Sonntag, 23. Februar 2020

📖 Buch-Empfehlung: Die Kelten in Bayern - Archäologie und Geschichte

Keltoi, Keltai, Celtae, Galatei und Galli werden sie in den antiken Überlieferungen genannt. Gemeint sind damit die Kelten, eine europäische Sprach- und Kulturgemeinschaft, die sich im ersten Jahrtausend vor Christus über große Teile Europas erstreckte und sogar bis auf das Gebiet der heutigen Türkei vorstieß. Berühmt sind sie nicht nur für Ihren Mut im Kampf und ihr handwerkliches Geschick mit dem Werkstoff Eisen, sondern auch für ihre Furcht, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Letzteres behaupten zumindest antike griechische Historiker, die auf die Kelten tendenziell weniger gut zu sprechen waren. Ein Römer wiederum - nämlich der Universalgelehrte Plinius d.Ä. - wies auf die Bedeutung von Misteln für die Kelten in Gallien hin. Dergleichen dürfte dem Asterix-Kenner ziemlich bekannt vorkommen 😉

Geographisches Kern- bzw. Entstehungsgebiet der keltischen Kultur - die Bezeichnung "Volk" ist in diesem Zusammenhang umstritten - war Mitteleuropa. Dort liegt heute unter anderem Bayern, das entsprechend reich an keltischen Hinterlassenschaften ist. Mehr noch, der Name Bayern soll sich, laut einer Theorie, sogar vom keltischen Stamm der Boier ableiten - so wie übrigens auch das an Bayern grenzende Böhmen, wo diese Boier ursprünglich lebten.

Im Buch "Die Kelten in Bayern - Archäologie und Geschichte" wird auf über 400 Seiten ein gut strukturierter und außerordentlich umfangreicher Überblick zum keltischen Bayern gegeben - wobei man immer wieder auch einen kleinen Blick über die Grenzen wirft, da das Kelten-Phänomen oft besser im gesamteuropäischen Zusammenhang verstanden werden kann. So leiten sich etwa die Beizeichnungen "Hallstattzeit" und "La-Tène-Zeit" - die für die beiden großen Abschnitte der keltischen Kultur stehen - von bedeutenden archäologischen Fundorten in Österreich bzw. der Schweiz ab.

In der Einleitung des Buchs wird in allgemein verständlicher Sprache Grundlagenwissen vermittelt und der Versuch unternommen, auf Basis des aktuellen Forschungsstandes zentrale Fragen zu beantworten: Woher kamen die Kelten? Wann entstand ihre Sprache? Wo lebten sie? Was sind die wichtigsten antiken Quellen, in denen sie genannt werden? Wie verlief die Forschungsgeschichte zu den Kelten? Usw.

Da die schriftliche Überlieferung hinsichtlich der Kelten bestenfalls als sehr lückenhaft bezeichnet werden kann, ist die Wissenschaft vor allem auf archäologische Erkenntnisse angewiesen. Genau diese stehen anhand einer Vielzahl von Beispielen im Zentrum des Buchs. Was lassen etwa ergrabene Zangen und Hämmer für Rückschlüsse auf die keltische Metallverarbeitung zu? Und welche Auskunft geben verschiedene Tierknochen in Abfallgruben über die Ernährungsgewohnheiten der damaligen Menschen?
Sozusagen 'nebenbei' erfährt der Leser hier auch manch Interessantes über die Methoden der modernen Archäologie. 

Die Bebilderung des Buchs ist außerordentlich reichhaltig. Entsprechend findet man verschiedenste Formen von Karten, Tabellen, LIDAR-Scans, Übersichtsgrafiken zu Helmtypen, Zeichnungen von keltischen Schwerten, Lanzenspitzen, einem Pfeilköcher, Werkzeugen, Wohnhäusern, Wehranlagen, Backöfen, Kleidung sowie Fotos von Schmuck, einer bronzenen Geldbörse samt Inhalt usw. Das alles ist sehr nützlich für ein tieferes Verständnis der keltischen Kultur bzw. des keltischen Alltagslebens. Mehr noch, der Leser wird hier in die Lage versetzt, sich bildhaft vorzustellen wie der menschliche Lebensraum damals aussah. Ein wenig bemängeln muss ich nur, dass ein paar der Abbildungen deutlich zu klein geraten sind, um noch ernsthaft von Nutzen zu sein. Diese hätte man gleich ganz weglassen können.
Im Anhang des Buchs findet sich noch ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie ein Orts- und Namenregister.

Fazit: Ohne jeden Zweifel eine wirklich gelungene Informationsquelle bzw. ein sehr gutes Nachschlagewerk, das nicht nur für Einsteiger in das Thema geeignet ist, sondern auch für Personen mit Vorwissen noch Neues parat hält. Lob für den Autor und den Verlag von mir, ich kann mir vorstellen, dass hier einiges an Zeit und Energie aufgewendet wurde. Der Kaufpreis von knapp 40 Euro ist im Angesicht des Gebotenen eigentlich relativ günstig.

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7 Kommentare:

  1. Coole Sache, genau so ein dickes Übersichtswerk kommt mir zurzeit sehr recht für meine BA-Arbeit.

    Der Pustet Verlag hat ja immer wieder tolle archäologische Bücher, sehr gut war zum Beispiel auch "Die Armee der Caesaren: Archäologie und Geschichte".
    Vielleicht kennst du das bzw besitzt es schon?

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    1. Der Verlag hat tatsächlich viele gute Bücher aus diesem Themenbereich.
      Der von dir genannte Titel ist mir bekannt, ich besitze das Buch aber leider nicht. Sonst hätte ich es hier wohl schon besprochen.

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    2. https://www.youtube.com/watch?v=VSdww-Sexgs
      ;-)

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    3. An diese szene habe ich bei diesem benutzenamen auch sofort denken müssen lol. grüße, chris

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  2. Das Buch muss gleich mal ganz oben auf meinen Wunschzettel, beim Teutates!
    ;-)

    Gero

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  3. Salve! Kommt in dem Buch auch der Chiemgau Komet vor, wegen dem die KElten angeblich Angst gehabt haben, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt?

    Alter Schwede

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    1. Ja, der mutmaßliche Chiemgau-Impakt kommt in einem Nebensatz vor, wird aber sofort als Fantasy vom Tisch gewischt. Begründung dafür gab es vom Autor keine, das fand ich aus wissenschaftlicher Sicht eher schwach. Wohl baut man darauf, dass sich Interessierte bei Wikipedia informieren, deren Artikel sehr tendenziös ist.
      Zum Ausgleich sollte man sich daher auch die Website der Chiemgau-Impakt-Forscher selbst ansehen und sich dann erst eine Meinung bilden.

      https://www.chiemgau-impakt.de/

      Die angebliche Angst der Kelten, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt, muss nicht zwangsläufig vom Chiemgau-Impakt stammen. Auch unstrittige katastrophale Meteoriteneinschläge gab es in prähistorischer Zeit nämlich etliche. Wir wissen ja nicht, wie lange die Kelten oder ihre Vorgänger diese Furcht schon mit sich herumtrugen (sofern sie denn tatsächlich existierte und es sich dabei nicht um eine Erfindung griechischer Historiker handelt).

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