Im vergangenen August wurden im Rahmen dieses Blogs zwei Publikationen des renommierten steirischen Höhlenforschers, Historikers und Archäologen Dr. Heinrich Kusch besprochen (Link).
Da ich mich in jüngster Zeit wieder ein wenig mit seinem Forschungsgebiet beschäftigte, googelte ich nach ihm und stieß dabei auf einen Eintrag, demzufolge er 2015 (vergeblich) von einem anonymen Internetuser in eine (recht umfangreiche) Nominierungsliste für den satirischen Negativpreis "Das Goldene Brett vorm Kopf" eingetragen wurde.
"Heinrich Kusch, für den Unsinn von 10.000 Jahre alten maschinellen Tunneln in der Steiermark, die es sogar in den Wissenschaftsteil des ORF gebracht haben: steiermark.orf.at/m/news/stories/2720883/Da gehört schon ein gewaltiges Brett vor den Kopf um TCM Datierungen anzuwenden (Methode zur Bestimmung der Zeitspanne die ein Material an der Oberfläche verbracht hat, bzw. wie lange es danach unterirdisch war – nicht jedoch zur Bestimmung der Bearbeitungszeit einer Tunnelwand )" (Quelle)
"Das goldene Brett vorm Kopf" wird seit einigen Jahren von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) vergeben. Ziel ist das medienwirksame Anprangern pseudowissenschaftlicher Theorien und Methoden.
Selbstverständlich darf man im Angesicht dieser hehren Zielsetzung annehmen, dass die Initiatoren bzw. die Betreiber der Internetseite auch bei sich selbst größten Wert auf wissenschaftliche und publizistische Seriosität legen. Daher unterziehen wir exemplarisch die obige Nominierung einem kleinen Faktencheck.
Faktencheck
1. Unsinn von 10000 Jahre alten maschinellen Tunnel; steiermark.orf.at/m/news/stories/2720883
Beim oberflächlichen Lesen der verlinkten Sekundärquelle (!) könnte tatsächlich der Eindruck entstehen, Kusch hätte kategorisch behauptet, die besagten Tunnel seien maschinell hergestellt worden. Erfreulicherweise findet sich bei Youtube genau jener TV-Beitrag, auf den hier Bezug genommen wird: Video
Und sieh einer an, nur der ORF-Sprecher aus dem Off stellt die inkriminierte Behauptung auf. Herr Kusch hingegen nennt die Idee, dass hier maschinell gearbeitet wurde, zuerst "unglaublich", verbessert sich dann aber sofort, um Missverständnissen vorzubeugen, auf "unmöglich".
Für die Leser seines Buches Versiegelte Unterwelt dürfte dies keine Überraschung darstellen, denn dort legt er großen Wert darauf, dass die Bearbeitungsspuren an den Tunnelwänden lediglich wie maschinell gemacht aussehen - ein nicht geringer Unterschied zu den in der Nominierung untergeschobenen "maschinellen Tunneln".
2. Da gehört schon ein gewaltiges Brett vor den Kopf um TCM Datierungen anzuwenden (Methode zur Bestimmung der Zeitspanne die ein Material an der Oberfläche verbracht hat, bzw. wie lange es danach unterirdisch war – nicht jedoch zur Bestimmung der Bearbeitungszeit einer Tunnelwand )
Kläglich scheitert der anonyme 'Ankläger' bereits an der Bezeichnung. Die korrekte Schreibweise ist mitnichten TCM Datierung, sondern TCN-Datierung.
TCN war in Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Fachleuten vom Institut für Erdwissenschaften der Karl-Franzens Universität Graz als probate Methode für das im Vorhinein klar definierte, zu beprobende Objekt vorgeschlagen worden.
Auch fand entgegen der Darstellung keine Datierung der aus dem Felsen geschlagenen Tunnelwand statt; vielmehr wurden die von Menschen unter die Erde verbrachten Steine einer an beiden Enden dieses Tunnels anschließenden Trockenmauer altersbestimmt. Ergo: methodisch bedenkenlos.
Schweigen im Walde
Was bleibt also in Summe von dieser "Nominierung" übrig, die lediglich auf der wackeligen Grundlage einer Sekundärquelle fußt? Bestenfalls ein unqualifizierter Schnellschuss, schlimmstenfalls der gezielte Versuch, einem engagierten Forscher in aller Öffentlichkeit ans Bein zu pinkeln.
Und wie äußern sich jene dazu, die letztendlich für die Veröffentlichung der inkriminierten Nominierung verantwortlich sind? Nun, selbstverständlich habe ich - nach ausführlicher Darlegung der Fakten - den Betreiber der Internetseite goldenesbrett.guru per E-Mail höflich um eine Stellungnahme gebeten. Daraufhin schlug mir ohrenbetäubendes Schweigen entgegen, was wiederum durchaus für sich selbst spricht.
Und wie äußern sich jene dazu, die letztendlich für die Veröffentlichung der inkriminierten Nominierung verantwortlich sind? Nun, selbstverständlich habe ich - nach ausführlicher Darlegung der Fakten - den Betreiber der Internetseite goldenesbrett.guru per E-Mail höflich um eine Stellungnahme gebeten. Daraufhin schlug mir ohrenbetäubendes Schweigen entgegen, was wiederum durchaus für sich selbst spricht.
Auch die der Skeptikerbewegung nahe stehende Internetseite Psiram.com enthält einen kurzen Foreneintrag, in dem Kusch die tollsten Sachen angedichtet werden. Die dort verlinkte Quelle, ein Artikel der Kleinen Zeitung (also wieder einmal nur eine Sekundärquelle), ist freilich längst ins elektronische Nirwana entschwunden. Grund: Es handelte sich um eine üble Zeitungsente, die zu entfernen sich die Redaktion bald nach der Veröffentlichung genötigt sah; nicht nur von den eigenen Servern, sondern zur Vorsicht auch gleich aus dem Suchmaschinencache von Google.
Der Urheber des ganzen Unsinns, ein steirischer Kulturmanager, unterschrieb sogar eine Unterlassungserklärung.
Der Urheber des ganzen Unsinns, ein steirischer Kulturmanager, unterschrieb sogar eine Unterlassungserklärung.
Quod erat demonstrandum
Das hier behandelte Beispiel bestätigt, dass es zumindest Teilen der Skeptikerbewegung weniger um eine seriöse wissenschaftliche Auseinandersetzung geht, sondern vielmehr um einen Medienkrieg, für den es ein Maximum an Munition bereitzustellen gilt. Allfällige Kollateralschäden nimmt man dabei billigend in Kauf.
Völlig zurecht kritisiert daher ein Urgestein der Skeptikerbewegung, der Sozialwissenschaftler Edgar Wunder, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Viele Skeptiker betreiben einen Weltanschauungskampf ohne hinreichende fachliche Kenntnis, stellt er fest; sie argumentieren selektiv und unsachlich. In die gleiche Kerbe schlägt Rudolf Henke. Und der Soziologe Marcello Truzzi spricht gar von Pseudoskeptikern.
In der Tat, etliche dieser Aktivisten scheinen die Meinung zu vertreten, Wissenschaftlichkeit verpflichte per se zu Skepsis oder sei gar mit Skepsis gleichzusetzen. Das jedoch ist ein Irrtum, denn Wissenschaft darf sich weder von Skepsis noch von Leichtgläubigkeit leiten lassen, sondern nur von Fakten und stringenter Logik.
Völlig zurecht kritisiert daher ein Urgestein der Skeptikerbewegung, der Sozialwissenschaftler Edgar Wunder, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Viele Skeptiker betreiben einen Weltanschauungskampf ohne hinreichende fachliche Kenntnis, stellt er fest; sie argumentieren selektiv und unsachlich. In die gleiche Kerbe schlägt Rudolf Henke. Und der Soziologe Marcello Truzzi spricht gar von Pseudoskeptikern.
In der Tat, etliche dieser Aktivisten scheinen die Meinung zu vertreten, Wissenschaftlichkeit verpflichte per se zu Skepsis oder sei gar mit Skepsis gleichzusetzen. Das jedoch ist ein Irrtum, denn Wissenschaft darf sich weder von Skepsis noch von Leichtgläubigkeit leiten lassen, sondern nur von Fakten und stringenter Logik.
Dass die Sekptikerbewegung ein tendenziell ideologieschwangeres Unterfangen mit partieller Sehschwäche ist, kann besonders gut an ihrem Umgang mit umstrittenen Disziplinen wie Gender Studies und ähnlichen Auswüchsen des Feminismus abgelesen werden. Trotz all der übergroßen Angriffsflächen (FAZ, Youtube) die sich hier seriösen Wissenschaftlern bieten, wird Kritik ausgerechnet bei diesem Themenfeld nahezu völlig ausgeklammert.
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Weitere interessante Themen auf diesem Blog:- Lochsteine: Uralte Wegweiser zu verborgenen Gangsystemen? - Ein Interview mit Heinrich Kusch
- Buch: Tore zur Unterwelt / Versiegelte Unterwelt
- Feministische Archäologie: In Östrogen gegossenes Wunschdenken
- Sondengehen und Bürgerforschung, Ärgernis oder Chance? - Ein Interview mit dem Archäologen Raimund Karl (Teil 1)
Schaut man sich die elend lange Liste mit Nominierungen für das Goldenen Brett 2015 an, dann entsteht für mich der Eindruck, dass sich dort so ziemlich jeder austoben darf, egal wie sehr an den Haaren herbeigezogen die Vorwürfe sind. Und dann auch noch dieser aggressive Umgangston mit Formulierungen wie "kompletter Schwachsinn", "verarschen", "hirnlos".
AntwortenLöschenIch bin ja für ein gesundes Maß Skepsis, aber gegen pathologischen Skeptizismus und Verleumdung.
Da gabs auch mal einen Fall, bei dem eine Skeptikerin und Journalistin die traditionelle chinesischen Medizin abqualifizierte. Später hat sich dann herausgestellt, dass den von ihr angelegten Maßstäben selbst einige schulmedizinische Methoden nicht gerecht werden können. Und so wird halt getrickst, um die öffentliche Meinung im Sinne der eigenen Weltanschauung zu manipulieren. Damit macht man sich aber nur selbst unglaubwürdig und die echten Kurpfuscher lachen sich ins Fäustchen.
Lg,
Erwin
Der Mangel an Coolness und Manieren ist in der Tat auffällig.
LöschenLaut Diskussionsseite des Wikipedia-Lemmas "Goldenes Brett" waren an den Verleihungen folgende Personen beteiligt (Auszug).
AntwortenLöschenRobert Misik: gehörte der Gruppe "Revolutionäre Marxisten" an
Werner Gruber: Wahlwerber für die SPÖ
Niko Alm: Kandidierte 2003 für die Ösi-Grünen
etc.
Da erübrigt sich doch wohl jedwede Erörterung, warum Gender Studies geschont werden, oder?
;-)
Hallo Hiltibold, der Hoaxilla-Podcast, der Urban Legends entzaubern möchte, wird von Leuten aus der Skeptiker-Bewegung betrieben, eventuell kennst du den? Ich höre ihn mir schon längere Zeit an, da eigentlich ganz nett gemacht. Allerdings schwankt die Qualität der einzelnen Folgen beträchtlich. Z.B. die Folge über Pompeji enthielt mehrere Fehler. Hör dir das bei passender Gelegenheit vielleicht mal an. Mich würde interessieren, was du davon hältst :o)
AntwortenLöschenGero
Die meinen an einer Stelle, das römische Pompeji wurde auch von Lava verschüttet. Nö, da war nur Asche und Bimsstein.
LöschenLiebe Grüße,
Britta
Ich finde es erstaunlich, dass die Podcaster, obwohl sie Illigs komische Fantomzeit für Käse halten, in die Shownotes einen Amazon-Partnerlink zu seinem Buch setzen. ^^ Also an dem Käse ein bisserl mitzuverdienen scheint ok zu sein, oder wie?
LöschenDabei sind doch ausgerechnet diese Skeptiker, wie ich gelesen habe, ganz besonder gegen die Kommerzialisierung von wissenschaftlich fragwürdigen Theorien und Methoden......
Lg,
Erwin