Die beiden antiken Werke "Poliorketika" und "Strategika" (siehe auch die verlinkten Rezensionen ganz unten) erweisen sich immer wieder als eine hervorragende Quelle voller interessanter und kurioser Informationen hinsichtlich des antiken Kriegshandwerks. Hier nun einige von mir ausgesuchte Beispiele, in denen der Schild im Mittelpunkt steht, aber z.B. auch Schlaglichter auf den Tunnelkampf geworfen werden (weiter Themenkomplexe folgen in den kommenden Wochen und Monaten, weil ich der Meinung bin, dass es lohnenswert ist, diese weitestgehend unbekannten Überlieferungen der Allgemeinheit zu präsentieren).
Der Schild als Bodenradar
Eine alte Geschichte wird erzählt: <Lücke> den Amasis, der die Barkaier belagerte, als er eine Untergrabung versuchte. Die Barkaier bemerkten das Vorhaben des Amasis und fürchteten, dass er heimlich oder ungehindert seinen Zweck erreichen könnte; dann kam ein Schmied durch Überlegungen auf folgenden Gedanken: Er trug einen Bronzenen Schild innerhalb der Mauern herum und hielt ihn überall an den Boden; an den anderen Orten, an die er die Bronze hielt, blieb es ohne Klang, wo man aber untergrub, gab es ein Echo. Nun gruben die Barkaier dort einen Gegentunnel und töteten viele von den Untergrabenden. Daher nutzt man auch heute noch dieses Mittel, um zu erkennen, wo untergraben wird. Aeneas Tacticus | Poliorketika/Stadtverteidigung 37.6 | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter 2017 |
Übrigens, als Philippos V. von Makedonien die Stadt Prinassos belagerte, wollte er diese untertunneln, um so in sie eindringen zu können. Allerdings stießen seine Soldaten im Laufe der Arbeiten auf harten Fels und konnten deshalb das Vorhaben nicht fortführen. Philippos verfiel nun aber auf eine List: Um die Verteidiger der Stadt in Angst zu versetzen und zur Kapitulation (zu günstigen Bedingungen) zu bewegen, gaukelte er ihnen vor, er würde nach wie vor erfolgreich einen Tunnel graben. Aus diesem Grund ließ er in in den kommenden Nächten aus einiger Entfernung Aushubmaterial heranschaffen und am Tunneleingang aufhäufen. Die Einwohner von Prinassos dachten deshalb, sein Tunnel würde gute Fortschritte machen und so übergaben sie schließlich die Stadt freiwillig, um ein Gemetzel durch eindringende Truppen zu verhindern (Polyainos | Strategika 4.18.1 | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter 2017).
Hier stellt sich die Frage: Warum hatte man keinen Schild zur akustischen Überwachung verwendet? Das erste Beispiel oben vermittelt schließlich den Eindruck, dass dies eine durchaus gängige Methode war. Hätte man damit den Bluff nicht leicht durchschauen können? Oder vertrauten die Menschen in Prinassos schlicht dem Ergebnis nicht? War das Abhören des Bodens mittels Schild eventuell keine besonders verlässliche Sache und stark abhängig von Faktoren wie der Bodenbeschaffenheit sowie der Tiefe, in welcher der Tunnel gegraben worden ist?
Dass die besagte Tiefe - eventuell um Felsen aus dem Weg zu gehen - nicht zwingend besonders groß war, wird aus einer anderen Überlieferung ersichtlich, in der es heißt, die 'Mineure' des persischen Großkönigs Dareios hätten die Agora der Stadt Kalchedon dadurch zielsicher gefunden, indem sie sich an den Baumwurzeln jener Olivenbäume orientierten, welche rund um den Platz gepflanzt waren (Polyainos | Strategika 7.11.5 | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter 2017). Das bedeutet, der Tunnel kann sich nur wenige Meter unter der Erdoberfläche befunden haben, da die Wurzeln von Olivenbäumen selbst unter optimalen Umständen nur bis maximal 7 Meter tief ins Erdreich ausgreifen. Es ist also durchaus denkbar, dass man Erschütterungen, die das Graben und Hacken verursacht, an der Oberfläche mittels dem beschriebenen Bronzeschild noch wahrnehmen kann. Entsprechend interessant wäre es freilich, das anhand von Experimenten zu überprüfen.
Eine metallene Alarmanlage und ein mit Vogelfedern gefüllter Flammenwerfer
Metallene ("eherne") Gerätschaften mysteriöser Art verwendete man auch anderenorts, um unterirdische Grabungsaktivitäten zu orten. Darüber hinaus bezeugt das folgende Beispiel technischen Einfallsreichtum auch auf einem weiteren Gebiet.
Als die Römer Amprakia belagerten und viele von ihnen teils verwundet, teils getötet wurden, gruben sie, um die Stadt einnehmen zu können, einen engen Tunnel unter der Erde. Lange Zeit hielten sie dies vor den Feinden geheim. Als sich aber der Aushub bedeutend anhäufte, merkten die Amprakioten, was vorging, gruben nun ihrerseits von innen her in entgegengesetzter Richtung einen Tunnel, zogen an dessen Ende noch einen Quergraben und stellten dort dünne eherne Gegenstände nebeneinander auf, damit, wenn die Feinde auf diese stießen, ein Klang entstehe. Sobald der Klang vernommen wurde, rückten sie ihnen unter der Erde entgegen und kämpften gegen sie mit langen Lanzen. Da sie aber in dem engen finsteren Tunnel nicht viel ausrichten konnten, machten sie ein Fass, das in den Tunnel passte, bohrten in dessen Boden ein Loch, steckten eine kleine eiserne Röhre hindurch, füllten das Fass mit Flaumfedern, legten ein wenig Feuer hinein und einen Deckel mit vielen Löchern darauf. Diesen drehten Sie in Richtung der Feinde und steckten das Fass in deren Tunnel. Hinten am Fass verbanden sie einen Schmiedeblasebalg mit der Röhre und setzten, indem sie Luft einströmen ließen, die Federn in Brand. Der Tunnel füllte sich mit einem dichten und beißenden Rauch, so dass die Römer, weil sie ihn nicht aushalten konnten, die unterirdische Belagerung aufgaben. Polyainos | Strategika 6.17.1 | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter 2017 |
Der Schild als Fallschirm oder Paragleiter
Von der finsteren Tiefe nun in die Luft - obwohl es schlussendlich auch hier bergab geht. Der Leser mag selbst entscheiden wie groß er den Wahrheitsgehalt dieser letzten Überlieferung einschätzt ...
Nachdem Aristomenes, der Anführer der Messener, dreimal das Dankopfer für je 100 geschlagene Lakedaimonier (=Spartaner) dargebracht hatte, wurde er schwer verwundet und mit mehreren anderen gefangen genommen. Die Lakoner beschlossen, alle in den Abgrund zu stürzen, die meisten nackt, den Aristomenes aber wegen seines Kriegsruhms in der Rüstung. Die meisten also waren, sobald sie herabgefallen waren, sofort tot; den Aristomenes aber trug sein Schild, der die Luft auffing, sanft hinunter. [...] Polyainos | Strategika 2.31.2 | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter 2017 |
Man fühlt sich hier ein bisschen an den Film "300" erinnert. Nur dass man darin dem persischen Gesandten keinen fallschirmartigen Schild in die Hand gedrückt hat, bevor man ihn in den Abgrund beförderte.
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Weiterführende Informationen:
Die Geschichte mit dem Bodenradarschild erinnert mich an eine berühmte Szene in "Jurassic Park", als die Erschütterungen, die ein Saurier beim Gehen verursacht hat, das Wasser in einem Becher zum Schwingen gebracht haben. Vielleicht haben die das damals ähnlich gemacht, indem sie den Schild ein wenig im Boden eingegraben und mit Wasser gefüllt haben?
AntwortenLöschenW.T.C.
Das ist eine interessante Überlegung. Man könnte z.B. auch kleine Kiesel oder Metallkügelchen in den bronzenen Schild legen und schauen, ob diese durch die Erschütterungen im Untergrund minimal zu hüpfen beginnen. Oder hat der Schild doch ohne solche Beigaben den Schall hör- oder fühlbar gemacht (Ohr oder Hand auf den Schild legen)? Wir wissen ja leider nicht einmal, ob der in der Überlieferung genannte Schild sich von jenen Schilden wesentlich unterschieden hat, die damals im Kampf verwendet wurden.
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