Dienstag, 23. Juli 2024

🍹 Das Blog vertschüsst sich in die Sommerpause! 🌴


Das Blog und der Blogger machen 5 Wochen lang Sommerpause. Ich werde die Zeit unter anderem dafür nutzen, endlich Hiragana und Katakana ordentlich zu lernen - die beiden einfacheren der drei japanischen Schriftsysteme (es handelt sich um Silbenschriften). Kanji - das für die japanische Sprache angepasste chinesische System mit seinen tausenden Zeichen - spare ich mir für später auf. Und ja, die Japaner verwenden tatsächlich drei Schriftsysteme parallel für ihre Sprache (nicht selten in einem Satz wild durcheinandergewürfelt). Andererseits: Wir lernen in gewisser Weise sogar vier verschiedene Schriften: Druckschrift (groß und klein) sowie Schreibschrift (groß und klein). Und bis in die 1940er-Jahre hinein gabs sogar noch die - aus meiner Sicht - absolut ätzende Frakturschrift. Die heute übrigens in der Populärkultur als typische Nazi-Schrift gilt, obwohl sie ausgerechnet von den Nationalsozialisten (mehr oder weniger) verboten wurde (es war eben nicht alles schlecht, unterm Hitler 😁). 

Ich freue mich ja als absoluter Nicht-Fan des Sommers jetzt schon auf den Herbst. Das Grazer Becken ist nämlich an Schwüle kaum zu übertreffen (ohne Klimaanlage, die das Haus auf knapp über den Gefrierpunkt runterkühlt, hätte ich hier schon längst Seppuku gemacht). Immerhin, einen Vorteil hat dieses Lokalklima: Aufgrund eher schwacher Winde pflastern uns die Politdeppen hier nicht die Landschaft mit Windturbinen voll. Was ja auch etwas wert ist, wenn ich mir anschaue wie etwa die Gegend rund um Wien mittlerweile verschandelt worden ist. 

Ich wünsche den Lesern einen angenehmen Restsommer mit einem hoffentlich windradfreiem Ausblick. Am 01. September geht es dann hier mit dem Blog wieder weiter. Sayonara!


Sonntag, 21. Juli 2024

🎧 Hörbares: Der "Hexenhammer" wird überschätzt -- 40.000 Jahre alte Nähnadeln -- Die DNA der Kelten -- Der große Brand von Rom im Jahr 64 -- Mesopotamiens Keilschriftartefakte -- Entdecker ohne Ruhm -- usw.


Da ich mit dem Blog bald in die Sommerpause gehe, hier zuvor noch eine extragroße Ladung an Podcast-Links.


 Mittelalterlicher Bestseller zur Hexenverfolgung: Die Wirkmacht des "Hexenhammers" wird überschätzt | Spieldauer 7 Minuten | SWR | Stream & Info | Direkter Download
Hier eine Übersetzung des Hexenhammers zum Nachlesen (das PDF ist nach Stichwörtern durchsuchbar). Entgegen dem tendenziösen Gerede in der Sendung geht es in dem Werk auch um Hexer (männliche Zauberer), nicht nur um Hexen bzw. Frauen. Ein nicht unerheblicher Anteil der damaligen Opfer waren dann auch tatsächlich Männer, die heute allerdings auffälligerweise permanent marginalisiert oder wie hier komplett totgeschwiegen werden. Andererseits waren viele der Anzeiger Frauen (eifersüchtige Ehefrau, missgünstige Nachbarin usw.). Getrost darf man hinter dem Verschweigen dieser bedeutenden Fakten ideologische Gründe vermuten, denn mit bloßer Inkompetenz lässt sich diese totale Blindheit auf einem Auge nicht erklären. Hier wird der Frau ganz bewusst eine exklusive Opferrolle zugewiesen. Und so einen unausgewogenen Käse nennen diese Haubentaucher dann "Wissenschaft", den die Allgemeinheit mit ihrem hart erwirtschafteten Geld finanzieren muss. 

 Mittelalter: Die große Heidelberger Liederhandschrift | Spieldauer 58 Minuten | WDR | Stream & Info
Schöne mittelalterliche Musik!

 40.000 Jahre alte Nähnadeln: Die Erfindung der Mode | Spieldauer 5 Minuten | DF | Stream & Info 

 Heinrich II. – Das mühsame Leben eines reisenden Herrschers | Spieldauer 22 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Geschichte der Badeanstalten - Eine Kultur für sich | Spieldauer 22 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Der Hut des Zauberers - Von der Bronzezeit bis Gandalf | Spieldauer 25 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Archäologie-Krimi: Himmelsscheibe von Nebra heute vor 25 Jahren gefunden | Spieldauer 7 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Indonesien: Älteste figurative Höhlenmalerei der Welt gefunden | Spieldauer 4 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Ursprünge der Kunst: Erste erzählerische Höhlengemälde sind älter als gedacht | Spieldauer 5 Minuten | DF | Stream & Info

 Faszination Einhorn – Julia Weitbrecht über einen Mythos, der bis in die Antike zurückreicht | Spieldauer 22 Minuten | WDR | Stream & Info | Direkter Download
Wie wohl Sigmund Freud die Faszination, die das Einhorn speziell auf Frauen ausübt, beurteilen würde? ^^

 Ramses-Ausstellung bringt Altes Ägypten an den Rhein | Spieldauer 11 Minuten | WDR | Stream & Info | Direkter Download

 18.07.64 n.Chr.: Der Brand von Rom | Spieldauer 16 Minuten | WDR | Stream & Info | Direkter Download

 Artemisia Gentileschi - Malerin des Barock | Spieldauer 22 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Entdecker ohne Ruhm | Spieldauer 22 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Richard Owen: Erfinder der Dinosaurier | Spieldauer 15 Minuten | WDR | Direkter Download

 Keilschriftartefakte Mesopotamiens - Ein internationales Projekt stellt sich vor | Spieldauer 38 Minuten | badw.de | Stream & Info | Direkter Download
Dass, wie hier behauptet wird, die ältesten Schriftzeugnisse aus Mesopotamien stammen, bestreiten die Kenner der Donau-Schriften (z.B. Vinca-Schrift) allerdings heftig...

 Hallstatt – Sgraffiti am Kirchenweg | Spieldauer 21 Minuten | Freies Radio Salzkammergut | Stream & Info 

 Frösche und Frankenstein - Die Geschichte der Galvanotechnik | Spieldauer 19 Minuten | BR | Stream & Info Direkter Download

 Audimax: Peter J. Brenner: Die deutsche Nachkriegsliteratur: Vergebene Chancen – verlorene Illusionen | Spieldauer 53 Minuten | Kontrafunk | Stream & Info | Direkter Download

 Audimax: Alexander Meschnig – Deutsche Hysterie im Laufe der Geschichte | Spieldauer 53 Minuten | Kontrafunk | Stream & Info | Direkter Download

 DNA der Kelten: Macht vererbte sich über mütterliche Linie - Interview D. Krausse | Spieldauer 7 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download
Gerade einmal lausige 31 Gräber (von zigtausenden!) hat man im Rahmen der Studie untersucht, und daraus schließt man wie DIE Kelten - also von Irland bis zum nördlichen Balkan runter - herrschaftlich organisiert waren? Außerdem bezeichnet der Interviewgast die Kelten indirekt als "Volk", was ja 'hochinteressant' ist, denn von diesem Begriff haben sich die meisten Forscher bezüglich der Kelten schon längst verabschiedet... Freilich, ohne diese Pauschalisierung kann man nicht das eher feministische Narrativ von der historisch immensen Wichtigkeit der Frau bei ALLEN Kelten bedienen. Wunschdenken. Geschwafel. Nonsens. (PS: Falls in der Studie differenzierter argumentiert wird als in diesem Interview, dann ist mir das wurscht und ändert nichts an meiner Kritik. Denn bei der Masse der Leute bleibt jenes Narrativ hängen, welches medial verbreitet wird.)

—————–

Freitag, 19. Juli 2024

📽️ Videos: Die Kreisgrabenanlage Schönebeck -- Textil aus dem Mittelalter -- Die heilige Geografie der Inka -- Alte Wikingersiedlung entdeckt -- 1800 Jahre alter Ring -- usw.


 Neue Untersuchungen an der Kreisgrabenanlage Schönebeck | Spieldauer 25 Minuten |  Landesmuseum für Vorgeschichte Halle | Stream & Info 



 Show and Tell: Textil aus dem Mittelalter | Spieldauer 3 Minuten | Altertumskommission für Westfalen | Stream & Info 



 An 1800-year-old Ring Engraved with the Goddess of War was Found by a Child on Mount Carmel | Spieldauer 2 Minuten | Israel Antiquities Authority Official Channel | Stream & Info 



 Abenteuer Archäologie: Die heilige Geografie der Inka | Spieldauer 26 Minuten | arte | Stream & Info 

 Abenteuer Archäologie: Die verlorene Stadt der Tairona | Spieldauer 26 Minuten | arte | Stream & Info

 Abenteuer Archäologie: Die Felsmalereien des San-Volkes | Spieldauer 26 Minuten | arte | Stream & Info

 Die geretteten Schätze Mesopotamiens | Spieldauer 88 Minuten | arte | Stream & Info 

 Northvolt-Baustelle: Archäologische "Ausgrabung der Superlative" | Spieldauer 2 Minuten | NDR | Stream & Info 

 Das gemeinsame Erbe der Römer | Spieldauer 3 Minuten | BR | Stream & Info 

 Forscherinnen entschlüsseln Ringheiligtum Pömmelte | Spieldauer 2 Minuten | MDR | Stream & Info

 Nach Murenabgang: Archäologische Funde in Falkenstein | Spieldauer 2 Minuten | BR | Stream & Info

 Kelten: Ärchäologin Stefanie Metz | Spieldauer 8 Minuten | SWR | Stream & Info

 Alte Wikingersiedlung in Ladelund entdeckt | Spieldauer 1 Minute | NDR | Stream & Info 

 Grausige Rarität: Größter Rattenkönig der Welt ausgestellt | Spieldauer 2 Minuten | MDR | Stream & Info
Pfui Teufel!

 Kärntens schönste Adelssitze - Glanz und Pracht herrschaftlichen Wohnens | Spieldauer 40 Minuten | ORF | Stream & Info 


Mittwoch, 17. Juli 2024

⛏️ Problemfall Göbekli Tepe: Wenn Arbeitsverweigerung zur wissenschaftlichen Tugend uminterpretiert wird

Bedachung, Göbekli Tepe (2023) | Urheber: Bjelica | Quelle: Wikimedia.org | Lizenz: CC 4.0  | Bearbeitung: Hiltibold


Mit schlechtem Beispiel voran

Für das, was der britische Archäologe Arthur Evans vor rund einem Jahrhundert an der bronzezeitlichen Palastanlage von Knossos (Kreta) verbrochen hat, hätte er eigentlich mit einem nassen Fetzen davongejagt gehört. Es ist nämlich eine Schande wie unter seiner Federführung eine wissenschaftlich äußerst wertvolle archäologische Stätte aus touristischen und finanziellen Gründen mittels Betonbauten, Fake-Wandgemälden sowie anderem Firlefanz zu Tode 'rekonstruiert' wurde. Von Evans egoistischer bzw. kleinkarierter Weigerung, genauere Informationen über das minoische Schriftsystem mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen, weil er Angst hatte, andere Forscher könnte es dann vor ihm entziffern, will ich gar nicht erst im Detail anfangen. Nur so viel dazu: Er, der große Ausgräber, dem der englische König sogar die Ritterwürde verliehen hat, konnte die rätselhafte "Linearschrift B" nie knacken. Das hat erst, einige Jahre nach Evans Tod, ein Laie geschafft. 


Wenn der Sachverstand wegerodiert

Zu viele von Arthur Evans heutigen Nachfolgern haben leider aus seinen Fehlern nichts gelernt. Ein aktuelles Beispiel kam mir erst kürzlich auf "X" unter. Dort rechtfertigte der deutsche Archäologe Oliver Dietrich das Überpflanzen von großen Teilen der noch nicht ausgegrabenen Bereiche Göbekli Tepes (Türkei) damit, dass es sich um einen Erosionsschutz für die rund einen Meter darunter liegenden prähistorischen Strukturen handle.
Göbekli Tepe Kritik - Oliver Dietrich - Jimmy Corsetti
Quelle: x.com
Selbstverständlich ist es möglich, mittels Bepflanzung einen Hang oberflächlich zu stabilisieren - dergleichen geschieht ständig. Allerdings muss man sich im konkreten Fall unbedingt vor Augen halten, dass der gegenständlich Hügel sowie die darin verborgenen Strukturen seit rund 11000 Jahren (!) ohne jegliche 'Schutzmaßnahme' die Zeiten recht gut überdauert haben. Deshalb darf eine geologisch bedingte Notwendigkeit hinsichtlich der vorgenommenen Bepflanzung stark angezweifelt werden. Der wahre Grund ist wohl recht profan und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bestreben zu finden sein, das trostlose Gelände aus touristischen Gründen 'aufzuhübschen'. 

Göbekli Tepe - Kritik Bäume - Bepflanzung
Göbekli Tepe von oben | Quelle: Google Earth | Bearbeitung: Hiltibold

Als Archäologe sollte man bereits im Grundstudium gelernt haben, dass Bioturbation - besonders in Form von Pflanzenwurzeln - längerfristig eine oft überaus zerstörerische Kraft entfaltet (z.B. in Form von Gesteinssprengungen). Wie mir außerdem eine erfahrene Biologin und Gärtnerin auf Nachfrage bestätigt hat, können sich selbst flachwurzelnde Bäume - besonders in aridem (trockenem) Klima - im Laufe der Zeit bei ihrer Suche nach Wasser problemlos bis in über einen Meter Tiefe vorarbeiten. Damit dringen sie im Fall von Göbekli Tepe aber bereits in die archäologisch relevanten Schichten ein, was bedeutet, dass zukünftige Ausgräber sich durch dieses Wurzelwerk werden hacken müssen. An das einfache Abziehen des Oberbodens mittels Baggerschaufel ist hier jedenfalls nicht mehr zu denken. Das wiederum hat mit hoher Wahrscheinlichkeit eine negative Auswirkungen auf die Aussagekraft der betroffenen Stratigraphie. Jeder, der schon einmal an einer Grabung in einem Wald oder zumindest in einem von dichtem Buschwerk bewachsenen Gelände teilgenommen hat, weiß genau wie gestört die Strata dort sein können und welcher Krampf es ist, die Wurzeln zu beseitigen, ohne den Schaden zu maximieren. Wurzeln sind außerdem in der Lage, datierbare Objekte in tiefere Schichten zu transportieren. Was ebenfalls nicht dafür spricht, noch unerforschte Bodendenkmäler gezielt oberflächlich zu bepflanzen. Dergestalt kann man höchstens verfahren, NACHDEM ein solcher Platz ausgegraben, ausführlich dokumentiert und schlussendlich wieder zugeschüttet wurde.
Gerne vermittle ich Herrn Dietrich an eine entsprechende Lehrgrabung weiter. Vielleicht kann dieser Kurzstreckendenker in ihrem Rahmen nachholen, was er offenbar im Archäologiestudium verpasst hat. 


Tourismus vs. Wissenschaft

Dass sich nun ausgerechnet jemand wie Oliver Dietrich auf "X" über "pseudoscientific claims" im Zusammenhang mit Göbekli Tepe auslässt ist schon kurios. An was mag dieser Herr wohl laborieren? "Dunning-Kruger" im Endstadium? Vielleicht in Kombination mit "Projektion" wie aus dem Psychologielehrbuch? Oder verzapft er schlicht wider besseres Wissen Unsinn, weil er - nach seiner dokumentierten Tätigkeit in Göbekli Tepe - zukünftig anderenorts in der Türkei graben möchte und es sich daher nicht mit den notorisch überempfindlichen türkischen Beamten und Politikern verscherzen will? Ich erinnere hier nur daran, was etwa die von mir interviewte Sabine Ladstätter in Ephesos mitgemacht hat; oder der ebenfalls im Rahmen des Blogs interviewte Geoarchäologe und Luwier-Forscher Eberhard Zangger in Troja/Hisarlık. Nein, die Türkei ist kein unproblematisches Pflaster. Weshalb ich übrigens schon lange sage: Lasst sie ihren Dreck doch alleine machen. Keinen Cent ausländisches Steuergeld mehr für Recep Tayyip Erdoğan. Die so freiwerdenden Mittel können auch anderenorts ganz gut gebraucht werden. Klamme Forschungsprojekte gibt es schließlich mehr als genug.

Herrn Erdogans Polit- und Beamtenapparat hat nun zur Empörung vieler interessierter Beobachter beschlossen, Göbekli Tepe langfristig nicht weiter auszugraben (was nicht verwundert, da diese Herrschaften an der vorislamischen und vortürkischen Zeit nur ein peripheres Interesse haben). Dass der Platz hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Bedeutung selbst einen legendären Ort wie Pompeji überstrahlt und das Zeug hat, absolute Forschungssensationen zu liefern, wird dabei schlicht negiert. Die oben erwähnten Baumpflanzungen sind ein deutlicher Ausdruck dieser brachialen Verweigerungshaltung, welche umso ärgerlicher ist, wenn man bedenkt, dass in den rund drei Jahrzehnten seit der (Wieder-)Entdeckung Göbekli Tepes (laut Medien) erst deutlich unter 10 Prozent (!) der vorhandenen Strukturen freigelegt und eingehend erforscht wurden. Die mittlerweile von einem zwischengeschaltenen Privatunternehmen vorgenommene touristisch-finanzielle Verwurstung dieses vergleichsweise bescheidenen Teils hat nach dem Willen der Türkei oberste Priorität. Zu diesem Zweck hat man im Laufe der Jahre nicht nur die oben erwähnten Haine angelegt, sondern auch mitunter fragwürdige Straßen, Gehwege und Dachkonstruktionen gebaut - die teilweise üble Baumängeln aufwiesen (was in der Türkei Tradition hat, wie man bei jedem größeren Erdbeben feststellen kann). Herr Dietrich scheint an all dem aber nichts Kritikwürdiges zu finden. Der gute Mann spielt lieber pseudopragmatisches Theater und gibt dabei den Online-Cheerleader für türkische Politiker und ihre Geschäftspartner. Deren Entscheidungen können im vorliegenden Kontext noch so fragwürdig sein, Dietrich verteidigt sie trotzdem - oder ignoriert sie geflissentlich. Und er ist nicht der einzige Archäologe, der sich öffentlich dergestalt gebärdet.


Arbeitsverweigerung als wissenschaftliche Tugend

Aus wissenschaftlicher Sicht besonders verwerflich ist das Hauptargument, das Dietrich und Konsorten im Rahmen ihrer 'Apologie' vorschieben: Nämlich die in der Archäologie zunehmend einreißende Verweigerungshaltung hinsichtlich invasiver (nicht zerstörungsfreier) archäologischer Maßnahmen. Die Vertreter dieser Denkschule plappern gerne, dass man doch zukünftig über bessere wissenschaftliche Methoden verfügen könnte; deshalb solle man die Forschung im Boden erst einmal auf unbestimmte Zeit ruhen lassen (abgesehen von Notgrabungen, die im Umfeld von Bauprojekten gesetzlich vorgeschrieben sind). 

Ich beurteile das folgendermaßen: Die hier zutage tretende Attitüde ist wohl primär aus der chronischen Unterfinanzierung des Fachs entstanden. Man kann in gewisser Weise von eine Variante des Stockholmsyndroms sprechen, bei dem die Geisel (der meist staatsnahe Archäologe) sich im Laufe der Zeit mit dem Geiselnehmer (dem auf dem Geldtopf sitzenden Parteipolitiker) solidarisiert. Ähnlich einer echten Geiselnahme, so versucht hier der dem Politiker ausgelieferte Archäologe sein eigenes Verhalten krampfhaft zu rationalisieren. Und daher kommt es, dass das Nichterforschen zur archäologischen Tugend entartet ist.
Getrost darf man das als wissenschaftliche Bankrotterklärung bezeichnen. Wobei sich keinesfalls alle Ausgräber damit abfinden wollen. Es gibt einige Kritiker, die auch in Gesprächen mit mir diesbezüglich eine deutlich ablehnende Haltung zum Ausdruck brachten (einer davon, Prof. Raimund Karl, spart auch ansonsten nicht mit Kritik, wie z.B. aus seinem Gastbeitrag hervorgeht). 

Die Aufgabe der Archäologie ist es, als typische Hilfswissenschaft der Geschichtsforschung zuzuarbeiten. Wer sich hingegen primär als Konservator sieht, hat in der Forschung nichts verloren. Die Oliver Dietrichs dieser Welt fallen der Wissenschaft regelrecht in den Rücken. Denn deren oberstes Ziel ist es, wie der Name schon sagt, Wissen zu schaffen, nicht bloß bereits vorhandenes zu verwalten!


Ergänzendes

Anhand von Online-Diskussionsverläufen habe ich festgestellt, dass Oliver Dietrich zu jenem sympathischen Menschenschlag gehört, der in sozialen Medien wie "X" aufgrund offensichtlicher Dünnhäutigkeit seine Finger mit allzu viel Eifer aufs Blockierknöpfchen niedersausen lässt. Seine auf Linkedin verkündete Social-Media-Kompetenz darf man in diesem Kontext getrost unter der Kategorie "Ironie" verbuchen. 

Jimmy Corsetti - ein erfolgreicher Youtuber ("BrightInsight") - ist eines der Blockier-Opfer des Oliver Dietrich. Mir hat Corsetti eine teilweise zu ausgeprägte Vorstellungsgabe. Einige seiner gedanklichen Verquickungen machen es Akteuren aus der arrivierten Archäologie sehr einfach, Kritik pauschal mit dem Dysphemismus 'Verschwörungstheorie' vom Tisch zu wischen. 
Freilich, dass es sich etwa beim mit Geldadel druckbetankten World Economic Forum (WEF) nicht um das Hochamt der Demokratie handelt, dürfte jedem klar sein (sofern man zumindest über mehr Verstand verfügt als der derzeitige US-Präsident). Dass aber der schwindlige Verein des großen Sympathieträgers Klaus Schwab im Hintergrund die Fäden zieht, um archäologische Erkenntnisse in Göbekli Tepe und anderenorts zu unterdrücken, wie von Corsetti in einem aktuellen Video zum wiederholten Male insinuiert wird, ist dann doch allzu starker und vor allem unbewiesener Tobak. Die wahren Gründe sind - siehe oben - oft wesentlich weniger mysteriös. Sie fußen üblicherweise auf ideologischer Vernageltheit, Egoismus, Opportunismus oder anderen charakterlichen sowie mentalen Unzulänglichkeiten.


Sonntag, 14. Juli 2024

📽️ Videos: Untersuchungen zur Farbigkeit frühbronzezeitlicher Waffen -- Heliopolis, die Sonnenstadt der Pharaonen -- Vorgeschichtlicher Frauenraub und ein rassistischer Fetisch -- usw.


 Untersuchungen zur Farbigkeit frühbronzezeitlicher Waffen | Spieldauer 20 Minuten | Landesmuseum für Vorgeschichte Halle | Stream & Info 



 Sitting Bull meets Colonel Miles | Spieldauer 4 Minuten | Cassius | Stream & Info 
Das beliebte und finanziell gewinnbringende Geschichtsnarrativ vom edlen Wilden mit immerwährendem Opferstatus wird hier in gerade einmal vier Minuten zum Einsturz gebracht. Sehr sehenswert.


 The Egyptian (1954) - Physician Sinuhe brings a Hittite sword to General Horemheb | Spieldauer 2 Minuten | Pertti Hamalainen | Stream & Info 
Diese angeblich bronzezeitlich-ägyptischen Kostüme,... ich halt's nicht aus! 😁 Aber sehr schön ist die Szene ungefähr in der Mitte des Clips. Wobei ich mich frage, ob das wirklich exakt so geplant war. Es hätte für Umstehende jedenfalls gefährlich werden können. Freilich, dazumal gab es noch nicht diese Vollkaskomentalität. 


 Heliopolis - Die Sonnenstadt der Pharaonen | Spieldauer 45 Minuten | ORF | Stream & Info 

 Abenteuer Archäologie: Der Mythos des Labyrinths von Kreta | Spieldauer 26 Minuten | arte | Stream & Info 

 Der Kölner Dom - Die französische Kathedrale am Rhein | Spieldauer 88 Minuten | arte | Stream & Info 
Wenn man bedenkt, dass die Franzosen nicht nur das deutsche Elsass einkassiert haben, sondern lange Zeit auch das ganze Rheinland Frankreich anschließen wollten, dann ist das ein Sendungstitel mit einem Gschmäckle. ^^

 Wie kam es zum Frauenraub in der Vorgeschichte? | Spieldauer 13 Minuten | alpha | Stream & Info 
Ist das eine alte Aufnahme aus der Corona-Zeit? Oder warum steht die da vor einem leeren Saal? Das sieht aus, als ob sie Selbstgespräche führt, auch weil sie nicht immer in die Kamera/zum Fernsehzuseher blickt ^^. Übrigens: Zu diesem Thema habe ich mich am Rande im Blogbeitrag "Sex in der Lex" geäußert. Denn auch im Stammesrecht der alten Bayern kommt Frauenraub als Delikt vor. Ebenfalls interessant: Der Topos von der Frau als Trophäe feiert, ausgerechnet unter den ständig wachsamen Augen des Feminismus, in der modernen Werbung fröhliche Urständ. Seine aktuelle Variante geht zu nicht unerheblichen Teilen auf einen rassistisch-sexistischen Fetisch zurück, der eingeweihten Spinnern unter der Bezeichnung "BNWO" ("Black New World Order") bekannt ist und in dem eine schwarzafrikanische Herrenrasse propagiert wird, die alle westlichen Länder mittels Migration und aufgrund angeblich überlegener Genetik erobert (im Prinzip ist es eine Variation des Sadomasochismus bzw. zählt zur Kategorie BDSM). Also nicht darüber wunder, warum bei gemischtethnischen Darstellungen von Personen beider Geschlechter in der Werbung fast immer der Mann den dunkelhäutigen (also eher nicht autochthone) Part spielt. Es handelt sich, dem BNWO-Fetisch zufolge, um den Eroberer, dem die einheimische bzw. weiße Frau als Beute zufällt. Wer diesen Unsinn anhand der Primärquellen studieren möchte, der kann das auf einschlägigen Portalen machen. Aber selbst sich ansonsten so politisch korrekt gebende Internet-Akteure wie die Suchmaschine Google oder das Laberportal Reddit.com erlauben diesen allertiefsten Rassismus und Sexismus - was äußerst beredt ist...


Freitag, 12. Juli 2024

🎧 Hörbares: Antiker Strand von Pompeji wieder begehbar -- Das erste Opfer der "Bestie des Gévaudan" -- Robert the Bruce -- Der Schachtürke -- Voltaire -- usw.


 Nach 2000 Jahren: Antiker Strand von Pompeji wieder begehbar | Spieldauer 1 Minute | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Voltaire: Dichter, Philosoph, Freigeist | Spieldauer 23 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Die Bavaria - Symbol und Wahrzeichen Bayerns | Spieldauer 23 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Ein freier Schotte: Robert the Bruce | Spieldauer 14 Minuten | WDR | Direkter Download

 Urahn von Robotern und Künstlicher Intelligenz: Der Schachtürke | Spieldauer 15 Minuten | WDR | Direkter Download

 1794: Das erste Opfer der "Bestie des Gévaudan" | Spieldauer 15 Minuten | WDR | Direkter Download

 Schutz vor königlicher Willkürjustiz: Die Habeas-Corpus-Akte | Spieldauer 15 Minuten | WDR | Direkter Download
Von diesem Recht bzw. dem zugrundeliegenden Gedanken ist in Großbritannien - und auch in den ehemaligen Kolonien dieses Landes - kaum noch etwas übrig. Ich darf nur daran erinnern, dass etwa in den USA im Rahmen der 911-Nachwehen die rechtliche Möglichkeit geschaffen wurde, US-Bürger im Ausland ohne ordentlichen Prozess abzumurksen. Was dann auch sofort vom Friedensnobelpreisträger Barack Obama genutzt wurde. Bei ausländischen Staatsbürgern schert man sich naturgemäß noch weniger. So wird Hillary Clinton von Ohrenzeugen nachgesagt, dass sie, als sie Außenministerin war, die Tötung des Journalisten Julian Assange mittels Drohne verlangte. Wenn's nicht so traurig wäre, müsste man darüber schallend lachen, dass ausgerechnet diese Leute ihr eigenes Rechtssystem und ihre sogenannten "Werte" zum Maßstab erheben, an dem sich der Rest der Welt orientieren müsse, um als zivilisiert gelten zu dürfen. Ich habe den Verdacht, das in zukünftigen Jahrhunderten Historiker nicht sehr gnädig auf diese Heuchler und ihre nützlichen Idioten in den Massenmedien zurückblicken werden.


Mittwoch, 10. Juli 2024

📖 Buch-Rezension: Tassilo, Korbinian und der Bär - Bayern im Frühen Mittelalter

Die diesjährige Bayerische Landesausstellung, die noch bis zum 3. November 2024 läuft, beschäftigt sich mit dem frühmittelalterlichen Bayern - einer durchaus spannenden Zeit, die viele Veränderungen mit sich brachte und über die einiges im Dunklen liegt. Im Verlag Friedrich Pustet ist nun unter dem Titel "Tassilo, Korbinian und der Bär - Bayern im Frühen Mittelalter" der Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung erschienen.

Das obligatorische, aber üblicherweise (zurecht) von fast niemandem gelesene Vorwort stammt aus der Feder eines typischen Polit-Unsympathlings, der - das haben besonders die vergangenen paar Jahre deutlich gezeigt - mit seriöser Wissenschaft in etwa so viel am Hut hat wie eine Kartenlegerin bei AstroTV. Erfreulicherweise wurden die eigentlichen Beiträge des Buchs von Geschichtswissenschaftlern verfasst. Darunter befinden sich so bekannte Namen wie Matthias Becher und so lange Namen wie Mechthild Schulze-Dörrlamm. Freilich, besonders in Zeiten wie diesen ist der Status eines sogenannten "Experten" längst kein 100prozentiger Qualitätsgarant mehr - doch dazu weiter unten anhand eines Beispiels mehr.

Die meisten der Essays und auch die mitunter sehr ausführlichen Katalog-Texte (Pettstadter Becher, Stiefelpaar aus dem Grab von St. Ulrich und Afra, usw.) sind allgemein verständlich formuliert. Was wichtig ist, da eine steuergeldfinanzierte Landesausstellung die gesamte Bevölkerung ansprechen soll, nicht nur eine Handvoll hauptberufliche Geschichtswissenschaftler in ihrem Elfenbeinturm; das wird übrigens sinngemäß am Anfang des Begleitbandes sogar extra betont. Phasenweise wurde dieser Vorsatz allerdings von einigen Autoren wie dem Archäologen Egon Wamers ignoriert oder vergessen. Dementsprechend schlichen sich in ihren Ausführungen allzu schlaudeutsche Formulierungen ein. Ich weiß zwar, was beispielsweise "vernimbiert" bedeutet, aber geschätzte 99,9 Prozent der Bevölkerung nicht. Und dafür braucht sich auch niemand schämen. Sehr wohl schämen muss sich aber der Herausgeber, denn es wäre seine Aufgabe gewesen, in diesem und in ähnlichen Fällen einzugreifen, wenn schon der Autor selbst didaktisch versagt. Es wäre doch hinsichtlich des genannten Beispiels wirklich nicht so schwer gewesen, ersatzweise 'mit einem Heiligenschein versehen' zu schreiben.

Da es "DIE" Wissenschaft nicht gibt (Gegenteiliges behaupten oder insinuieren nur hinterfotzige Aktivisten und schlicht formatierte Parteipolitiker), wird im vorliegenden Buch auch nicht der Stand "DER" Wissenschaft wiedergegeben, sondern eher jene Theorien, die gerade in den einschlägigen Historikerzirkeln en vogue sind. Immerhin, man muss nicht einmal übermäßig zwischen den Zeilen lesen, um rasch zu bemerken, dass die Faktenlage hinsichtlich der behandelten Epoche äußerst dünn ist. Dieser Umstand wird auch immer wieder ganz offen eingestanden; gut so! Leider führen einige wenige Autoren gerade diese eher kritischen Punkte z.T. nicht in erschöpfender Weise aus. Siehe das folgende Beispiel. Anja Gairhos und Christian Later schreiben in ihrem (mehr oder weniger) "methodenkritischen" Essay folgendes: 

Die Integration relativer Chronologiesysteme in eine absolute Chronologie erfolgt in der Archäologie des frühen Mittelalters vor allem über Münzen. Jahrgenau fassbare Grabfunde historisch bezeugter Personen, so die Bestattungen König Childerichs (gest. 481/82) oder der Königin Arnegundis (um 515/20-um 565/70) sind jedoch äußerst selten. Weitere Fixpunkte können auf den bereits angesprochenen naturwissenschaftlichen Wegen gewonnen werden. Hierzu gehören Daten, die sich mit Hilfe von Jahrringen der Bäume (Dendrochronologie) und mit der Radiocarbonmethode (14C-Datierung) ermitteln lassen. Auf diese Weise ist die Zeit von der Mitte des 5. Jahrhunderts bis um 700 vergleichsweise gut durch absolute chronologische Anhaltspunkte abgedeckt. Für das 8. Jahrhundert gibt es hingegen keine abgesicherten Daten. Archäologisch liegt der Grund darin, dass bereits im fortgeschrittenen 7. Jahrhundert die relative Chronologie mit Unsicherheiten behaftet ist. Wie erwähnt, führt ein Wandel im Bestattungsbrauch zu einer kontinuierlichen Anzahlabnahme der zeitlich justierbaren Gegenstände in den Gräbern. Absolute Datierungsmöglichkeiten fehlen oder erweisen sich als problematisch. Letzteres gilt vor allem für 14C-Daten. Der Zeitraum ab dem Ende des 7. Jahrhunderts bis ins ausgehende 8. Jahrhundert fällt in einen Plateaubereich mit Schwankungen der Kalibrierungskurve, was genauere zeitliche Eingrenzungen nicht erlaubt.
S. 56

Ja was soll denn das im von mir fett markierten Teil konkret bedeuten? Was meint man mit "Plateaubereich"? Gab es damals in Organismen/organische Resten eine untypische Anreicherung mit Kohlenstoff-14-Isotopen durch irgend ein Naturereignis, wie man das auch von anderen Zeiträumen her kennt? Und was sind "Schwankungen der Kalibrierungskurve"? Wie bzw. mit was wurde überhaupt "kalibriert"? Mit Baumringdaten, die für die besagte Zeitspanne vielleicht nicht ausreichend zur Verfügung stehen?
Ich habe keinen Schimmer, was die zwei Autoren des Textes da herumorakeln! Aber bei einer dergestalt oberflächlichen Darlegung braucht man sich als Wissenschaftler nicht wundern, wenn einem ein Heribert Illig mit seiner These von der "Phantomzeit" bzw. dem "erfundenen Mittelalter" seit bald vierzig Jahren auf den Wecker geht...

Als eines der Positivbeispiele, die im Buch deutlich überwiegen, sei z.B. Roman Deutingers Text genannt, in dem sich der Autor mit dem Alltagsleben in sogenannter agilolfingischer Zeit (ca. 8. Jahrhundert) auseinandersetzt. Es wird darin u.a. sehr schön erläutert wie die Bayern dazumal lebten bzw. wie das Land, von dem sie sich ernährten, organisiert war. Die anhand von originalen Schriftquellen gebotenen Einblicke sind mitunter durchaus erhellend, trotz eigentlich eher düsterer Quellenlage. Gerade die sicher nicht unwichtige Frage, wie viele Bauern wirklich frei über ihren Besitz verfügen konnten ist bisher nicht befriedigend geklärt. Es soll, im krassen Gegensatz zum Hoch- und Spätmittelalter, aber eine nicht geringe Anzahl gewesen sein, meint man mit Verweis auf den Inhalt des Stammesrechts der Bayern - besser bekannt unter der Bezeichnung  "Lex Baioariorum". Anmerkung: Der Verlag Friedrich Pustet hat vor einigen Jahren eine sehr gelungene Ausgabe davon veröffentlicht; für Frühmittelalter-Interessierte geradezu ein Muss! Auch im vorliegenden Begleitband der Landesausstellung begegnet man dieser wichtigen Quelle immer und immer wieder.

Religion war im Mittelalter bekanntlich von großer Bedeutung für die Menschen und prägte entsprechend ihr Leben. Daher kommt sie auch in den Essays relativ häufig vor, manchmal aber mit einem überraschenden Bezug zur Gegenwart. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass die dazumal in gewisser Weise zur "weißen Magie" zählende Praktik des "Gesundbetens" bis heute immer noch - aber eher heimlich - von Geistlichen der katholischen und evangelischen Kirche betrieben wird? Mir war das völlig neu!


Fazit

Bayern im Frühen Mittelalter ist für mich grundsätzlich von einigem Interesse, nicht zuletzt deshalb, weil ich mit meiner Living-History-Ausstaffierung in genau diesem rund 500jährigen Zeitabschnitt unterwegs bin. Darüber hinaus war das heutige Österreich, wo ich bekanntlich lebe, bis ins späte Frühmittelalter hinein Teil des Stammesherzogtums Bayern. Von alamannischen Vorarlberg abgesehen, werden hierzulande immer noch verschiedene Formen des Bayerischen gesprochen. Der heutige Bayer hat demnach mit dem Österreicher sprachlich, historisch und natürlich kulturell wesentlich mehr gemeinsam als mit dem Bewohner des nördlichen Deutschlands. Aber eine Laune der Geschichte hat dazu geführt, dass der im Mittelalter plötzlich abgezwackte südliche Teil Bayerns ein eigener, souveräner Staat wurde, während der andere Teil nun ein Bundesland des größeren Deutschlands ist und vom 'preußischen' Berlin aus regiert wird. Welches der beiden Brüdervölker es schlussendlich besser getroffen hat ist Ansichtssache 😉.
Jedenfalls ist der vorliegende Begleitband zur Bayerischen Landesausstellung, von kleineren Kritikpunkten abgesehen, insgesamt durchaus gelungen. Es wurden von den Autoren einige interessante Themen aufgegriffen, manche davon sind geschickter verarbeitet worden als andere (wie das bei einer vielköpfigen Autorenschaft unvermeidlich ist). In den Essays erfährt der Leser dabei einiges über die politische und gesellschaftliche Situation im Herzogtum Bayern, vor allem während der Zeit des Herzogs Tassilo III. Neben dem Essayteil ist auch der Katalogteil sehr informativ und beinhaltet viele schöne, meist ausreichend große Abbildungen. Das Layout des Buchs ist recht übersichtlich und optisch ansprechend. Auch der Kaufpreis ist für den gebotenen Inhalt und die "Verpackung' (256  Seiten, Hard-Cover) mit rund 30 Euro absolut ok.

---------




Montag, 8. Juli 2024

📽️ Videos: Spurensuche nach verschollener Reliquie im spätantiken Noricum -- Tribur, eine Pfalz am Mittelrhein -- Zwei Großsteingräber entdeckt -- Corvus Corax -- usw.


 Römer-Doku: „Die verschollene Reliquie – Spurensuche im spätantiken Noricum“ | Spieldauer 50 Minuten | Universität Innsbruck | Stream & Info 



 Tribur - Eine Pfalz am Mittelrhein - Teil 5 - Das Gefolge des Königs - Hörbuch | Spieldauer 12 Minuten | Tribur de | Stream & Info 



 Archäologie erklärt - Die alte Leier: Tanzende Götter | Spieldauer 27 Minuten | Archäologie kurz erklärt | Stream & Info 
Das Sängergrab von Trossingen ist Frühmittelalterinteressierten sicher ein Begriff. Hier geht es u.a. um eine aktuelle Dissertation darüber.


 Archäologen finden über 1.000 Jahre alte Siedlung bei Heide | Spieldauer 1 Minute | NDR | Stream & Info

 Überreste alter Kapelle in Frankfurt entdeckt | Spieldauer 2 Minuten | HR | Stream & Info

 Jungsteinzeit: Zwei Großsteingräber in Hattstedt entdeckt | Spieldauer 3 Minuten | NDR | Stream & Info

 Antike Unterwasserschätze | Spieldauer 4 Minuten | BR | Stream & Info 

 Zurück im Mittelalter: Das Peter-und-Paul-Fest in Bretten | Spieldauer 4 Minuten | SWR | Stream & Info 
Vielleicht sagt den Rundfunkern jemand, dass das 16. Jahrhundert üblicherweise nicht mehr zum Mittelalter gezählt wird ^^. 

 Corvus Corax - Hellfest 2024 | Spieldauer 51 Minuten | arte | Stream & Info |
Hinsichtlich der Klamotten haben die sich schon so weit vom Mittelalter entfernt, dass sie mittlerweile bei "Mad Max" angekommen sind. 😄

 Wenn usbekische Studenten beim Denkmalschutz helfen | Spieldauer 3 Minuten | MDR | Stream & Info 


Samstag, 6. Juli 2024

🎧 Hörbares: Die Akropolis für 5000 Euro -- Mittelalter-Rock -- Archäologie-Krimi -- Mittelalterliche Byzantinische Musik -- Die mittelalterlichen Rechnungsbücher Augsburgs -- Klara von Assisi -- usw.


 Griechischer Geist für 5000 Euro – exklusiv auf die Akropolis | Spieldauer 3 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download
"Urlaubende"... Deutschverhunzende, Dummschwätzende, Sprachdefäkierende, Miteinemnassenfetzendavongejagtgehörenderundfunkende,...

 Mittelalter-Rock trifft Fantasy-Rollenspiel : „Finsterwacht“ von Saltatio Mortis | Spieldauer 6 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download
Was es alles gibt!

 Archäologie-Krimi: Fund des Erzbischof Erkanbald in Mainz | Spieldauer 9 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Wurzeln himmlischer Klänge. Mittelalterliche Byzantinische Musik | Spieldauer 29 Minuten | DF | Stream & Info 

 Raubkunst der „Medici-Verschwörung“ geht nach Italien | Spieldauer 6 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Städtisches Leben im Mittelalter – Die Augsburger Rechnungsbücher | Spieldauer 23 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download
Hier der Link zur historisch hochinteressanten Datenbank der sogenannten Augsburger "Baumeisterbücher". Übrigens: Der Begriff "Frauenhaus" hatte im Mittelalter und der Frühen Neuzeit eine andere Bedeutung als heute... Und wenn man in einer Stadt noch Straßennamen wie "Frauenstraße" findet, dann sind diese auch nicht gerade als Ehrung des weiblichen Geschlechts im feministischen Sinn gedacht 😁 

 Die Erfindung von Währungen - Bancor, Terra, Globo | Spieldauer 21 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Klara von Assisi - Von der Adeligen zur Asketin | Spieldauer 24 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download
"feministische Theologie"... Ach du heiliger Streuselkuchen! Daher kommt wohl das grenzgeniale "Vulvamalen" ^^
 

Mittwoch, 3. Juli 2024

🔥 Zwischen Anbiederung und Numerologie: Der "Tassilokelch" und seine peinlichen Erforscher

Ich habe eben erst den Begleitband zur aktuellen Bayerischen Landesausstellung "Tassilo, Korbinian und der Bär" fertiggelesen. Ein unterm Strich durchaus interessantes Buch, das ich bald im Rahmen des Blogs besprechen werde. Folgende zwei Details darin sind mir allerdings negativ aufgefallen; nicht zuletzt deshalb, weil sie "pars pro toto", also stellvertretend, für inhärente Mängel in der wissenschaftlichen Gemeinschaft stehen.


Der Tassilokelch als das Gendersternchen der Mediävistik

Mir ist nicht bekannt, seit wann genau der im österreichischen Stift Kremsmünster verwahrte "Tassilokelch" seine Bezeichnung hat. Ich gehe aber davon aus, dass dies spätestens seit dem 19. Jahrhundert der Fall ist, als die moderne Mittelalterforschung im Zuge einer zunehmenden historisch-nationalen Identitätssuche Gestalt angenommen hat. Möglicherweise aber auch schon viel früher, denn der prunkvolle Kelch ist mit ziemlicher Sicherheit bereits im späten 8. Jahrhundert vom Bayernherzog Tassilo sowie seiner Frau Liutpirc gestiftet worden. Entsprechend werden beide auf dem Kelch in einer Inschrift genannt. So weit, so gut.
Wie es nun einmal so ist, neigt der Mensch dazu, sprachliche Abkürzungen zu nehmen; aus der "Bundesrepublik Deutschland" wird schlicht "Deutschland"; "Klagenfurt am Wörthersee" nennt man einfach "Klagenfurt" und selbst Adolf Hitler wurde zu Lebzeiten praktisch immer nur als "Führer" bezeichnet, obwohl seine offizielle Titulatur "Führer und Reichskanzler des Deutschen Reichs" war. Doch so bescheiden wie der gescheiterte Landschaftsmaler aus Braunau geben sich einige Vertreter der Mediävistik nicht. Geht es nach ihrem Willen - und das wird besonders in "Tassilo, Korbinian und der Bär"  ersichtlich - soll beim Tassilokelch neuerdings fast das gesamte Inschriften-'Epos' genannt werden, weshalb das mittelalterliche Gefäß nun die Bezeichnung "Tassilo-Liutpirc-Kelch" tragen müsse. Die alte, in tausenden Fachbüchern und sonstigen Publikationen anzutreffende Namenstradition wirft man dem Zeitgeist bzw. der vermeintlichen 'Geschlechtergerechtigkeit' wegen kurzerhand über Bord. Hier schlägt nämlich wieder einmal die feministische Ideologiekeule vom 'Sichtbarmachen der Frauen' zu. Davon hat zwar im konkreten Fall die längst verblichene Liutpirc nichts, aber das ist den Betreibern dieses Blödsinns in Wirklichkeit ohnehin völlig wurscht. Ähnlich jenen Hanseln, die mit quasi derselben Begründung der Allgemeinheit das sogenannte 'Gendern' aufs Auge drücken, geht es nämlich auch in diesem Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit primär um das Zurschaustellen der eigenen Tugend innerhalb einer klar abgegrenzten sozialen Blase. Es sind Mittelalterforscher wie der ausführlich über den Tassilokelch publizierende Archäologe Egon Wamers, die dabei mit großem Tamtam voranschreiten. Und wie in vielen Bereichen des Lebens finden sich natürlich auch in der Geschichtswissenschaft jede Menge 'Schafe', die - überspitzt formuliert - freudig blökend einem 'Leithammel' oder 'Hütehund' hinterherlaufen. Diese Jammergestalten haben während ihren Karrieren lange Zeit nichts an der traditionellen Bezeichnung "Tassilokelch" öffentlich auszusetzen gehabt; erst als sich unter vielen Personen mit universitärer Ausbildung eine gewisse 'Denke' bzw. Ideologie ausgebreitet hatte, wurde der Schwenk vollzogen. Der in diesem Zusammenhang vorexerzierte Herdentrieb ist so offensichtlich wie er auch erbärmlich ist. 
Für ihr konformistisches virtue signalling und den Versuch, in selbstherrlicher Weise - quasi ex cathedra - eine alte Namenstradition zu zertrümmern, gehören Wamers und dieser Anbiederungsklüngel von Pseudoschlaubergern, wie schon der bayerische Herzog Tassilo vor über 1200 Jahren, in lebenslängliche Klosterhaft. Aber inklusive täglicher Selbstkasteiung in Form einer Flagellation im klostereigenen Darkroom. 😁


Der Tassilokelch als Projektionsfläche für Zahlengymnastik

Egon Wamers Unfug ist schon schlimm, doch den Vogel schießt ein gewisser P. Altman Pötsch vom Stiftsgymnasium Kremsmünster ab. Auch dieser Herr durfte im Begleitband etwas über den Tassilokelch zu Papier bringen. Und das hat es in sich! Beim Durchlesen seines Textes hat es mir stellenweise fast die Zehennägel aufgerollt. Was nämlich der gute Mann u.a. aus diversen Abmessungen des Kelchs für Schlüsse ableitet ist mir in vergleichbarer Weise bisher nur bei diesen überaus skurrilen Fanboys der ägyptischen Pyramiden untergekommen. Da wird nämlich von Pötsch in numerologischer Manier wild mit irgendwelchen Zahlen hantiert, kaum etwas mit harten Fakten untermauert, aber im Brustton der Überzeugung viel behauptet. Z.B. weil der Kelch 13 digiti (Fingerbreit) hoch ist, sei das ein Hinweis auf das letzte Abendmahl, bei dem Jebus mit seinen 12 Aposteln gebechert hat (Jebus + 12 Apostel = 13 Personen).
Ja eh. Komisch nur, dass bei anderen liturgischen Kelchen des Mittelalters, die wohl ebenfalls alle für die Eucharistie vorgesehen waren, dergleichen nicht regelhaft feststellbar ist. Ich habe es anhand von drei Beispielen nachgeprüft; eines davon findet sich in Form des sogenannte "Cundpald-Kelchs" sogar im selben Buch. Weder mit dem Digit noch dem Zoll lässt sich dort eine entsprechende Einteilung ausmachen. Aber vielleicht findet Herr Pötsch, wenn er nur lange genug Zahlen schindet, ja beispielsweise im Durchmesser des Tassilokelchs Hinweise darauf, dass sein Konstrukteur bereits ein geheimes Wissen über den Aufbau von Atomkernen besaß? ^^
Um eines klarzustellen: Das Problem ist hier nicht, dass der Autor Mutmaßungen anstellt (wahrscheinlich hat er sich dabei einiges beim Tassilokelch-Guru Egon Wamers abgeschaut), denn Thesen und Theorien sind integrale Bestandteile wissenschaftlichen Arbeitens. Nein, ärgerlich ist vielmehr, dass sie hier dem Leser in einer Art und Weise präsentiert werden, als ob es sich dabei um unverrückbare Tatsachen handelt. Der Autor gaukelt ein Maß an Sicherheit vor, das es nicht gibt und wohl auch niemals geben kann. 
Die Geschichtswissenschaft - inklusive der Archäologie als ihre Hilfswissenschaft - gilt bekanntlich als 'soft science' oder auch schlicht als ein 'Laberfach'. Und Herrschaften wie P. Altman Pötsch tun rein gar nichts, um dieses Urteil zu entkräften - ganz im Gegenteil. Möglicherweise sind es Minderwertigkeitskomplexe gegenüber MINT-Wissenschaftlern, die Pötsch und Kollegen dazu verleiten, bloße Meinungen mit einer Selbstsicherheit vorzutragen, als ob man gerade vom Sinai-Berg herabgestiegen wäre, um die Fünfzehn Zehn Gebote Gottes zu verkünden.

—————–



Dienstag, 2. Juli 2024

📽️ Videos: Eine Nacht in Pompeji -- Die Feuerwehr der Antike -- Magnetische Anomalien helfen Archäologen Keramik zu datieren -- Die Herstellung bronzezeitlicher Randleistenbeile -- usw.


 Eine Nacht in Pompeji | Spieldauer 51 Minuten | arte | Stream & Info 
Eine gute Doku mit dem Archäologen Alberto Angela, dessen sehr gelungenes Pompeji-Buch ich hier schon einmal besprochen habe (siehe Link ganz unten).

 Die Geheimnisse Kleopatras | Spieldauer 15 Minuten | alpha | Stream & Info 

 Rom in Flammen - Die Feuerwehr der Antike | Spieldauer 41 Minuten | ORF | Stream & Info 
Eigentlich ein interessantes Thema. Aber für etliche der verwendeten Kostüme müsste man die Produzenten der Doku vom Tarpejischen Felsen stoßen ^^. Und für einen einzigen Weizenbrotlaib (Timdcode 30:28) legt der Feuerwehrmann vier Sesterzen auf den Tisch?! Beim Mercurius, bei da ziehts einem ja die Caligae aus! Dass sich außerdem die Römer alle mit doch sehr abrasivem Marmorstaub die Zähne geputzt haben ist auch eine äußerst seltsame Behauptung. Dazu gabs nämlich etliche Alternativen!

 Evidence of a 3000 Year Old Magnetic Anomaly Inside Mesopotamian Clay Tablets | Spieldauer 11 Minuten | Anton Petrov | Stream & Info 
Das ist schon eine sehr interessante Datierungsmethode!


 Archäologie erklärt: Grabräuber! Raubgräber? | Spieldauer 20 Minuten | ARCHÄOLOGIE kurz erklärt | Stream & Info 



 Neue Erkenntnisse zur Herstellung bronzezeitlicher Randleistenbeile | Spieldauer 13 Minuten | Landesmuseum für Vorgeschichte Halle | Stream & Info