Magie, Zauberei und Hexen bringen wir heute vor allem mit dem Mittelalter in Verbindung. Das Anrufen übernatürlicher und zum Teil finsterer Mächte dürfte jedoch so alt wie die Menschheit selbst sein. Im Antiken Rom war es beispielsweise üblich, Verwünschungen auf bleiernen "Fluchtäfelchen" niederzuschreiben. Adressaten dieser Flüche waren unter anderem geschäftliche Konkurrenten, Prozessgegner, Diebe, Gladiatoren und Wagenlenker. Neben den erwähnten Fluchtafeln wurden auch "Zauberpapyri" entdeckt, die aufgrund klimatischer Gegebenheiten vor allem im trockenen Orient die Jahrtausende überstanden. Von besonderer Bedeutung war für die Römer in all diesen Fällen offensichtlich das schriftliche Fixieren des "Schadenzaubers".
Neben den niedergeschriebenen Flüchen gab es freilich auch noch die gesprochenen oder gar gesungenen Verwünschungen, wie eine Passage im frührepublikanischen Zwölftafelgesetz belegt, wo derlei Praktiken unter Strafe gestellt werden. Diese alte Regelung zielte interessanterweise weniger auf den Schutz von Personen ab, sondern sollte vor allem fremdes Eigentum vor Zauber schützen. Deutlich wird dies anhand eines von Plinius überlieferten Falls, in dem einem wohlhabenden Gutsbesitzer von missgünstigen Mitmenschen unterstellt wurde, seine landwirtschaftlichen Erträge, die jene der Nachbarn Jahr für Jahr deutlich übertrafen, fußen auf der Zuhilfenahme magischer Praktiken - soll heißen, er habe Vieh und Felder der Konkurrenz mit einem Fluch belegt. Diese Anschuldigungen konnten offenbar nicht bewiesen werden, denn der Angeklagte wurde freigesprochen. Ähnlich milde verfuhr man übrigens auch bei vielen mittelalterlichen Hexenprozessen, in denen es nicht selten um vergleichbare Unterstellungen ging.
Apropos "Hexen": Diese sind keine Erfindung der Inquisition; vielmehr wurden der Hexerei Verdächtige bereits in der Antike strafrechtlich verfolgt. Eine der Grundlagen hierfür bildete die im Jahr 81 v. Chr. beschlossene Lex Cornelia de sicariis et veneficis. Bei Sicarii handelte es sich um Meuchelmörder, deren "Berufsbezeichnung" sich von ihrer bevorzugten Waffe, der Sica, ableitete; mit Hexerei hat diese Form des Verbrechens freilich nichts zu tun. Die Hexe bzw. Giftmischerin wurde vielmehr als Venefica bezeichnet (venenum = Gift); um sie geht es im zweiten Teil dieses Gesetzes. Bei einer entsprechenden Anklage dürfte es jedoch zweitrangig gewesen sein, ob das Opfer an einer fremdverschuldeten Vergiftung gestorben war (damals kaum nachweisbar) oder durch angeblichen Schadenzauber, den man problemlos jeder Person unterstellen konnte, sofern diese auch nur im Entferntesten ein Mordmotiv zu haben schien.
Später wurde die Lex Cornelia dahingehend erweitert, dass nun auch religiöse bzw. frevlerische Verfehlungen ein strafwürdiges Delikt darstellten. Genannt seien hier beispielsweise nächtliche Kulthandlungen und Zusammenkünfte, die in irgend einer Weise das Ziel hatten eine Person zu verzaubern. Menschenopfer - ein Grusel-Motiv das die Römer offenbar spätestens seit dem Krieg gegen Karthago ständig beschäftigte - wurden ebenfalls untersagt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man besonders gerne den frühen Christen diese wüsten Praktiken andichtete und sogar behauptete, bei christlichen Gottesdiensten würden Kleinkinder getötet und verspeist (christliche Apologeten - wie etwa Dionysios von Alexandria - eignen sich später allerdings genau diese Argumentation an, um nun ihrerseits Andersgläubige pauschal zu verunglimpfen).
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man besonders gerne den frühen Christen diese wüsten Praktiken andichtete und sogar behauptete, bei christlichen Gottesdiensten würden Kleinkinder getötet und verspeist (christliche Apologeten - wie etwa Dionysios von Alexandria - eignen sich später allerdings genau diese Argumentation an, um nun ihrerseits Andersgläubige pauschal zu verunglimpfen).
Magische Praktiken mussten freilich nicht immer abgrundtief böse sein, wie etwa der im 4. Jahrhundert entstandene Große Pariser Zauberpapyrus belegt, in dem die ausführliche Anleitung für einen Liebeszauber enthalten ist. Unter anderem sollten hierbei in eine Tonfigur diverse Nadeln gesteckt werden, auf dass der ganze Körper des/der Angebeteten in Liebe entflammt. Im ägyptischen Antinoupolis wurde von Archäologen tatsächlich ein kleine Figur entdeckt, die im Zusammenhang mit solch einem Liebeszauber stehen könnte. Ähnliche Methoden wurden andererseits aber auch angewandt, um bei einem Feind Schmerzen hervorzurufen (Stichwort "Voodoo-Puppe"). Man sieht also, der Grat zwischen eher harmlosem und bösem Zauber kann bei der Analyse entsprechender Funde recht schmal sein.
Weiterführende Literatur:
Weiterführende Literatur:
- Marcus Reuter und Romina Schiavone | Gefährliches Pflaster - Kriminalität im Römischen Reich | Philipp von Zabern | 2013 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
- Karl-Wilhelm Weeber | Alltag im Alten Rom: Das Leben in der Stadt | Artemis & Winkler | 2011 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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Bemerkenswert ist übrigens, dass das Gesetz gegen Meuchelmörder und Hexen ausgerechnet unter Sulla beschlossen wurde ;-)
AntwortenLöschenAber praktischerweise erst nach den Proskriptionen und den Aufräumungsarbeiten unter seinen Gegnern ;)
LöschenDas ist alles ganz schön spannend! Hexen, Zauberei, Rom, Griechenland... Es gibt so viele spannende Fakten in der Vergangenheit zu entdecken!
AntwortenLöschenMax the Dachs
So ist es!
LöschenMan könnte sich ein ganzes Leben lang damit beschäftigen, und würde doch nur an der Oberfläche kratzen.
sehr schön geschrieben
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