Wohin mit dem Getreide, wenn es geerntet ist? Heute lässt sich diese Frage leicht beantworten: In den Silo damit. Dieser wird im industriellen Maßstab meist aus Metall gefertigt und entspricht modernen Hygienestandards, um das Getreide beispielsweise vor Schimmel zu bewahren. Doch wie hatte man das Problem der Getreidelagerung vor zweieinhalbtausend Jahren gelöst, als hierzulande noch die Kelten durch Wälder und über Wiesen gestreift sind?
Nun, vor allem auf zweierlei Weise: Erstens sind Speicher in Pfostenbauweise errichtet worden; will heißen, auf Pfosten wurde mit einem gewissen Abstand zum Boden ein hölzerner Aufbau gesetzt, der als Lagerraum diente. Wobei dieser Typ Speicher wohl nicht primär für Getreide, sondern allgemein für Lebensmittel gedacht war. Ganz anders verhält es sich bei der zweiten Variante, der sogenannten Kegelstumpfgrube. Sie ermöglichte es besonders gut, größere Mengen Getreide für längere Zeit im Boden mit nur vergleichsweise geringen Verlusten einzulagern. Woher der Name rührt, zeigt die nachfolgende Abbildung sehr schön.
Kegelstumpfgrube | Keine Rechte vorbehalten, doch um die Nennung der Quelle wird gebeten: HILTIBOLD.Blogspot.com |
Ein kegelstumpf- bzw. birnenförmiger Erdsilo wie oben, dessen Wände in einigen Fällen nachweislich mit Stroh oder verflochtenem Astwerk ausgekleidet waren, konnte mehrere Meter tief sein und weit über eine Tonne Getreide aufnehmen. Er wurde komplett mit Körnern vollgepackt und dann mit Lehm und Erde versiegelt. Nun startete ein bemerkenswerter biochemischer Prozess: Die Temperatur stieg um ca 3 Grad Celsius an und Teile des Getreides begann vor allem an den Rändern innerhalb einer nur wenigen Zentimeter dicken Schicht zu keimen, aber auch zu verschimmeln. Letzteres erzeugte in der abgeschlossenen Kammer jedoch bald eine sehr hohe CO2-Konzentration bei gleichzeitig eintretendem Sauerstoffmangel. Das wiederum führte dazu, dass die für das Verschimmeln verantwortlichen Bakterien und Pilze abstarben; auch das Keimen stoppte. Man könnte hier sozusagen von einem Selbstmord der schädlichen Mikroorganismen sprechen 😉. Kornkäfer, Mäuse und ähnliche Schädlinge waren unter solchen Bedingungen ebenfalls chancenlos und hielten sich von der witterbaren Todesfalle tunlichst fern. Die Kegelstumpfgrube hatte allerdings auch einen Nachteil: Ihr Inhalt muss innerhalb weniger Tage komplett entnommen werden, da das CO2 nach dem Öffnen entwich und sich bei einem zu großen Leerraum nach erneutem Versiegeln nicht rasch genug in ausreichendem Maße neu bilden konnte, um ein Verschimmeln großer Getreidemengen zu unterbinden. Entsprechend findet man bei keltischen Gehöften oft mehrere kleinere Kegelstumpfgruben nebeneinander, über die man die Ernte verteilen konnte. Außerdem dürften sich gerade die Bewohner von Siedlungen größere Gruben geteilt haben, sodass der jeweilige Inhalt rasch genug aufgebraucht werden konnte, wenn die Lehmversiegelung erst einmal entfernt war.
Vorratsgruben zählen zu jenen menschgemachten Zeugnissen, die sich am ehesten längerfristig im Boden anhand von Erdverfärbungen ausmachen lassen und so auf das Vorhandensein einer einstigen Besiedelung hindeuten. Beispielsweise wurden auf dem Gelände der sogenannte "Ehrenbürg" - einer 36 ha großen keltischen Höhensiedlung - in einem Zeitraum von ca 120 Jahren rund 27 000 (!) Vorratsgruben (nicht alle kegelstumpfförmig) angelegt, das sind 750 pro Hektar.
Manch Vorratsgrube hat man - ähnlich wie etliche Brunnen - am Ende ihrer Nutzungsdauer zur Abfallentsorgung herangezogen. Dieser Umstand macht sie zu einer besonders wichtigen archäologischen Quelle. Gleichzeitig finden sie auch in der antiken Literatur Erwähnung; so spricht der römische Geschichtsschreiber Tacitus von dieser unterirdischen Form der Nahrungsmittelaufbewahrung, allerdings hinsichtlich der den Kelten benachbarten Germanen.
Manch Vorratsgrube hat man - ähnlich wie etliche Brunnen - am Ende ihrer Nutzungsdauer zur Abfallentsorgung herangezogen. Dieser Umstand macht sie zu einer besonders wichtigen archäologischen Quelle. Gleichzeitig finden sie auch in der antiken Literatur Erwähnung; so spricht der römische Geschichtsschreiber Tacitus von dieser unterirdischen Form der Nahrungsmittelaufbewahrung, allerdings hinsichtlich der den Kelten benachbarten Germanen.
Hinweis: Weitere Beispiele für die längerfristige Getreidelagerung findet man im unten verlinkten Blogbeitrag zu den Konservierungsmethoden verschiedenster Lebensmittel im antiken Rom.
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Weiterführende Literatur:
- Markus Schußmann | Die Kelten in Bayern - Archäologie und Geschichte | Verlag Friedrich Pustet | 2019 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
- Heinrich Beck u.a | Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 12 | Verlag De Gruyter | 1998
Weitere interessante Themen:
- Lebensmittelkonservierung ohne Kühlschrank in der Antike
- Stolpersteine beim Datieren: Münzen und Keramik
- Antike Amphorenstempel mit Abfülldatum?
Vorratsgruben waren mir bekannt, aber dass diese auch eine eingebaute Desinfektionsfunktion haben konnten... außerordentlich interessant!
AntwortenLöschenCO2 wird auch in der modernen Lebensmittelwirtschaft zum Frischhalten eingesetzt. Grüße, Marcus
LöschenSozusagen ist das wie den Motor vom Auto in der verschlossenen Garage anlassen.
AntwortenLöschen;-)
Willibald
Im Prinzip hast du recht, allerdings stirbst du im Fall der Auspuffgase an Kohlenmonoxidvergiftung, bei dieser Grube ensteht hingegen viel Kohlendioxid.
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