Montag, 13. Februar 2017

"Tu es!" - Das gewaltsame Ende des Scheusals Caligula



Caligula - der offiziell eigentlich Gaius hieß - gilt bis heute als einer der verruchtesten Kaiser des Römische Reichs. Möglicherweise war er in charakterlicher Hinsicht sogar der übelste - schlimmer noch als der infantile Nero, der eineinhalb Jahrzehnte später an die Macht kam.
Selbst wenn nur ein Bruchteil der überlieferten Untaten zutrifft, so dürfte Caligula doch ein äußerst boshafter Schurke gewesen sein, dem - geisteskrank oder nicht (Stichwort "Cäsarenwahn") - sehr viele unschuldige Menschen zum Opfer fielen.
Zwei typische Charaktereigenschaften Caligulas waren ein starker Hang zum Jähzorn und die Eifersucht auf die herausragenden Leistungen anderer Menschen. So kam es beispielsweise, dass der von Sueton als füllig und unbeweglich beschriebene Kaiser sich maßlos über den seiner Meinung nach zu großen Publikumsapplaus für einen siegreichen Wagenkämpfer ärgerte:
... da stürzte Caligula so eilig aus dem Amphitheater, dass er über den Zipfel seiner Toga stolperte und kopfüber die Stufen hinunter fiel (😃). Dabei schrie er außer sich vor Wut, dass das Volk, das die Welt beherrsche, aus völlig nichtigem Anlass einem Gladiator mehr Ehre erweise als dem vergöttlichten Fürsten oder ihm, der persönlich anwesend sei.(Sueton, Caligula 35, 3)
Weil Caligula (laut Sueton) schütteres Haar hatte (seine Porträt-Büsten sind wohl arg geschönt) ließ er angeblich sogar aus Neid einigen Männern mit vollem, lockigem Haar zwangsweise den Hinterkopf rasieren.
Besonders bekannt ist aber folgende Anekdote, mit der Sueton seinen Lesern wohl den schweren Dachschaden verdeutlichen möchte, unter dem Caligula gelitten haben soll:
Bei einem festlichen Bankett brach er (Caligula) plötzlich in schallendes Gelächter aus, und als die Konsuln, die ihm zur Seite lagen, sich höflich nach dem Grund seines Lachens erkundigten, sagte er: "Weshalb ich lache? Weil ein Wink von mir genügt, euch beiden auf der Stelle die Kehle durchschneiden zu lassen!" (Sueton, Caligula 32,3)
Man hat es hier also mit einem echten Ungustl zu tun, wie es in Österreich so schön heißt. Daher ist es wenig verwunderlich, dass Caligulas Umfeld im Laufe der Zeit eine tiefe Abneigung gegen ihn entwickelte. Die ständigen Schikanen und Drohungen wurden unter anderem Cassius Chaerea, einem altgedienten Soldaten und amtierenden Prätorianer-Tribun, zu viel. Gemeinsam mit anderen Offizieren der Prätorianergarde und mächtigen Freigelassenen schmiedete er einen Plan zur Beseitigung des Scheusals auf dem Kaiserthron. Ein äußerst riskantes Vorhaben, denn schon zuvor waren Verschwörungen gegen Caligula aufgedeckt worden, was für die darin verwickelten Personen und wohl auch manch fälschlich Beschuldigten zumeist einen schmerzvollen, langsamen Tod nach sich zog. Doch diesmal plauderte niemand. Sueton überliefert die dramatischen Ereignisse folgendermaßen:
Am 24. Januar (41 n. Chr.), etwa zur siebenten Stunde (= ca. 13:00 Uhr), war Caligula unschlüssig, ob er sich zum Mittagessen erheben sollte, da ihm die Speisen, die er am Vortag zu sich genommen hatte, noch schwer im Magen lagen; schließlich verließ er auf Zureden seiner Vertrauten das Theater. In dem überdachten Gang, den er durchqueren musste, trafen gerade vornehme Knaben, die aus Kleinasien herbeigeholt worden waren, um auf der Bühne aufzutreten, ihre Vorbereitungen; er blieb stehen, um ihnen zuzuschauen und gut zuzureden, und wenn der Leiter der Truppe nicht gesagt hätte, ihm sei kalt, wäre er an seinen Platz zurückgekehrt und hätte die Vorstellung beginnen lassen.
Für das, was dann geschah, gibt es zwei Versionen: Die einen erzählen, Chaerea habe den Kaiser, als er zu den Knaben sprach, von hinten mit einem kräftigen Schwerthieb am Nacken schwer verletzt, nachdem er zuvor "Tu es!" gerufen hatte. Dann habe der Tribun Cornelius Sabinus, der zweite Verschwörer, ihm von vorn die Brust durchbohrt. Nach dem anderslautenden Bericht ließ Sabinus die den Kaiser umgebende Menge (darunter laut Cassius Dio auch Caligulas Onkel und Nachfolger Claudius) durch eingeweihte Zenturionen entfernen, und fragte nach der Parole; als Caligula die Losung 'Jupiter' ausgab, soll Chaerea "Dein Wunsch sei erfüllt" gerufen und ihm, als er sich nach ihm umschaute, mit einem Schlag das Kinn gespalten haben. Als er zusammengekrümmt auf dem Boden lag und schrie, dass er noch lebe, gaben ihm die anderen Verschwörer mit dreißig Hieben den Rest. Für alle galt nämlich die Losung: 'Noch einmal!' Manche stießen ihm das Schwert sogar durch die Genitalien.
Beim ersten Lärm eilten ihm die Sänftenträger mit ihren Tragstangen zur Hilfe, bald darauf auch die germanischen Leibwächter und töteten einige der Attentäter und auch mehrere unschuldige Senatoren. (Sueton, Caligula 58,1-3)
Die Schilderung Suetons beinhaltet einen interessanten Punkt, der den meisten heutigen Lesern entgehen dürfte: Der Tribun Chaerea soll, als er Caligula mit dem Schwert in den Nacken hieb, "Tu es!" gerufen haben. Das war nicht einfach so dahergesagt, denn hierbei handelt es sich um eine religiöse Formel. Der römische Opferschlächter fragte nämlich den Priester vor dem Töten des Opfertieres: "Agone?" ("Soll ich es tun?"); woraufhin der Priester normalerweise antwortete: "Hoc age!" ("Tu es!"). Siehe dazu auch die obige Abbildung einer Opferszene.
Möglicherweise handelt es sich bei dieser Schilderung Suetons um eine bewusste Anspielung an eine Drohung Caligulas, der laut Cassius Dio einmal ausgerufen haben soll: 
O wenn ihr (das römische Volk) doch nur einen Nacken hättet! (Xiphilinos, 172,22-31)
Nun hatten ihm seine Mörder gezeigt, dass er selbst es war, der nur einen Nacken besaß. Sogar vom Fleisch des Ermordeten sollen einige Attentäter aus lauter Hass gegessen haben, berichtet Cassius Dio. Und er schließt seine fragmentarisch überlieferte Schilderung mit folgender lakonischer Bemerkung ab:
Nachdem Gaius (Caligula) in drei Jahren, neun Monaten und 28 Tagen all die berichteten Taten vollbracht hatte, musste er unmittelbar erfahren, dass er doch kein Gott war. (Xiphilinos 172, 20-22, Zonaras 11,7, Joann Antioch. fr. 84 M. (v. 11-14))
—————–

Weiterführende Literatur: 

Weitere interessante Themen auf diesem Blog:


2 Kommentare:

  1. Solch eine Prätorianergarde könnte auch heute noch hin und wieder recht nützlich sein.

    AntwortenLöschen
  2. Habe schon vermutet, dass das Herumlaufen in einer Toga keine ungefährliche Sache ist :-)

    Gero

    AntwortenLöschen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.