Mann von Osterby (Foto: Bullenwächter/Wikimedia.org) |
Laut Tacitus waren die Germanen groß und rotblond; nach 1945 eine zunehmend misstrauisch beäugte Behauptung. Moorleichenfunde bestätigen sie allerdings weitestgehend, vor allem was die vorherrschende helle Haarfarbe betrifft. Unzählige Skelettfunde wiederum zeigen, dass die Germanen tatsächlich im Schnitt deutlich größer waren als die Römer - und sogar größer als die Kelten/Gallier.
Vor allem während und nach der sogenannten Völkerwanderungszeit vermischten sich Germanenstämme in den eroberten Gebieten mit den zurückgebliebenen Resten der keltoromanischen Provinzbevölkerung - die naturgemäß kleinewüchsiger und auch dunkelhaariger war. Diese Vermischung sorgte je nach Umfang dafür, dass in gewissen Gebieten auch die durchschnittliche Körpergröße der als germanisch angesehenen Nachkommen, die aus diesen Verbindungen hervorgingen, leicht abnahm und auch die Haarfarbe eventuell dunkler ausfiel. Für letzteres gibt es allerdings keinen empirischen Nachweis.
Die Größe eines Menschen ist zu gut 90 Prozent genetisch bedingt. Der Rest wird von Umwelteinflüssen bestimmt. Vor allem die Ernährung spielt eine wichtige Rolle (nicht zufällig ist heute etwa der durchschnittliche Nordkoreaner um mehrere Zentimeter kleiner als sein wohlgenährter "Landsmann" im Süden). Tierische Eiweiße fördern einen hohen Wuchs. Da passt es auch ins Bild, wenn Caesar in seinem Buch "Der Gallische Krieg" davon schreibt, dass die Germanen sich hauptsächlich von Milch, Käse und Fleisch ernährten (obschon in der Realität nicht wirklich "hauptsächlich", so doch vergleichsweise stark).
Untersuchungen von Skeletten zeigen, dass der germanische Mann der Völkerwanderungszeit und des Frühmittelalters zwischen 1,70 und 1,75 Meter groß war (Frauen waren im Schnitt um über 10 cm kleiner).
Bemerkenswert ist jedoch, dass vermutlich aufgrund sich verändernder Ernährungsgewohnheiten (weniger tierische Eiweiße, stattdessen vermehrt pflanzliche Nahrung), die Körpergröße im Hochmittelalter wieder abnahm und erst viel später ein deutlich gegenläufiger Trend feststellbar ist.
Herrschern bzw. Adeligen der germanischen Königreiche wurde von Chronisten gerne eine besonders stattliche Körpergröße zugeschrieben. Man hat dies lange Zeit für ein Klischee gehalten.
Doch die Forschung stellte beispielsweise für die Zeit der Völkerwanderung fest, dass Skelette mit reichen Grabbeigaben im Schnitt um einige Zentimeter größer waren als der große, vergleichsweise ärmlich bestattete Rest (siehe dazu etwa die entsprechenden Untersuchungen der alamannischen Gräber von Weingarten und Bohlingen).
Der Größenunterschied zwischen Reich und Arm kann folgende Gründe haben:
1. Reiche Germanen ernährten sich vergleichsweise häufig von Fleisch - also tierischen Eiweißen.
2. Reiche Germanen mussten nicht ständig schwere körperliche Arbeit verrichten - auch das kann die Körpergröße beeinflussen.
3. Reiche Germanen, also die Führungsschicht, war in den eroberten Gebieten nicht so sehr von der genetischen Vermischung mit der kleinwüchsigeren, keltoromanischen Bevölkerung betroffen. Man blieb und heiratete eher unter seinesgleichen.
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Weiterführende Literatur:
- Frank Sigmund | Die Körpergröße der Menschen in der Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas und ein Vergleich ihrer anthropologischen Schätzmethoden | Books on demand | 2010 | Infos bei Amazon
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- Buch: Das Heer des Arminius
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Hi,
AntwortenLöschensehr später Kommentar, ich weiß. Aber eine kleine Anmerkung zu den Moorfunden: Die Haarfarbe von Moorleichen ist fast immer rötlich-hell, was aber wenig mit der Haarfarbe zu Lebzeiten zu tun hat. Durch den sauren Moorboden werden die Haare auf natürliche Weise "blondiert"; du könntest also auch eine schwarzhaarige Person für ein paar hundert Jahre im Moor versenken und sie würde ziemlich sicher rotblond raus kommen. Was nicht heißt, dass diese Haarfarbe bei "den Germanen" nicht weit verbreitet war, aber ziemlich sicher nicht ganz so häufig wie es Tacitus sagte - der ja als Quelle ohnehin nicht unproblematisch ist. Ich meine dass es inzwischen auch ganz gute Datenlage mit aDNA-Analysen gibt, die zeigen dass blond und rot zwar relativ häufig war, aber die häufigste Haarfarbe wohl (ähnlich wie heute auch) braun in verschiedenen Abstufungen war.
Sonst guter Beitrag; hab mir deinen Blog auch gespeichert weil ich nicht nur gerne darin lese, sondern auch die Literatur- und Quellenangaben sehr schätze.
Kurzes Addendum: "Das fränkische Heer der Merowingerzeit" nutze ich auch als eine der Quellen für meine eigene Darstellung eines alamannischen Edelmannes um/kurz nach 600; sehr wertvoll, aber wie in deiner Rezension auch steht: es ist ein guter Überblick, aber natürlich nicht umfassend, die Ergänzung mit zusätzlicher Literatur (und, wo möglich, Primärquellen - etwa die Werke von Gregor von Tours) ist auf jeden Fall sinnvoll.
Beste Grüße!
Servus, da hast du absolut recht. Die Moorfunde sind rein vom ersten Anschein her nicht ganz verlässlich, wenn es um die Haarfarbe geht (gilt auch für die Farben von Textilien, die sich ja ebenfalls aufgrund des Bodenmilieus verändern können). Heute stehen zur Bestimmung der Haarfarbe die DNA-Phänotypisierung bzw. das Hirisplex-System zur Verfügung. Die Trefferquote soll um die 70-80 Prozent liegen.
LöschenGerade Gregors "10 Bücher Geschichten" ist eine sehr nützliche Quelle. Ich wollte eine Ausgabe davon eigentlich schon längst mal im Blog besprechen... Vielleicht im kommenden Herbst.
Danke fürs Lob!