Sonntag, 3. Juli 2016

Ehebruch, Giftmord, Incestum: Frauen im Konflikt mit den Gesetzen Roms



Hier einen vollständigen Überblick über die Stellung der Frau im römischen Rechtssystem zu geben, würde den Rahmen dieses Blogs sprengen; zu sehr haben sich nämlich die Gesetze und die Rechtspraxis im Laufe der rund tausendjährigen Geschichte des antiken Roms mitunter verändert. So wurde etwa in republikanischer Zeit unverheirateten Frauen noch ein tutor an die Seite gestellt (in der Regel ein männlicher Verwandter), der vor allem in Vermögensfragen ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatte; doch schon in der frühen Kaiserzeit war dies eher unüblich geworden. Juristen hatten argumentiert, dass eine solche Form der Vormundschaft über das schwache Geschlecht sachlich nicht begründbar ist. Aus Sicht der modernen Forschung ist auch nicht völlig klar, in welchem Ausmaß Väter über ihre Töchter (und Söhne) regelrecht zu Gericht saßen - was ihnen nach römischem Recht zustand, inklusive der Verhängung der Todesstrafe! Konkrete Beispiele für die väterliche Gerichtsbarkeit wurden nur verhältnismäßig wenige überliefert. Dazu zählt etwa der aufsehenerregende Bacchanalienskandal im frühen 2. Jh. v. Chr., als die Behörden ausdrücklich die Bestrafung der beteiligten Frauen durch ihre Väter anordneten. In die potestas (=Vollmacht) des pater familias (=Familienvater) wurde überdies ab der Kaiserzeit mittels neuer Gesetze eingegriffen (siehe dazu den nachfolgenden Punkt "Ehebruch"). 
Da also die juristische Theorie und die Praxis ein arg kompliziertes Gewirr mit vielerlei Ausnahmen und zeitlich bedingten Veränderungen bilden, werde ich mich auf die kurze Darstellung der wichtigsten Aspekte von zwei typischen und einem außergewöhnlichen Straftatbestand beschränken.


Ehebruch

Für die Bestrafung von Ehebrechern waren zur Zeit der Republik die bereits oben erwähnten väterlichen Hausgerichte zuständig. Augustus erließ jedoch im Jahr 18 v. Chr. die lex Iulia de adulteriis coercendis zur strafrechtlichen Verfolgung von Ehebruch - dies hatte einige Veränderungen zu Folge: Dem Vater oder Ehemann war es nun erlaubt, nicht nur die Tochter bzw. Ehefrau, sondern auch ihren Geliebten sofort zu töten, sollten die beiden auf frischer Tat im eigenen Haus ertappt worden sein. Als Alternative dazu bestand die Möglichkeit, den Ehebrecher vor Ort festzuhalten bis Zeugen herbeigeholt waren, die später in einem öffentlichen Strafverfahren gegen ihn aussagen konnten; dies dürfte auch das gängigste Vorgehen gewesen sein, denn die erlaubte Tötung des Ehebrechers hing von dessen Stand ab, der freilich in der Hitze des Augenblicks häufig nicht festgestellt werden konnte.
Dem Ehemann war es verboten, einen bewiesenen Ehebruch zu verzeihen, denn nach dem Wortlaut des neuen Gesetzes musste er innerhalb einer Frist von 60 Tagen die Scheidung vollziehen. Anderenfalls durfte er von jedermann wegen Kuppelei angezeigt werden. Einige der betroffenen Männer gerieten aufgrund dieser Rechtslage wohl in eine arge Zwickmühle, da es für sie aus finanziellen Gründen nachteilig sein konnte, sich von ihrer Frau zu trennen.
Die übliche Strafe für Ehebruch war ein teilweiser Vermögensentzug und Verbannung auf eine Insel - das galt für beide Tatbeteiligten.

Augustus wollte mit seinen Ehegesetzen unter anderem die Moral der Oberschicht stärken. Gleichzeitig bewirkte er aber auch, dass sich Anzeigen wegen Ehebruchs zu einem beliebten Mittel entwickelten, um politische oder geschäftliche Konkurrenten zu denunzieren bzw. zu schädigen. Cassius Dio berichtet im 3. Jh. n. Chr., dass alleine während seines Konsulats 3000 Anklagen wegen Ehebruchs eingingen - die aber aufgrund mangelnden Personals nur in kleinem Umfang behandelt werden konnten.
Manch verheiratete, aber sexuell freizügige Dame der Oberschicht entwickelte offenbar einen großen Einfallsreichtum, um sich vorsorglich gegen Strafverfolgung abzusichern - doch nicht immer mit Erfolg:

  • "Es kam mittlerweile vor, dass sich berüchtigte Frauen als Kupplerinnen ausgaben, um sich von der Würde einer verheirateten Frau freizumachen und sich so den Strafen, welche die Gesetze vorsahen, zu entziehen." (Sueton, Tiberius, 35)
  • "Im selben Jahr (19 n. Chr.) wurde durch scharfe Verordnungen des Senats das ausschweifende Leben der Frauen eingeschränkt und angeordnet, keine Frau dürfe für Geld Unzucht treiben, deren Großvater, Vater oder Gatte römischer Ritter gewesen sei. Denn Vistilia, die aus einer prätorianischen Familie stammte, hatte sich bei den Ädilen als Prostituierte gemeldet, indem sie den Brauch der Alten wieder aufnahm, die eine hinreichende Strafe für Prostituierte im bloßen Bekenntnis der Schande sahen. Man stellte auch Titidius Labeo, Vistilias Gatten, zur Rede, warum er bei dem offenkundigen Vergehen seiner Frau versäumt habe, die im Gesetz vorgesehene Bestrafung herbeizuführen. Und als dieser vorschützte, die 60 Tage Bedenkzeit seien noch nicht vorüber, schien es ausreichend, über Vistilia zu urteilen; sie wurde auf die Insel Seriphos verbannt." (Tacitus, Annalen, 2, 85)

Natürlich konnte sich auch eine römische Frau von ihrem Mann scheiden lassen, wenn dieser Ehebruch beging; dazu zählte allerdings nicht unbedingt der sexuelle Verkehr mit Sklavinnen, welcher bestimmt sehr häufig vorkam. Umgekehrt konnte eine Frau durchaus belangt werden, wenn sie sich mit einem Sklaven einließ. Und zwar unabhängig davon, ob sie verheiratet war oder nicht.


Giftmord

Der plötzliche Tod nach kurzer Krankheit wurde gerne auf Vergiftung durch Feinde zurückgeführt; besonders wenn der Verstorbene ein Prominenter war (man denke etwa nur an Alexander den Großen). Eindeutig beweisen ließ sich Giftmord in der Antike allerdings kaum. Zwar meinte man anhand von Hautverfärbungen und dem besonderem Geruch der Leiche darauf schließen zu können, doch sind Zweifel an der Unfehlbarkeit dieser Methode angebracht.
Weitaus brauchbarer dürften die Erläuterungen des römischen Arztes Scribonius Largus gewesen sein, der die Symptome von Vergiftungen beschrieb, wie sie bei den gebräuchlichsten Giften auftraten; dazu zählten Schierling, Bilsenkraut, Opium und Bleiweiß.
Giftmord war eine Straftat, die man bevorzugt dem schwachen Geschlecht anlastete - z.T. einhergehend mit dem Vorwurf der Hexerei. Eine der juristischen Grundlagen für entsprechende Anklagen bildete die im Jahr 81 v. Chr. beschlossene lex Cornelia de sicariis et veneficis. Bei sicarii handelte es sich um Meuchelmörder, deren "Berufsbezeichnung" sich von ihrer bevorzugten Waffe, der Sica, ableitete. Diese Sorte Verbrecher interessiert uns hier aber nicht, sondern die als venefica bezeichnete Hexe oder Giftmischerin (venenum = Gift), für die es in den Überlieferungen mehrere Beispiele gibt:

  • Clodia, Schwester des berüchtigten politischen Brandstifters Publius Clodius Pulcher: Cicero unterstellt ihr in seiner Verteidigungsrede für Marcus Caelius Rufus, sie hätte ihren Mann, den ehemaligen Konsul Quintus Caecilius Metellus Celer, vergiftet (Literarisch aufgegriffen wird diese Anschuldigung im Roman Tödliche Saturnalien, von John Maddox-Roberts).
  • Munatia Plancina, Ehefrau des einflussreichen Politikers Gnaeus Calpurnius Piso: Sie wurde angeklagt, Germanicus, den beim Volk beliebten Adoptivsohn des Kaisers Tiberius, mittels Gift ermordet zu haben. Schlussendlich beging Plancina aufgrund der Anschuldigung Selbstmord.
  • Locusta, eine Bekannte der Mutter des Kaisers Nero: Sie ist die berühmteste Giftmischerin der römischen Geschichte und soll unter anderem das Gift für die Ermordung von Kaiser Claudius und dessen Sohn Britannicus hergestellt haben. Auch jenes Gift, das Nero bei seiner Flucht aus Rom mit sich führte, stammte angeblich von ihr. Galba, Neros Nachfolger, ließ sie hinrichten.

Freilich, der wahrscheinlich größte Giftmischer der gesamten antiken Welt war keine Frau, sondern der legendäre pontische König Mithridates VI. (sieh hier). Er experimentierte nahezu sein ganzes Leben lang ausgiebig mit Giften und Gegengiften. Das Rezept des von ihm entwickelte Universalgegengiftes Mithridat dürfte von seinem Bezwinger, dem General Pompeius, nach Rom gebracht worden sein. Viele mächtige und berühmte Männer sollen es noch Jahrhunderte später prophylaktisch eingenommen haben, um sich gegen Giftmordanschläge zu schützen.


Vestalinnen und das Incestum

Die angesehensten weiblichen Priesterinnen Roms waren jene der Göttin Vesta. Sie stammten aus den bedeutendsten Familien und führten ein behütetes, sorgenfreies Leben. Doch mussten sie auch Abstriche in Kauf nehmen; beispielsweise wohnten die Priesterinnen nicht bei ihren Familien, sondern in einem zum Vesta-Tempel gehörenden Haus am Forum Romanum. Die gravierendste Einschränkung war freilich die Verpflichtung, für eine gewisse Zeit Keuschheit zu geloben. Zuwiderhandelnde Vestalinnen wurden lebendig begraben; ihre Liebhaber peitschte man zu Tode. Begründet wurde das harte Vorgehen damit, dass die Unkeuschheit einer Vestalin ein außerordentlich schlechtes Prodigium für den Staat sei. Es folgen einige Beispiele für diese als Incestum bezeichnete Straftat (der Begriff umfasst im römischen Recht übrigens verschiedene Tatbestände):

  • 216 v. Chr. erlitten die Römer bei Cannae eine katastrophale Niederlage gegen die von Hannibal angeführten Karthager. Die Schuld dafür suchte man nicht nur bei den inkompetenten römischen Befehlshabern, sondern auch im Übernatürlichen: Zwei unkeusche Vestalinnen namens Opimia und Floronia hätten die Götter erzürnt, berichtet Livius im 22. Buch seines Geschichtswerks Ab urbe condita. Die Priesterinnen wurden daher zum Tode verurteilt. Opima nahm sich vor der Urteilsvollstreckung selbst das Leben, während Floronia "wie es der Tradition entsprach, am Collinischen Tor lebendig begraben wurde". Den Liebhaber der Floronia, einen Sekretär namens Lucius Cantilius, "ließ der Pontifex Maximus so lange mit Ruten auf dem Versammlungsplatz auspeitschen, bis er unter den Schlägen starb".
  • Lucius Sergius Catilina, der durch eine Verschwörung im Jahr 63 v. Chr. in die Geschichte einging, wurde laut Cicero und Sallust 10 Jahre zuvor von Publius Clodius Pulcher (dem späteren Polit-Irrwisch) des sexuellen Umgangs mit der Vestalin Fabia angeklagt, jedoch freigesprochen (möglicherweise nur wegen Bestechung der Geschworenen-Richter).
  • In der Kaiserzeit scheinen Vestalinnen seltener angeklagt worden zu sein, doch gab es trotzdem den einen oder anderen Fall. Beispielsweise berichtet Plinius der Jüngere, dass unter Kaiser Domitian die Vestalin Cornelia verurteilt und zur Strafe in eine unterirdische Kammer eingemauert wurde. Sie soll dabei geklagt haben: "Mich hält der Kaiser für unkeusch, wo er doch, während ich die heiligen Handlungen vollzogen habe, gesiegt und triumphiert hat!" Aus dieser Aussage geht noch einmal sehr schön hervor, wie sehr man die Keuschheit/Unkeuschheit der Vestalinnen mit dem Glück bzw. Unglück des römischen Gemeinwesens verknüpfte.

Auch wenn eine Vestalin versehentlich das im Vesta-Tempel brennende heilige Feuer ausgehen ließ, drohten ihr strengste Strafen.


'Skurrile' Strafen

Wer nun meint, das unterirdische Einmauern von Vestalinnen sei im Alten Rom die übelste und ausgefallenste Strafe für Frauen gewesen, irrt.

  • So weiß etwa Tacitus im sechsten Buch seiner Annalen über zwei Kinder des gestürzten Prätorianerpräfekten Seianus folgendes zu berichten: "Sie wurden in den Kerker gebracht. Der Sohn, in Vorahnung dessen, was im drohte, das Mädchen so sehr ahnungslos, dass es wiederholt fragte, was es denn verbrochen habe und wohin man es schleppe; sie werde es nie wieder tun, und man könne sie auch wie Kinder mit der Rute zurechtweisen. Es berichten zeitgenössische Schriftsteller, sie sei, weil es als unerhört galt, dass eine Jungfrau die Todesstrafe [...] erleide, vom Henker im Angesicht des Stranges geschändet worden; dann habe man sie erdrosselt und die Leichen der beiden jungen Menschen auf die gemonische Treppe geworfen.
  • Laut Marcus Junkelmann kam es sogar vor, dass als strafverschärfende Maßnahme Frauen vor der Hinrichtung von speziell abgerichteten Tieren (Ziegenbock, Eselhengst) vergewaltigt wurden. In einigen Monumentalfilmen der 1920er- und 1930er-Jahre wurde dieses Thema mehr oder weniger historisch korrekt aufgegriffen, bevor die zunehmende Prüderie solchen filmischen Darstellungen ein Ende bereitete.

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Quellen / weiterführende Literatur:
  • E. Hartmann | Gefährliches Pflaster - Kriminalität im römischen Reich | Verlag Philipp v. Zabern | 2011 | Meine Rezension 
  • Ulrich Manthe | Geschichte des römischen Rechts | Verlag C. H. Beck| 2016 | Infos bei Amazon
  • Marcus Junkelmann | Hollywoods Traum von Rom | Verlag Philipp v. Zabern | 2004/2009 | Meine Rezension | Infos bei Amazon



2 Kommentare:

  1. Spannendes Thema, und auch danke für den Literaturhinweis zu "Hollywoods Traum von Rom". Ich dachte, ich hätte alle Bücher von Marcus Junkelmann, aber das ist mir bisher entgangen.

    Gero

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    1. Das Buch ist wirklich interessant, besonders für Authentizitäts-Pedanten :)

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