Sonntag, 22. Oktober 2017

Ein grausiger Mord am Vorabend des Vesuv-Ausbruchs



Am 10. Juli 1869 machten Archäologen bei Ausgrabungen in der vom Vulkan Vesuv verschütteten römischen Stadt Herculaneum eine bemerkenswerte Entdeckung. An der heute als Cardo III bezeichneten Straße, stießen sie im Hinterzimmer eines Eckladens auf mehrere in den Boden eingelassene Fässer aus Terracotta - ähnlich jenen auf dem obigem Bild. Das war an sich noch nichts Ungewöhnliches, sondern vielmehr handelte es sich hierbei um ein in der Antike übliches Verfahren zur Lagerung von Wein und anderen Lebensmitteln. Außergewöhnlich war allerdings der Inhalt eines dieser dolia. Der bestand nämlich aus drei Sägen, einem kleinen Hammer sowie menschlichen Knochen! Wie weitere Untersuchungen ergaben, war hier der Leichnam eines Mannes zerstückelt und seine Einzelteile samt den Tatwerkzeugen hastig versteckt worden.

Es ist wenig verwunderlich, dass dieser grausige Fund bis heute die (ohnehin blühende) Fantasie der Archäologen anregt. So wurde beispielsweise die Vermutung angestellt, der Besitzer des Ladens sei hier mit einem Geschäftspartner oder Kunden in Streit geraten und habe diesen im Affekt ermordet. Denkbar ist angeblich auch, dass ein Nebenbuhler ins Hinterzimmer gelockt wurde, um ihn dort zu beseitigen. Oder der Ladenbesitzer, bei dem es sich wahrscheinlich um einen freigelassenen Sklaven handelte, war von seinem Patron und ehemaligen Eigentümer beauftragt worden, ein fremdes Mordopfer verschwinden zu lassen. Handelte es sich dabei vielleicht gar um eine bekannte Persönlichkeit? 

Interessanterweise ist die Leiche nicht vollständig. Unter anderem fehlt ihr Kopf, den man vielleicht am schnellsten loswerden wollte, um im Falle eines unplanmäßigen Entdeckens durch Dritte eine Identifikation zu verhindern. Desweiteren zogen die Ausgräber den Schluss, dass der mutmaßliche Mörder aufgrund des Vesuvausbruchs dabei gestört wurde, die restlichen Leichenteile - nach und nach - aus der Stadt zu schaffen, um sie beispielsweise in der Nacht ins nahe Meer zu werfen. 
Gut möglich ist außerdem, dass er sein Opfer nicht lange überlebte und nur Stunden oder vielleicht einen Tag später in den heißen pyroklastischen Strömen des Vulkans selbst den Tod fand - so wie rund die Hälfte der Einwohner Herculaneums.


Ein weiteres interessantes Beispiel für die mitunter mörderischen Umtriebe in den Hinterzimmern römischer Läden liefert die Hauptstadt selbst. Dort soll der Überlieferung nach ein Bäcker immer wieder auswärtige Laufkundschaft entführt haben, um sie daraufhin angekettet zur schweren Arbeit an den Getreidemühlen zu zwingen. Nach einiger Zeit wurden die bis zur totalen Erschöpfung geschundenen Entführten wahrscheinlich umgebracht und durch Neuzugänge ersetzt. Aufgeflogen ist das alles erst, als der Bäcker und seine Gehilfen an einen zivil gekleideten, hartgesottenen Legionär gerieten, dem es gelang, seine Angreifer zu töten. Der Skandal soll großes Aufsehen in Rom erregt haben.
Mit einem Einzelfall hatte man es hier allerdings nicht zu tun. Denn bezeichnenderweise kam es in der Kaiserzeit wiederholt zu Durchsuchungen von Landgütern, nachdem römische Bürger immer wieder von der Straße weg entführt wurden, um Sklavenarbeit zu verrichten. Zur äußerst fragwürdigen Sicherheit auf römischen Straßen siehe auch meinen Blogbeitrag: Wie sicher waren die Straßen des Römischen Reichs wirklich?

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Weiterführende Literatur / Quellen:

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