzuführen ist; so wiederholen sich beispielsweise bestimmte Inhalte unnötig oft. Und während der eine Autor um eine allgemein verständliche Sprache bemüht ist, pflegt der andere eine vergleichsweise gestelzte Ausdrucksweise.
Der Kaufpreis beträgt knapp 30 Euro, was hier meiner Ansicht nach ein bisschen zu viel ist.
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