Der "unschuldige" Grabscher
Ein wirklich kurioses Beispiel für die einstige Rechtsprechung - das es so heute nicht mehr geben würde - schildert im Jahr 1932 die "Ostdeutsche Rundschau" (Original-Artikel). Vom Namen der Zeitung sollte man sich übrigens nicht täuschen lassen, es handelt sich hier um eine österreichisch-deutschnationale Zeitung; Österreich = Ostdeutschland bzw. die Ostmark.
Die Eltern allein sind schuld! Was soll man zu Eltern sagen, die ihr zehnjähriges Töchterchen mit einem achtzehnjährigen Burschen in einem Bett schlafen lassen und dann die Anzeige erstatten, daß der junge Bursch das Kind unzüchtig betastet habe? Dieser seltene Fall stand vor dem Schöffensenat Straßer zur Verhandlung. Der 18jährige Heinrich, ein körperlich gut entwickelter, aber geistig etwas zurückgebliebener Installateurgehilfe aus Wien, kam öfter zu den Eheleuten S. nach Baden zu Besuch und blieb auch manchmal über Nacht dort. Über Veranlassung der Eltern schlief er in einem Bett mit der 10jährigen Mizzi und dem 12jährigen Karl, also zu dritt. Er lag neben dem Mädchen, infolge der Enge des Bettes dicht an das Kind gepreßt. Er soll nun, nach Angaben des Mädchens, dieses hie und da an den Brüsten und an den Oberschenkeln abgetastet haben. Mehr behauptet selbst die Anklageschrift nicht. Das Gesetz verlangt als Strafe ein bis fünf Jahre schweren Kerkers.— Das Gericht sprach den jungen Mann frei mit folgender Begründung: Die Eltern wären eigentlich wegen Vorschubleistung zu bestrafen. Sie tragen die Schuld an den Ereignissen. Es ist geradezu unnatürlich, einen jungen Burschen in der Zeit seiner Geschlechtsreife mit einem jungen Mädchen in ein und dasselbe Bett zu stecken und dann von ihm völlige Enthaltsamkeit zu verlangen!! |
Ja, dieser arme Bursche😂... Was für eine Urteilsbegründung! Da würden heutige Feministinnen erbost wie Rumpelstilzchen im Kreis springen - nicht ganz zu Unrecht. Trotzdem ist auch der richterliche Blick auf die Ereignisse teilweise von einem gewissen Realitätssinn geprägt.
Ein Umstand muss hier außerdem zum besseren Verständnis kurz erläutert werden: Dass mehrere Personen, mitunter auch Fremde, im selben Bett geschlafen haben, war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund oft beengter Wohnverhältnisse nicht unüblich. Im konkreten Fall ist freilich die Zusammensetzung wenig optimal gewesen. Wobei sich die Frage stellt, ob man das Mädchen vielleicht deshalb in die Mitte gelegt hat, damit sich die beiden männlichen Jugendlichen nicht zu nahe kommen; was nämlich, wenn das zu einschlägigen Berührungen geführt hätte, damals ein noch viel größerer Skandal gewesen wäre. Freilich, in unserer Gegenwart ist vieles anders ...
In Flaschen abfüllbare Solarenergie
Zwar hat man sich im 19. Jahrhundert noch keine Sorgen darüber gemacht, dass die Menschheit einen katastrophalen Klimatod stirbt (die Leute hatten schlicht wichtigere Dinge im Kopf), aber hinsichtlich innovativer Energieformen scheint man bereits damals wesentlich weiter gewesen zu sein, als wir uns das heute vorstellen können! Das legt zumindest eine Werbeanzeige aus dem Jahr 1864 nahe. In der Grazer "Tagespost" (Original-Artikel) heißt es:
"Solar-Oel".... also entweder haben wir es hier mit einer bisher unbekannten Energieform zu tun, bei der man Solarenergie in Öl umgewandelt hat, oder das war dazumal eine gängige Bezeichnung für Sonnenblumenöl? 😉
Notiz am Rande: Was mir bei diesen alten Zeitungen bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein auffällt, sind die fehlenden Umlaute bei Großbuchstaben. Ich weiß es zwar nicht, vermute aber, dass es da Probleme mit den Setzkästen der Drucker gegeben hat. Weil beispielsweise die Punkte über dem Buchstaben Ö müssten über die normale Zeilenhöhe hinausgehen (siehe: OÖ). Und ich habe den Verdacht, dass das aus irgend einem Grund Probleme bereitet hat. Vielleicht liege ich aber damit auch komplett falsch ...
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Weitere interessante Themen:
Meine Urgroßmutter hat noch in den 1960er-Jahren manchmal von Solaröl gesprochen. Sie war damals schon über 80 und der Begriff muss ansonsten schon sehr unüblich gewesen sein (ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals bei meinen Eltern und Großeltern gehört zu haben). Ich habe als Kind nicht gewusst, was das sein soll, aber Ihr interessanter Blick zurück hat in mir ein Licht aufgehen lassen, ca 60 Jahre später!
AntwortenLöschenDie jüngste Erwähnung, die ich in einer Zeitung finden konnte, stammt aus den frühen 1950ern. Das würde zur genannten Beobachtung passen.
LöschenSolaröl war mir bisher auch kein Begriff, taucht aber in alten Lexika auf, z.B. hier: http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Solar%C3%B6l
AntwortenLöschenOffenbar handelt es sich um ein durch Destillation von Braunkohleteer gewonnenes Öl das v.a. zur Beleuchtung verwendet wurde. Woher jedoch der Name kommt, erschließt sich mir auf Grund dieser Quellen nicht. Wenn man aber bedenkt, dass das Zeug "solar" im Namen führt, aber in Wirklichkeit auf Braunkohle basiert, wirkt es im Hinblick auf die heutige deutsche Energiepolitik geradezu modern.
Das ist sehr interessant, ich hatte dazu nichts Brauchbares gefunden. Es erinnert ein wenig an die viel später entwickelte Kohleverflüssigung bzw die Gewinnung von Benzin aus Kohle.
LöschenDie Bezeichnung bleibt aber in der Tat rätselhaft.
Ist wohl ein früher Fall von Marketing|Werbung. Ähnlich wie zum Beispiel heutzutage bestimmte Nahrungsmittel als "Superfood" beworben werden. Der gewählte Name soll eine zugeschriebene Qualität/Eigenschaft des Produkts ausdrücken und verstärken. Die Bezeichnung Solar zielt da wohl naheliegend auf das erzeugte Licht (im wortwörtlichen Sinne "so hell wie das Licht der Sonne") ab. Es gab auch noch andere Öle (Leuchtöle) mit kuriosen Namen, die man damals als "Modernität" zur Lichterzeugung/Beleuchtung in Öllampen nutzte. Und später kamen noch passende Brenner/Petroleumlampen für Solaröl von verschiedenen Firmen dazu.
LöschenBei den Brennern gab es auch noch diese wohlklingenden Namen: Sonnenbrenner und Solarbrenner u.a.. Zeitlich war deren Hochphase wohl Ende des 19.Jhd.
Da wird im Rahmen der Werbung aus einer Öllampe sozusagen eine Sonne in klein - nur ohne Kernfusion. Hört sich plausibel an.
Löschen>>ein körperlich gut entwickelter, aber geistig etwas zurückgebliebener Installateurgehilfe<<
AntwortenLöschenTraumhafte Formulierung, das waren eben noch ganz andere Zeiten! Damals hat man Tacheles geredet. Heute würde man einen sprachlichen Eiertanz veranstalten, um diesen Umstand zu beschreiben.
Gero