Freitag, 21. September 2012

Meine Kleidung des frühen Mittelalters - Teil 1: Wadenwickel und Co.

So, da bin ich heute also in die Abstellkammer gegangen, um ein paar Fotos zu machen. Endziel war es, im ersten Teil dieser Reihe zeigen zu können, wie im frühen Mittelalter ein Mann seine Waden mit Textilien bedecken konnte. Hier geht es übrigens zu Teil 2, Teil 3 und Teil 4.

Meine Kleidung ist für die ottonische Zeit (10. Jh.) ausgelegt, allerdings gibt es nur relativ wenige Unterschiede zu wikingerzeitlicher oder karolingischer Mode (8. - 9. Jh.). Selbst Quellen der Merowingerzeit (5. - 7. Jh.) waren mir von großem Nutzen, da die ottonischen/wikingerzeitlichen Quellen alleine zu lückenhaft sind. Siehe hierzu auch die Literaturtipps am Ende der Seite.

+ zwei mit Walnussschalen gefärbte Wadenwickel aus Schurwolle (Fischgrät-Webart), von je 4 m Länge
+ vier Riemen mit je 130 cm Länge, aus pflanzlich gegerbtem Rindsleder; je zwei wurden verknotet
+ zwei tordierte Ringfibeln mit aufgerollten Enden aus Bronze, Durchmesser ca 2cm (z.T. auch als Hufeisenfibeln bezeichnet - nähere Infos in diesem Beitrag
fränkisch, ottonisch, Wikingerkleidung
Ringfibeln in dieser oder ähnlicher Form datieren in das 9.-15. Jh. Sie fixieren hier die Wadenwickel knapp unter dem Knie. Ich muss freilich gestehen, dass mir kein eindeutiger Beleg bekannt ist, demzufolge man die Wadenwickel mit einer Ringfibel fixiert hat. Ich bin deshalb am Überlegen, ob ich die Sache so beibehalten werde. 
Die Riemen sorgen für zusätzlichen Halt, sind aber nicht zwingend erforderlich. 
fränkisch, ottonisch, Wikingerkleidung
Das Endergebnis aus einiger Entfernung. Die Hose reicht unter den Wickeln übrigens bis knapp an die Knöchel. fränkisch, ottonisch, Wikingerkleidung, ottonische Zeit
Und so sieht die Sache aus, wenn man eine Tunika trägt. Ich sehe bei ungünstigem Faltenwurf darin, obwohl auf den Leib geschneidert, leider immer um 10 Kilo schwerer aus. ^^
Update (Mai 2015): Als Alternative habe ich mir zwischenzeitlich dunkelrot gefärbte Wadenwickel zugelegt, deren eine Längsseite mit dem historisch belegten  'Überwendlichstich' aus einfädigem Garn eingefasst wurde. Dabei handelt es sich um kein bloßes Zierelement, sondern auch um eine Notmaßnahme, da die Wickel sich am Rand aufzulösen begannen - das Warum ist eine lange Geschichte...
Bild in hoher Auflösung
Update (August 2015): So sehen die neuen roten Wickel aus, wenn man sie angelegt hat. Besonders gut zur Geltung kommen Sie in Kombination mit einer hellen Hose.
Bild in hoher Auflösung

In den kommenden Wochen werden hier Stück für Stück die weiteren Kleidungsbestandteile vorgestellt. Im 2. Teil werfe ich einen genauen Blick auf die Hose und die Schuhe. Es folgen die Tuniken aus Leinen und Wolle im 3. Teil. Den Abschluss machen der Rechteckmantel, die Kopfbedeckung und das Halstuch im 4. Teil


Literaturtipps zu frühmittelalterlicher Kleidung:
  • Carola Adler | Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen - Gewandungen der Wikinger | Zauberfeder Verlag | Meine Rezension Infos bei Amazon
  • Katrin Kania | Kleidung im Mittelalter: Materialien - Konstruktion - Nähtechnik | Böhlau | Infos bei Amazon
  • Christoph Lauwigi | Wikinger selbst erleben! Kleidung, Schmuck und Speisen - selbst gemacht und ausprobiert | Theiss | Infos bei Amazon
  • A. Strassmeir, A. Gagelmann | Das fränkische Heer der Merowingerzeit - Teil I (Bekleidung,...) | Zeughaus Verlag | 2014 | Meine Rezension | Infos bei Amazon (Anmerkung: Enthält z.T. auch wertvolle Informationen zu frühmittelalterlicher Kleidung der karolingischen bzw. wikingerzeitlichen Epoche.)

14 Kommentare:

  1. Hallo hiltibold,
    Toller Beitrag zu den Wadenwickel, ich bekomme meine auch in der nächsten Woche, nun habe ich dazu ein paar Fragen die du mir ggf. Beantworten möchtest :-)
    Ich werde meine Wickel von den Füßen (die Wickel sind ja auch ein Strumpf Ersatz) bis unter die Kien wickeln.
    Befestigst du die Wickel im Fussbereich oder wird der Wickel nur durch den Druck des Fuß und Schuhs gehalten.
    Wo fängst du mit der Bindung der Lederrimen an? Bzw. wie bindest du sie... Mittig von hinten im Kreuz oder so ?

    Würde mich freuen wenn du da ein paar Tipps für mich hast.

    Gruß Olaf

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    1. Servus Olaf,
      den Wickel schlinge ich unten einmal relativ eng um den Fuß herum, das reicht völlig, damit er bombenfest hält und nicht verrutscht. Bis zu einem gewissen Grad hängt das aber auch mit dem Material zusammen; die relativ rauen Schurwollfasern meiner Wadenwickel haften einfach sehr gut aneinander.
      Damit alles so schön sitzt wie auf den obigen Bildern, muss man sehr sorgfältig wickeln, wie du feststellen wirst. Anderenfalls sieht es nach einiger Zeit so aus:

      http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/78/Campus_Galli-Korbmacher153983.jpg

      Die Lederriemen werden mittig über Kreuz von unten nach oben gewickelt. Deren Länge ist in meinem Fall allerdings relativ knapp bemessen. Im Nachhinein betrachtet wären 20 cm mehr pro Riemen sicher nicht verkehrt gewesen.

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  2. Danke für die Tipps,
    meine Lederriemen sind im einzelnen 1,80 m lang, passt also.
    Beim Mitarbeiter vom CG ist ja schon alleine die Hose völlig zu groß kein Wunder das da alles rutscht :-) meine Hosenbeine liegen deutliche änger an.
    Werde mal ein Bild meiner Wicklung hochladen, wenn sie den dann da ist und ich es wickeln kann.

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  3. So ich habe heute zum erstenmal meine Gewandung vollständig anprobiert, bis auf die Hose (und das alles, bis auf die Wadenwickel nicht Handgenäht ist.... Versuche das aber zu ändern) schon ganz Mitte bis Ende 11. Jahrhundert tauglich ist... Oder.... Mindesten gut MAM fähig sein dürfte :-)
    Bild ->> http://img4web.com/view/W8DG1C

    Gruß Olaf

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    1. Auf den ersten Blick ist die Oberbekleidung durchaus für das 11. Jahrhundert tauglich. Relativ kurze Tuniken sind zwar eher für Merowinger- und Karolingerzeit typisch, sie gehen aber auch noch für spätere Jahrhunderte - sofern du keinen Adeligen, Berufskrieger oder wohlhabenden Kaufmann darstellen möchtest. Z.B auf dem Teppich von Bayeux sind einige wenige Personen zu sehen, bei denen die Tunika weit oberhalb der Knie endet. Deine relativ enge Hose entspricht ohnehin zeittypischen Darstellungen.

      ...das alles, bis auf die Wadenwickel nicht Handgenäht ist.

      Meine Kleidungsstücke waren anfangs auch nicht alle vollständig handgenäht, da ich ein ein wenig sparen wollte. Das wurde dann erst im Laufe der Zeit nachgebessert ;)

      Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, schreibs einfach hier rein oder kontaktiere mich per E-Mail. Ich wünsche dir erst mal viel Spaß mit deiner neuen Kleidung!

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  4. Danke das mit der Tunika dachte ich mir schon, aber ehrlich finde ich die Karolingerzeit auch sehr interessant ggf. Werde ich in Laufe der Zeit meine Kleidung mehr ins 10. Jahrhundert verlegen.
    Mir selbst ist beim anschauen des Bildes eine Fehler unterlaufen, typisch MAM Käufer :-) die Geldkatze am Gürtel gabe es erst seit den 15. Jahrhundert hatte ich nicht mehr dran gedacht, die wird noch durch einen Lederbeutel ersetzt.
    Gerne Frage ich dich... Wie schon gesagt finde es klasse das du einem Neuling und da es ja öffentlich ist, auch anderen die das hier lesen immer einen Tipp gibts.
    Gruß Olaf

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  5. Hallo Hiltibold,

    würdest Du wollene Wadenwickel auch für den Sommer empfehlen?

    Ich hoffe es passt hierhin: Vielen Dank für dein wunderbares Blog!
    Es freut mich immer von Dir zu lesen, gerade deine Art des Schreibens und deine Themen haben es mir sehr angetan.

    Allerliebste Grüße
    Sophie

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    1. Hallo Sophie,
      wenn es wirklich warm ist, dann bin ich mit der Hose alleine bestens bedient (auch wenns nicht so schön aussieht). Zusätzliche Wickeln machen mir keine Freude, selbst wenn sie aus Leinen anstatt aus Wolle gefertigt sind.
      Letztendlich hängt das aber alles auch sehr von einem selbst ab. Es gibt Leute, die finden selbst Wolltuniken bei 30 Grad noch völlig ok, während mir alleine beim Gedanken daran der Schweiß ausbricht.

      Und vielen lieben Dank fürs Lob!

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  6. hej!
    meine wadenwickel rutschen permanent!!!
    gibts da nene trick?
    sind aus fester baumwolle.

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    1. Zu Baumwolltextilien kann ich dir nichts sagen, da ich dieses Material nicht verwende. Bei normaler Schurwolle reicht es hingegen, die Wickel ein paarmal zu waschen, dann verfilzt das Gewebe ein wenig und rutsch nicht mehr so leicht.
      Im schlimmsten Fall kannst du die Wickel ja mit überkreuz geschlungenen Lederbändern fixieren (s.o.).

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  7. Hallo
    Das ist ein toller Leitfaden. Ich verscueh mir grade als Neuling ein Kit für das 6. Jh. zusammenzustellen und habe da die Frage ob die Tunika den Quellen zur der merowingischen Zeit nachempfunden oder schon den späteren?

    mfg
    Astyanax

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    1. Grüß dich,
      der knielange Schnitt dieser Tunika passt mindestens von der Spätantike bis ins 11. Jahrhundert. In der Merowingerzeit waren auch kürzere Varianten beliebt, die nur bis zur Mitte der Oberschenkel reichten (das ist für eine Merowinger-Darstellung aber kein Muss).

      Bezüglich Merowinger-Kleidung ist für Einsteiger die Reihe "Das fränkische Heer der Merowingerzeit" (Zeughaus Verlag) empfehlenswert. In den beiden bisher erschienenen Heften werden auch die archäologischen und bildlichen Quellen der zeichnerisch rekonstruierten Kleidungsstücke und Ausrüstungsgegenstände genannt.

      Teil 2
      Teil 1

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  8. Wo kann man deine Wadenwickel bestellen?

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    1. Den Händler, bei dem ich die Wickel gekauft habe, gibts leider schon länger nicht mehr. Ansonsten findet man im Internet aber einige alternative Anbieter.

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