Dienstag, 19. September 2023

🐴 Wenn die Mutter mit dem Sohne: Eine merkwürdige Pferde-Inzest-Story aus der Antike


Dass die uns überlieferten Texte der Antike mitunter sehr wunderliche Zoten enthalten, habe ich im Rahmen des Blogs schon einige Male anhand von Originalzitaten aufgezeigt - zuletzt etwa im nicht ganz ernst gemeinten Beitrag "Sex mit der eigenen Tochter: Was Donald Trump und der biblische Lot gemeinsam haben"
Um einen Inzest-Fall geht es auch in einer etwas schrägen Pferdestory, von der ein griechischer Autor - der heute unter dem Namen "Pseudo-Oppian" bekannt ist - in seinem relativ umfangreichen Jagd-Fachbuch (Lehrgedicht) "Kynegetika"  berichtet. Im Abschnitt über die verschiedenen Pferderassen und ihre Vorzüge heißt es plötzlich:

Besonders achten Pferde ihre natürliche Veranlagung und gänzlich unzumutbar ist ihnen unstattliche Paarung, sondern sie bleiben unbefleckt von Inzest und wollen nur die reine Kythere.
Ich hörte einmal, dass in früherer Zeit ein reicher Herrscher in seinen Ebenen eine schöne Pferdeherde besaß. Die aber raffte dann alle von Grund auf eine Pferdeseuche dahin und verschonte nur zwei Tiere: eine einzige Mutter und ihr noch an den Zitzen hängendes Fohlen. 
Aber als dieses herangewachsen war, versuchte der abscheuliche Mann, die Mutter mit dem Kind zu paaren. Als er aber einsah, dass diese sich gegen eine solche Paarung sträubten und eine solche Verbindung für beide unmöglich sei, machte er sich sofort daran, mit schrecklichen Sinnen einen listigen Plan auszuhecken, in der Hoffnung, sich seinen Pferdebestand neu erstarkt wiederzubeschaffen.
Also maskierte er zunächst beide heimlich mit fremdem Fell und salbte sie dann am ganzen Körper mit wohlriechend duftendem Öl ein. Denn er hoffte, so den Geruch als Verräter des Verlangens zu beseitigen. Und im Verborgenen, oh Götter, führte er diese Untat aus. Und gemeinsam wurde der abscheuliche Inzest vollendet, der den Pferden so verhasst ist, wie den Menschen in alten Zeiten die furchtbare kadmische Ehe des Wanderers Oidipus.
Nach der Demaskierung aber erkannten die Pferde ihre Verblendung und sahen sich mit abschätzigen Blicken widerwillig an, die leidende Mutter ihren widernatürlichen Sohn, er aber sogleich, nach dem furchtbaren Inzest, auf seien schlimme unmütterliche Mutter. 
Sie sprangen auf und schnaubten gewaltig, zerrissen ihre Zügel uns stieben laut wiehernd davon, als riefen sie die glückseligen Götter als Zeugen für ihr Unglück an, und verfluchten den schlimmen Kuppler. Zuletzt aber stürmten sie klagend und ungebremst dahin, stießen ihre Köpfe gegen Felsblöcke, zertrümmerten ihre Knochen, beraubten sich durch Selbstmord des Augenlichtes und neigten die Köpfe aneinander.
So besingt frühe Kunde den Ruhm unter den Pferden.
Pseudo Oppian | Kynegetika I, 236-269 | Übers: Stephan Renker | De Gruyter, 2021

Schön, dass Pseudo-Oppian den unglückseligen Ödipus gleich selber erwähnt. Die Pferdestory und vor allem ihr dramatisches Ende erinnern nämlich verdächtig an die Geschichte jenes legendenhaften Königssohns aus dem griechischen Theben, der, nachdem er seinen Vater erschlagen hatte, es unwissentlich mit seiner eigenen Mutter trieb und danach, als er seine Tat erkannte, sich selbst das Augenlicht nahm. Eine Geschichte, die sich in all ihrer Verschrobenheit wirklich nur die alten Griechen ausdenken konnten!
Es bleibt die Frage: Hat der ursprüngliche Erfinder der Pferdestory vom Ödipus-Erfinder abgekupfert oder umgekehrt? Oder war gar eine dritte, heute nicht mehr bekannte Quelle der Ursprung für beide Erzählungen?

Anmerkung: Ergänzend an dieser Stelle ganz kurz mein Senf zum Thema Inzest, weil mich dazu schon nach meinem eingangs verlinkten Beitrag über Lot und Donald Trump E-Mails von Lesern erreicht haben: Ich halte das Tabuisieren und das Verbieten von Inzest für antiquiert. Was volljährige (!) Menschen in der Kiste miteinander im wahrsten Sinne des Wortes 'treiben', kümmert mich - unabhängig davon, ob es mir unappetitlich erscheint - schlicht und ergreifend nicht; und es sollte erst recht den Staat nicht kümmern.
Wer nun einwendet, wenn man das Gesetz schon nicht auf Basis irgendwelcher aus den Fingern gesogener Moralargumente benötigt (die wie im Fall der Ablehnung von Homosexualität sowieso nichts anderes als der Ausdruck eines persönlichen Geschmacks sind, den man seinen Mitmenschen als universellen Maßstab aufzwingen möchte), dann doch zumindest deshalb, weil Geschlechtsverkehr zwischen nahen Verwandten mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit körperlich und geistig behinderten Nachwuchs produzieren kann.
Mit Verlaub, wer deshalb ein Verbot für nötig hält, der muss konsequenterweise auch Menschen mit bestimmten schweren Erbkrankheiten die Fortpflanzung verbieten. Dann sind wir allerdings auch schon schnurstracks bei der überaus unerfreulichen Eugenik. Und wer will das schon, außer vielleicht ein Kaaaaaaahn! (das verstehen nur Trekkies 😉)


4 Kommentare:

  1. Ich habe schon länger den Verdacht, dass manch antikes Stück "Hochliteratur" nichts anderes als eine sexuelle Fantasie ist .
    Ich stelle mir vor, dass man Bumsfilme wie "Liebesgrüße aus der Lederhose" in 2000 Jahren ähnlich umdeuten und verherrlichen wird 😀.

    Gero

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    1. Verglichen mit dem, was Hollywood oder der öffentlich-schlechtliche Rundfunk den Sehern mittlerweile so zumuten, geht "Liebesgrüße aus der Lederhose" bereits jetzt als Hochkultur durch ;)

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    2. Ich gucke lieber dabei zu, wie sich die Wäsche in der Waschmaschiene dreht, als mir den unlustigen, belehrenden und mies recherchierten BS unserer Medien anzutun.

      Nachbars Lumpi

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    3. Die werden, wenn sie amerikanische Serien ansehen enorme Probleme haben zu verstehen warum Kinder zwei Mütter hatten.

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