Dienstag, 7. Mai 2024

🔱 Tarnen und Täuschen im antiken Seekrieg: Sieben Beispiele


Es ist heute allgemein üblich, dass Schiffe mit Schiffsnamen, Hoheitszeichen, speziellen Bemalungen und unter Umständen auch mit Kennnummern versehen werden. Doch wie lange gibt es dergleichen schon? Die etwas überraschende Antwort: Seit Jahrtausenden! Gerade im militärischen Bereich war es schon früh sinnvoll, etwa die Schiffe von größeren Flottenverbänden zu kennzeichnen, damit es in der Hitze des Gefechts nicht zu Verwechslungen kam; etwas, das umgekehrt ein schlauer Fuchs natürlich auch zum eigenen Vorteil ausnutzen konnte! Darüber hinaus wurden die Schiffsrümpfe sogar als Flächen für Propagandaslogans benutzt. In einschlägigen modernen Darstellungen der antiken Schifffahrt fehlen diese Aspekte fast immer. Was durchaus verständlich ist, denn die alten Originalquellen sind diesbezüglich nicht gerade auskunftsfreudig bzw. bleiben hinsichtlich der Beschreibungen meist nur sehr vage. Hier nun trotzdem einige von mir ausgewählte Beispiele, die aus dem antiken Werk "Strategika" stammen. Verfasst wurde diese umfangreiche Sammlung origineller militärischer Kniffe und Anekdoten wahrscheinlich im Jahr 161 n. Chr. vom makedonischen Rhetor Polyainos. In militärhistorischer Hinsicht ist "Strategika" eine immens nützliche Quelle (meine Rezension). 

Um in Chios diejenigen, die es mit den Lakedaimoniern (=Spartanern) hielten, zu überführen, befahl Iphikrates einigen Triërarchoi (=Kapitäne größerer Ruderkriegsschiffe), nachts auszulaufen und nach Tagesanbruch mit lakonischen (spartanischen) Schiffszeichen heranzufahren. Als dies die lakonisch Gesinnten sahen, liefen sie voller Freude in den Hafen; er aber umzingelte sie mit denen, die von der Stadt her anrückten, nahm sie fest und übersandte sie den Athenern zur Bestrafung.
Buch 3 9.58

Wie solche "Schiffszeichen" im Detail ausgesehen haben, ist heute leider nicht mehr so einfach herauszufinden. Denkbar sind Fahnen/Wimpel, starre Standarten, speziell gemusterte Segel, Rumpfbemalungen usw. Zum Teil wird das noch in den weiteren Beispielen aus der "Strategika" zur Sprache kommen. Vorher aber ein kleiner Einschub aus einer anderen Quelle. Auch der antike Geschichtsschreiber Herodot von Halikarnassos erwähnt nämlich Schiffszeichen. Die Beschreibung erinnert an das, was wir heute "Galionsfiguren" nennen. Im Zusammenhang mit einem verhaltensauffälligen Perserkönig, der sich in Ägypten gehörig daneben benommen hat, heißt es im Geschichtswerk "Historien" folgendermaßen: 

Kambyses verübte noch viele solche Taten des Wahnsinns, sowohl gegen die Perser als auch gegen die Bundesgenossen; dabei blieb er in Memphis, ließ alte Gräber öffnen und betrachtete die Leichname. So kam er auch in das Heiligtum des Hephaistos (=Tempel des Ptah) und machte sich massiv über das Götterbild lustig. Dieses Bild des Hephaistos gleicht nämlich sehr den phönizischen Pataikosfiguren, die die Phönizier am Bug ihrer Triëren mit sich führen. Wer diese nicht gesehen hat, dem will ich sie beschreiben: Es ist die Nachbildung eines Zwerges
Buch 3 37,1-2

Wiederum Polyainos schreibt von Schiffsverzierungen unbestimmter Art, die offenbar sehr typisch für die jeweiligen Kriegsparteien gewesen sind. Und zwar so typisch, dass sie diese Täuschung überhaupt erst möglich machten. Anderenfalls wäre der Gegner wesentlich weniger leichtgläubig gewesen.

Als Aristomachos den Kardianern einige Triëren abgenommen hatte, brachte er seine Ruderer in sie hinein, schmückte sie mit den Verzierungen seiner eigenen Schiffe, nahm diese ins Schlepptau und fuhr unter Flötenspiel ab (und auf Kardia zu). Als er abends spät dort ankam, liefen die Kardianer zu den Schiffen hinaus, weil sie meinten, es seien die ihrigen, die als Sieger zurückkehren. Aristomachos stieg aber mit seinen Leuten an Land und tötete viele der Kardianer.
Buch 5 41,1

Auch das folgende Beispiel, in dem von einem Signalzeichen die Rede ist, bleibt leider viel zu unkonkret, um sichere Rückschlüsse hinsichtlich des Aussehens ziehen zu können. Da das Zeichen eingezogen werden konnte, darf man vermuten, dass es sich vielleicht um eine Fahne handelte. Aber sicher kann man sich hierbei nicht sein.

Als Chabrias bei Naxos gerade eine Seeschlacht gegen Pollis schlagen wollte, gab er den Triërarchoi den Befehl, falls sie der feindlichen Macht im Kampf gewachsen wären, die Signalzeichen ihrer Schiffe heimlich einzuziehen und die feindlichen dann daran zu erkennen, dass sie Zeichen hätten. So wussten die Steuerleute des Pollis, als sie der Flotte der Athener begegneten, nicht, woran sie waren, weil diese nicht das attische Zeichen führten. Die Schiffe der Athener aber überraschten sie und machten auf die mit Zeichen versehenen Schiffe einen doppelten Angriff (da ein Teil der lakonischen Flotte schon an der athenischen vorbeigefahren war und nun auch von hinten angegriffen wurde).
Buch 3 11,11

Im Zusammenhang mit der Herrscherin Artemisia I. von Halikarnassos wird eine von ihr offenbar wiederholt verwendete List erwähnt, in der es ebenfalls ganz zentral um die Kennzeichnung von antiken Kriegsschiffen geht. Ihre auch heute noch relative Bekanntheit verdankt sie genau dieser List. 

Artemisia kämpfte in der Seeschlacht bei Salamis mit (bzw. an der Seite von) Xerxes. Es verfolgten die Griechen die fliehenden Perser. Als sie schon nahe daran war, eingeholt zu werden, ließ sie durch ihre Matrosen die persischen Zeichen auf ihrem Schiff abnehmen und befahl dem Steuermann, das persische Schiff anzufallen, das vor ihnen herfahre. Als die Griechen dies sahen, meinten sie, das Schiff der Artemisia sei eines der Schiffe ihrer Verbündeten, ließen von dessen Verfolgung ab und wandten sich gegen andere. Artemisia entkam so der drohenden Gefahr und fuhr nach Karien zurück.
Buch 8 53,1

Artemisia hatte als Triërarchos nicht bloß das Zeichen der Barbaren, sondern auch das der Griechen bei sich. Wenn sie ein griechisches Schiff verfolgte, steckte sie das barbarische Zeichen auf, das griechische aber, wenn sie von einem griechischen Schiff verfolgt wurde, damit die Verfolger ihr Schiff für ein griechisches hielten und von ihr abließen.
Buch 8 53,2

Kleopatra sollte es Artemisia übrigens hunderte Jahre später in gewisser Weise nachmachen, als sie im Rahmen der legendären Seeschlacht von Actium das Weite suchte. Wobei Kleopatra dabei nicht ganz so skrupellos vorging wie Artemisia bei Salamis. 

Wie die nächste Überlieferung zeigt, konnten Schiffe/Flotten offenbar sehr spezifisch bemalt sein, was eine Unterscheidung der Kriegsparteien erheblich erleichtert haben dürfte. Wobei sich hier die Frage stellt, ob die jeweiligen Anstriche eine lange Tradition hatten oder gar nur auf  kurzfristigen Entscheidungen beruhten, um eben genau die besagte Unterscheidbarkeit im Krieg zu erreichen, während in Friedenszeiten vielleicht kein Bedarf dafür bestand.

Der Steuermann Nikon von Samos ließ, um unbemerkt an feindlichen Schiffen vorbeizukommen, die in seiner Nähe vor Anker lagen, sein Schiff auf die gleiche Weise anstreichen wie die Schiffe der Feinde, setzte dann die tüchtigsten und kräftigsten Ruderer an den Rudern ein und fuhr vorne an den feindlichen Schiffen vorbei, als wäre er mit deren Mannschaft befreundet. Als er an allen bis zum letzten vorbeigefahren war, steuerte er zum Erstaunen und zur Verwunderung der Feinde seewärts. Erst dann wurde er als Feind erkannt, als es nicht mehr möglich war, ihn einzuholen.
Buch 5 34,1

Eine wirklich äußerst interessante Maßnahme ist die folgende: Die in den persischen Militärdienst gepressten Griechen, welche an der Küste Ioniens (westliche Mittelmeerküste der Türkei) lebten, wurden mittels sicher sehr großformatig aufgemalten Slogans (damit sie auch aus der Ferne gut erkennbar sind) quasi zur Meuterei aufgerufen. 

Da Ionier in der Flotte des (Perserkönigs) Xerxes mitkämpften, befahl Themistokles den Hellenen, auf die Seitenwände der Schiffe zu schreiben: "Männer aus Ionien, ihr tut nicht recht, dass ihr gegen eure Väter in den Krieg zieht." Als dies zu lesen war, vertraute der (Perser-)König den Ioniern nicht mehr.
Buch 1 30,7

Das unter den Persern gesäte Misstrauen war übrigens berechtigt, denn die weiter oben erwähnte, bei Salamis nicht gerade verlässlich agierende Artemisia war genau so eine Ionierin, die ursprünglich genötigt worden war, sich bzw. ihre Untertanen den Persern für den Kriegseinsatz auf dem Meer zur Verfügung zu stellen.  

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2 Kommentare:

  1. Artemisia ist doch heute ein bisschen ein feministisches Idol, oder? ;-)

    W.T.C.

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    1. Zurecht. War doch auch sie verlogen und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. ;)

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