Sonntag, 13. September 2020

📖 Buch-Empfehlung: Die Armee der Caesaren - Archäologie und Geschichte

Seit vielen Jahren wird der Römer-Begeisterte mit einer regelrechten Sturzflut an einschlägigen Büchern konfrontiert. Neben kulinarischen Genüssen und diversen Biographien ist es vor allem das römische Militär, welches dabei im Mittelpunkt der Betrachtungen steht. Aufgrund der schieren Menge an populär-wissenschaftlichen Publikationen, zu denen sich auch noch unzählige wissenschaftliche Arbeiten gesellen, ist es selbst für Fachleute sehr schwierig, auch nur über Teilaspekte der römischen Geschichte - wie z.B. das kaiserzeitliche Heer - auf dem Laufenden zu bleiben.
Genau hier soll das Buch "Die Armee der Caesaren - Archäologie und Geschichte" ein wenig Abhilfe schaffen. Anstatt ein weiteres oberflächliches Sachbuch vorzulegen, möchten Thomas Fischer und seine Co-Autoren einen tiefergehenden, wissenschaftlich korrekten, aber trotzdem allgemein verständlichen Überblick zum aktuellen Forschungsstand gegeben (wobei zu bedenken ist, dass die vorliegende aktualisierte 2. Auflage aus dem Jahr 2014 stammt). Schwerpunkt sind dabei die Ergebnisse der Militärarchäologie, denn gerade in jenen Staaten, auf deren Boden sich einst die stark militärisch geprägten Grenzprovinzen Roms befanden, werden unablässig neue spannende Funde zutage gefördert, die unser Wissen über den römischen Soldaten, sein Umfeld und seine fast übermenschlichen Leistungen verfeinern. Nicht zuletzt die zunehmende Verbreitung von Metallsonden trägt hier einiges zum Erkenntnisgewinn bei - wie etwa das 2008 von archäologischen Laien entdeckte Harzhorn-Schlachtfeld dokumentiert.
Zur Sprache kommt am Rande auch der nicht ausschließlich positive Einfluss, den Reenactment/Living History auf das populäre Bild vom römischen Militär hat. So wird etwa kritisiert, dass die Ausstattung der bei Römerfesten oder in TV-Dokus auftretenden Gruppen meistens zu einheitlich sei, nachdem es mittlerweile kinderleicht ist, oft nicht gerade hochwertige Rüstungs- und Waffen-Reproduktionen relativ günstig von indischen Großherstellern (wie Deepeeka) zu beziehen. Diese würde sich an nur wenigen, ständig wiedergekäuten Quellen wie der Trajanssäule und einer Handvoll archäologischer Funde orientieren, anstatt die mehrhundertjährige, facettenreiche Geschichte der römischen Militärmacht adäquat zu berücksichtigen. Was, wie auch ich festgestellt habe, dazu führt, dass Römer-Reenactment massiv vom miles aus der Zeit um 100 n. Chr. dominiert wird (obschon sich seit einigen Jahren auch die Spätantike zunehmender Beliebtheit erfreut).


Inhaltsübersicht

Nach den üblichen einleitenden Worten erfolgt eine kleine Einführung in die Grundzüge des römischen Heerwesens seit der Republik.
Im I. Teil des Buchs werden dann in chronologischer Reihenfolge die bedeutendsten Bildquellen vorgestellt, welche der heutigen Forschung Auskunft über das Erscheinungsbild römischer Legionäre geben. Wobei darauf hingewiesen wird, dass diese Darstellungen in mancherlei Hinsicht unzuverlässig und oft von Idealisierungen, Antikisierungen (Rückgriffe auf das hellenistische Griechenland) und künstlerischer Freiheit geprägt sind.
Der II. Teil thematisiert eingangs ein wenig die Forschungsgeschichte. Es folgt die Erörterung einiger Aspekte zur Bewaffnung und Ausrüstung (Herstellung, lokale Unterschiede,...).
Im III. Teil wir anhand archäologischer Funde konkret auf Tracht, Waffen sowie Ausrüstung eingegangen - und zwar getrennt nach Infanterie und Reiterei: Angefangen bei der Kleidung (Tunika, Hosen, Gürtel, Mantel, Fibel, Kopfbedeckung, Schuhe, Halstücher, Socken, ...) über Schutzwaffen (Helme/Helmtypologie, Panzer/Panzerarten und ihre Konstruktionsweise, Schutzkleidung unter dem Panzer, Beinschienen, Armschienen, Schilde, ...) bis hin zu den Angriffswaffen (Schwerter/Schwertscheiden, Dolche, Stangenwaffen, Bogenwaffen) und der Artillerie. Feldzeichen, Orden, Pionierwerkzeuge, Zelte werden abschließend ebenfalls betrachtet.
Teil IV widmet sich zuerst den Bauten des römischen Heeres: Arten der Lager und Kastell-Umwehrungen (Holz-Erde, Stein), Innenbauten (Straßen, Mannschaftsbaracken, Bäder, Übungshallen, Werkstätten, Getreidespeicher, ...).
Im Anschluss werden die wichtigsten Lagertypen anhand großflächiger archäologischer Befunde dargestellt: Legionslager, Vexilationskastelle, Kohorten- und Alen-Kastelle der Hilfstruppen, Stadtgarnisonen, Kleinkastelle, Wachtürme, ...
Gesondert behandelt werden der Limes und seine Infrastruktur sowie kurz die spätrömischen Befestigungen (Kastelle und Burgi)
Der V. Teil behandelt den Wandel der Ausrüstung des römischen Militärs - von der Republik über die frühe Kaiserzeit bis zur Spätantike.
Im VI. und letzten Teil wird die Römische Kriegsmarine unter die Lupe genommen: Gliederung, Charakteristika antiker Kriegshäfen, Kriegsschiffe auf Meeren und Flüssen,...)


Beispiele für die im Buch enthaltenen Illustrationen

Der militärischen Schutzausrüstung widmet man sich sehr ausführlich. Hier eine Übersicht verschiedenster spätantiker römischer Helme (links) und Beispiele für die Helmzier (rechts) | Foto: Hiltibold / Buchinhalt: (C) Verlag Friedrich Pustet
Hier sind Reiterhelme aus der frühen und hohen Kaiserzeit zu sehen | Foto: Hiltibold / Buchinhalt: (C) Verlag Friedrich Pustet
Auch speziellen, in vielen populärwissenschaftlichen Publikationen oft übersehenen Details schenkt man Beachtung: In diesem Fall handelt es sich um die Spitzen von Feldzeichen bzw. Standarten | Foto: Hiltibold / Buchinhalt: (C) Verlag Friedrich Pustet
Das römische Schwert; hier eine Übersicht zu verschiedenen Varianten von Klingen, Griffen (Gefäßen) und Scheiden. Die Größe der Darstellung reicht in diesem Fall noch aus, allerdings hätte ich es für keinen Fehler gehalten, den Grafiken manchmal mehr Platz zu gönnen. Das ist übrigens ein kleiner Kritikpunkt, den ich schon beim Kelten-Buch dieses Verlags hatte. Auch die Bildtexte hätten ruhig größer ausfallen können. | Foto: Hiltibold / Buchinhalt: (C) Verlag Friedrich Pustet
Verschiedene Formen römischer Schilde. | Foto: Hiltibold / Buchinhalt: (C) Verlag Friedrich Pustet

Fazit: Laien - besonders sind hier Reenactors bzw. Living-History-Darsteller zu nennen - die tiefer in das römische Militärwesen der Kaiserzeit einsteigen möchten, machen keinen Fehler, wenn sie zu diesem allgemein verständlich geschriebenen und reichhaltig illustrierten Buch greifen; es wird ja sogar explizit vom Hauptautor darauf hingewiesen, dass diese eine der Zielgruppen sind. Gleichzeitig werden hier aber auch Studenten und bereits fertigstudierte Fachleute unzählige nützliche, meist übersichtlich aufbereitete Informationen vorfinden. Und last but not least dürften auch die allseits beliebten Metallsucher aka 'Sondengänger' manch Gewinn aus dem Buch ziehen können. 😄
Obschon Thomas Fischer nicht den Anspruch erhebt, einen absolut lückenlosen Überblick vorgelegt zu haben, so ist "Die Armee der Caesaren - Archäologie und Geschichte" meiner Ansicht nach trotzdem in der Lage, etliche oberflächliche Bücher über die kaiserzeitliche römische Armee zu ersetzen. Unzählige Literaturangaben erleichtern es dem Leser außerdem, sich zu den behandelten Punkte bei Bedarf weitere Informationen zu besorgen (siehe etwa Marcus Junkelmanns ausgezeichnete Monographie "Die Reiter Roms").
Ich kann hier nur eine klare Kaufempfehlung aussprechen und den Verlag Friedrich Pustet zum wiederholten Mal für eines seiner Bücher loben.

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Weiterführende Informationen:

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5 Kommentare:

  1. Ist der Unterschied groß zur ersten Auflage?

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    1. Bei Amazon gibt es Händler, die verlangen für die erste Auflage bis zu 148€. Das ist zweieinhalb mal so viel wie die aktuelle Auflage kostet.
      https://www.amazon.de/Die-Armee-Caesaren-Geschichte-2012-03-01/dp/B00IVR435W/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&dchild=1&keywords=armee+der+caesaren&qid=1600165163&sr=8-2

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    2. So etwas gibt es bei Büchern auf Amazon häufig. Einige Marketplace-Händler bauen auf Kunden, die mehr Geld als Verstand haben.

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  2. Top Buch, verständlich geschrieben und hat mir neben Junkelmanns "Die Legionen des Augustus" sehr dabei geholfen, meine augusteiische Römerdarstellung auch als Einzelkämpfer ohne kostspielige Fehler zusammenzubekommen.

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