Die Luftbildarchäologie ist seit vielen Jahrzehnten nicht mehr aus der archäologischen Wissenschaft wegzudenken. Was mit kostspieligen Flugzeug- und Hubschrauberflügen begann (sofern man die nur sporadisch eingesetzten Heißluftballon der Frühzeit ignoriert) wird mittlerweile oft mit sogenannten "Drohnen" bewerkstelligt (wobei diese, weil es sich meist um Quadrocopter mit relativ geringer Reichweite handelt, eher für kleinräumigere Prospektionen eingesetzt werden).
Auch die bildgebenden Techniken haben sich im Laufe der Jahre verändert. Nicht nur die Qualität der Fotos verbesserte sich stark (wir kennen das von unseren Telefonen), sondern daneben hat der zunehmende Einsatz der Laser-Technologie LIDAR (Light Detection and Ranging) es vor allem in den vergangenen Jahren ermöglicht, erstaunliche archäologische Entdeckungen zu machen. Eines der spektakulärsten Beispiele sind die wohl überwiegend als Geoglyphen anzusprechenden Strukturen im Amazonas-Urwald.
Im vorliegenden Buch von Baoquan Song und Klaus Leidorf spielen LIDAR-Aufnahmen keine Rolle; ebenso wenig werden die technischen Aspekte der Luftbildarchäologie behandelt (das wurde schon gesondert in einem 2019 erschienene Buch der beiden Autoren gemacht - in den kommenden Wochen werde ich dieses auch noch besprechen). Stattdessen wird hier eine Vielzahl von kommentierten Fotos präsentiert, die von Leidorf und Song im Laufe von rund 30 Jahren aus dem Flugzeug heraus gemacht wurden. Darin werden die unterschiedlichsten archäologischen Strukturen sichtbar; zum Beispiel ein römischer Burgus und jungsteinzeitliche Langhäuser in Deutschland, eine Höhensiedlung in China, eine frühmittelalterliche Kirche in Ungarn, ein Reihengräberfeld in der Lombardei, die Siedlungsreste einer phönizischen Stadt auf Sardinien usw.
Der geographische Schwerpunk der vorgestellten Beispiele liegt in Deutschland - ca. ein Drittel der Seiten wird damit gefüllt.
Mit 27 cm x 33,5 cm ist das Buchformat ausreichend groß, um die schönen Luftbildaufnahmen anständig darstellen zu können. Nur wenige Fotos erscheinen mir eine Spur zu klein geraten. Die Kommentierung der Bilder ist ausreichend. Manchmal hätte ich mir dann allerdings doch etwas umfangreichere Informationen gewünscht; etwa zur zeitlichen Einordnung der fotografierten Strukturen.
Blick ins Buch: Links oben eine römische oder hallstattzeitliche (keltische) Anlage. Links unten das römische Legionslager von Markbreit und die Reste eines ebenfalls römischen Marschlagers. Rechts Reste des römischen Zwei-Legionen-Lagers Vetera castra I. | (C) Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Verlag Herder |
Kostenlose Online-Dienste wie Google Maps oder Bing Maps ermöglichen es heute jedem Interessierten, bis zu einem gewissen Grad selbst Luftbildarchäologie zu betreiben. Siehe etwa meine Entdeckung in der südlich von Graz gelegenen Gemeinde Dobl. Das Buch "Faszination Luftbildarchäologie" kann aufgrund der darin enthaltenen repräsentativen Beispiele eine nützliche Hilfe bei der Interpretation solcher Entdeckungen sein. Egal ob man sein Augenmerk auf ein fernes Land legt oder auf die Gegend vor der eigenen Haustüre. Ich würde übrigens letztere Option empfehlen, weil hier die Überprüfung vor Ort und eventuell auch die Kontaktaufnahme mit den zuständigen Archäologen wesentlich leichter ist. Naja, zumindest theoretisch, wie meine Erfahrungen mit dem österreichischen Bundesdenkmalamt (BDA) gezeigt haben. Zwei Jahre für eine Antwort war nicht gerade eine Meisterleistung....
Auch in diesem Buch findet sich wieder einmal ein Hinweis darauf wie schlecht es um die Bodendenkmalpflege bzw. die archäologische Forschung in Deutschland/Bayern bestellt ist. Klaus Leidorf schreibt nämlich, dass aufgrund von Budgetkürzungen nur noch ein Fünftel jener Luftbild-Flugstunden in Bayern finanziert werden können, die noch vor 30 Jahren üblich gewesen sind. U.a. sind deshalb Überwachungen von größeren Baugebieten aus der Luft kaum noch möglich; viele im Boden verborgene Strukturen werden in weiterer Folge unabsichtlich (oder absichtlich) weggebaggert. ☹️
Ein Trauerspiel, aber das darf nicht verwundern, wenn Parteipolitiker über Jahre hinweg das ihnen anvertraute Steuergeld fahrlässig verschleudern, indem sie etwa Unsummen in einen osteuropäischen Kriegsverlierer in spe buttern oder meinen, die Energieversorgung - auf maximal dümmste und Art und Weise - wenden zu müssen
Wie viele der Archäologen, die jetzt unter Kürzungen leiden, haben gegen diesen und ähnlichen Nonsens öffentlich ihre Stimme erhoben? In bester Kenntnis dieser Kreise, die aufgrund des quasi staatlichen Archäologie-Monopols berufsbedingt eng am Parteien- und Obrigkeitsstaat dranklebenden, darf ich konstatieren: So gut wie keiner. Im Gegenteil, gerade die großkopfertsten und einflussreichsten unter ihnen gerieren sich nicht selten als Klatschautomaten für diese Art Politik. Sie sind freilich auch diejenigen, welche aufgrund ihrer fetten Gagen und einer oft damit einhergehenden Verbeamtung die Auswirkungen auf ihr Fach am allerwenigsten persönlich spüren.
Eine kleine Randbemerkung zum Schluss: Erschienen ist das Buch in der Edition AiD (=Zeitschrift "Archäologie in Deutschland") beim (Ex-)Verlag Theis, der eigentlich schon vor vielen, vielen Jahren Teil der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) geworden ist. Nun wurde mittlerweile aber ihrerseits die WBG übernommen, und zwar vom Verlag Herder...
Das wird wirklich immer komplizierter! Da nämlich die Verlage sich ständig gegenseitig aufkaufen und dann häufig den renommierten Verlagsnamen des Gekauften als "Imprint" (Wortmarke) weiterführen.
Besser wird dadurch für den Leser/Konsumenten aber eher nichts. Beispielsweise sind bei Theiss - meiner Meinung nach - die besten Archäologie-Bücher erschienen, bevor man Teil der WBG und eben jetzt von Herder wurde. Siehe etwa hier, hier und hier. Vom letzten Beispiel abgesehen, sind diese Bücher gebraucht sehr günstig erhältlich und jenen Lesern, die solche Themen interessieren, unbedingt zu empfehlen (alleine schon wegen der tollen Bebilderung).
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Weitere interessante Themen:
- Was in der alten Zeitung steht: Der "unschuldige" Grabscher (1932) -- In Flaschen abfüllbare Solarenergie (1864)
- Problemfall Göbekli Tepe: Wenn Arbeitsverweigerung zur wissenschaftlichen Tugend uminterpretiert wird
- Don't talk, just Kusch: Neue wissenschaftliche Arbeit zu steirischen Megalithbauten und ihrer TCN-Datierung wirft Fragen auf!
Die beiden Bücher sind auch nicht schlecht für Studierende, denn zu diesem Thema gibt es nicht viel auf dem Buchmarkt.
AntwortenLöschenDie vorgebrachte Kritik zur Unterfinanzierung teile ich voll und ganz. Erst vor einigen Wochen habe ich den dubiosen Text eines Profs gelesen. Er hat darin über den großen Vorteil schwadroniert, den das Verbauen von alten Kulturlandschaften mit Windparks bringt. Wie ein kleines Kind hat er sich über die vielen privat finanzierten "Notgrabungen" gefreut, die dabei für die Archäologie abfallen. Im Subtext ist glasklar die Aufforderung transportiert worden, dass man als Archäologe sich deshalb nicht auf die Seite der Windpark-Gegner stellen solle, Tier- und Landschaftsschutz hin oder her. Er hat schlicht an die Egoismen der Kollegen appelliert (mehr Aufträge, mehr Geld). Dass aber gerade Dinge wie die sogenannte Energiewende die Staatskassen leert und damit auch der archäologischen Forschung die Mittel entzieht, hat er nicht begriffen. Dafür reicht sein Horizont nicht aus. Und so jemand erhält einen Lehrstuhl, während unsereins die politischen Blödheiten vor Ort mit immer schlechteren Arbeitsbedingungen ausbaden darf. Dafür bin ich nicht Archäologe geworden.
Tom
Ja, leider. Die größeren Zusammenhänge werden sehr oft nicht gesehen. Entweder aus intellektueller Unzulänglichkeit oder weil die Ideologiebrille nicht ausreichend lichtdurchlässig ist. Und eine große Portion Opportunismus erledigt dann den Rest.
LöschenIch bin schon auf den anderen Teil mit der Technik gespannt bzw ob der was taugt.
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