Bei Kleopatras Nase (S. Fischer Verlag) handelt es sich um eine bunte Sammlung überarbeiteter Buchrezensionen mit Bezug zur Antike. Die Autorin und Althistorikerin Mary Beard spart darin nicht mit Kritik. Etwa wenn sie auf neuere Untersuchungen an Skeletten hinweist, welche die in jüngerer Zeit populäre Vorstellung widerlegen, wonach das römische Pompeji ein ethnischer Schmelztopf gewesen sei. Zwar dürfte die vom Vesuv verschüttete Stadt ein gewisses multikulturelles Flair besessen haben (z.B. abzulesen an Tempeln außeritalischer Götter wie Isis), das Genmaterial der einstigen Einwohner weist hingegen keine übermäßige Vielfalt auf. Eher könne man schon fast von Inzucht sprechen, heißt es.
Weiters verdeutlicht Beard anhand interessanter Beispiele, dass ein präzises Übersetzen alter lateinischer oder griechischer Texte aufgrund mehrdeutiger Formulierungen oft unmöglich ist. Überdies hätten bereits römische Geschichtsschreiber geschlampt; Livius etwa übersetzte den griechischen Begriff für Schilde irrtümlich mit "Türen", was den von ihm geschilderten Kampfhandlungen in einem unterirdischen Gangsystem eine absurde Note verlieh.
Die Autorin scheut auch nicht vor Äußerungen zurück, die in ihren eigenen wissenschaftlichen Kreisen umstritten sind: Sie bemängelt nicht nur das mitunter leichtfertige Vertrauen in die Methoden der Altertumsforschung, sondern auch das zunehmende Bestreben, den Antikenhandel als grundsätzlich unmoralisch zu brandmarken und abzuwürgen: "Die Vorstellung, von einer Welt, in der Kunst dort bleiben müsste, wo sie geschaffen wurde, ist ein schrecklicher Albtraum." Dass dergleichen in der Realität geradezu fatal sein kann, wird an anderer Stelle anhand antiker pompejanischer Wandmalereien verdeutlicht: Jene, die im 18. und 19. Jahrhundert von den Wänden entfernt und z.T. privaten Sammlungen eingegliedert wurden, haben die Zeiten überwiegend gut überstanden. Der große Rest jedoch, der vor Ort Wind und Wetter ausgesetzt blieb, ist heute nicht selten bis zur völligen Unkenntlichkeit verblichen bzw. zerstört.
Freilich, auch Frau Beard selbst muss sich ein bisschen Kritik gefallen lassen. So behauptet sie beispielsweise kategorisch, die berühmten Nemi-Schiffe Caligulas seien im 2. Weltkrieg von deutschen Bomben zerstört worden. Diese Darstellung ist jedoch unzutreffend, denn in Wirklichkeit ist bis heute völlig ungeklärt, wer den Brand des Museums, in dem sich die Schiffe befanden, tatsächlich ausgelöst hatte. Verdächtigt werden nicht nur Wehrmachtssoldaten, sondern auch die US-Army und sogar Kriegsflüchtlinge, die vor Ort kampierten.
Fazit: Kleopatras Nase ist ein abwechslungsreiches, interessantes und kurzweiliges Buch. Da die unterschiedlichen Themen in Schlaglicht-Form behandelt werden, bleibt natürlich manches relativ oberflächlich. Allerdings wird am Ende der einzelnen Kapitel auf die jeweiligen Quellen bzw. Bücher verwiesen. Überwiegend sind diese nur in englischer Sprache erschienen, allerdings finden sich dabei auch einige deutsche Ausgaben. Interessant ist das für jene Leser, die - wie ich - aufgrund von Beards Rezensionen Lust auf mehr bekommen haben. Der Preis für die Hardcover-Ausgabe beträgt 26 Euro.
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Weiterführende Informationen:
Weitere interessante Themen:
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Kleopatras Nase habe ich im englischen Original gelesen, das ca 2013 erschienen ist.
AntwortenLöschenMary Beard ist ja dafür bekannt, dass sie nicht um den heißen Brei herumredet, gerne austeilt und gelegentlich auch ein bisschen polemisch ist. Mir gefällt das sehr gut. :-)
Guinevere
Mir auch!
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