Blutige Unterhaltung
"Das Tor zur Macht" ist Robert Fabbris zweiter Roman über den Aufstieg des späteren römischen Kaisers Titus Flavius Vespasianus. Die Handlung schließt - trotz eines zeitlichen Abstandes von ein paar Jahren - relativ nahtlos an den ersten Teil an.
Aus Karrieregründen hatten sich Vespasian und sein Bruder Sabinus in die Machenschaften der römischen Eliten verstricken lassen und werden nun immer tiefer in einen Sumpf aus Intrigen, Gier, Mord und Rachedurst hineingezogen. Waren sie anfangs noch weitestgehend anonyme Akteure im Hintergrund, so rücken sie nun mit ihren Aktivitäten immer stärker ins Blickfeld der Mächtigen. Dabei geraten sie diesmal nicht nur mit Piraten und äußerst gefährlichen Geten aneinender, sondern auch mit gedungenen Mördern, die auf ihre Familie angesetzt wurden. Schlussendlich kommt außerdem der im ersten Roman begonnene Handlungsbogen mit dem machthungrigen Prätorianer-Präfekten Seianus zum Abschluss.
Die rund um den Aufsteiger Vespasian erdachte Geschichte wirkt recht stimmig, die Sprache der handelnden Personen ist oft unterhaltsam derb und der Autor verzettelte sich nicht in irgendwelchen Nebensächlichkeiten. Fabbri hat hier gar nicht erst versucht, Literatur für Hochdenker zu kreieren sondern will wohl vor allem leichte Unterhaltung bieten. Mir gefällt das, denn mit Autoren, die z.B. über mehrere Seiten hinweg vom Bodenbelag bis zu den Topfpflanzen jedes Detail eines Raumes beschreiben, bevor sie überhaupt nur daran denken, endlich die Handlung voranzubringen, kann ich herzlich wenig anfangen.
Ein sicher nicht unwichtiges Qulitätskriterium für einen historischen Roman ist das halbwegs korrekte Darstellen des geschichtlichen Rahmens, in dem die erzählte Story spielt. Im Großen und Ganzen hat hier Fabbri seine Hausaufgaben gemacht und die wichtigsten überlieferten Quellen - wie z.B. Suetons Kaiserbiographien - studiert. Dieser Schluss ergibt sich aus vielen Details - etwa wenn der jugendliche und (noch) nicht wahnsinnige Caligula sich vorzeitig mit Kopfschmerzen von einem Festmahl zurückzieht. Das mag ziemlich trivial erscheinen, allerdings litt der spätere Kaiser tatsächlich an chronischen Kopfschmerzen und einige moderne Historiker führen seine zunehmende Grausamkeit sogar auf ein verstärktes Auftreten dieses Leidens zurück. Auch die Charakterisierung von Kaiser Tiberius als Lustmolch und Perversling geht mit biographischen Quellen der Antike konform (ist aber in der modernen Geschichtsforschung nicht ganz unumstritten).
Trotz Fabbris Blick in die Überlieferungen finden sich wie schon im ersten Roman auch diesmal ein paar Patzer. Z.B. wenn es an einer Stelle heißt: "Seianus hat mir kurz zuvor einen Sitz im Senat vereitelt, um einen seiner Männer ins Amt zu hieven. Zum Trost gab er mir das Kommando über die Vierte Scythica". Der Fehler liegt hier darin, dass es in jener Zeit Senatoren vorbehalten war, (als Legat) eine Legion wie die 4. Scythica zu kommandieren - es sei denn, der Stationierungsort lag in der Provinz Ägypten, was hier aber nicht der Fall ist. An sich sind solche vereinzelt auftretenden Kleinigkeiten ja verheizbar. Wenn dann aber bei einer Beschreibung von Rom ausgerechnet die Caracalla-Thermen erwähnt werden, welche, wie alleine schon der Name verdeutlicht, erst von einem wesentlich später lebenden Kaiser errichtet wurden, dann ist mir das doch zu viel der Schludrigkeit und führt entsprechend in meiner Bewertung zu Punkteabzügen.
Ein für mich unterhaltsamer Aspekt der Vespasian-Bücher ist der Umstand, dass man darin etlichen historischen Persönlichkeiten begegnet, bevor diese voll ins Licht der Geschichte getreten sind. Dazu zählt nicht nur der Protagonist selbst, sondern auch der oben schon erwähnte Caligula und die beiden (Ex-)Sklaven Pallas und Narcissus (die später unter Kaiser Claudius zu großem Einfluss gelangen sollten). Fabbri hat sich hier einige durchaus plausible und interessante Geschichten ausgedacht, um die mehr oder weniger großen Löcher in den frühen Abschnitten der Lebensläufe all dieser Personen zu füllen.
Fazit: "Vespasian - Das Tor zur Macht" ist keine Welt-, sondern Unterhaltungsliteratur und in gewisser Weise das Äquivalent zu einem modernen Action-Kracher im Kino. Wer mit genau dieser Erwartung an das Buch herangeht, dürfte trotz kleinerer Mängel Gefallen daran finden.
🔊Hinweis: Wie schon beim ersten Teil der Reihe, so gibt es auch diesmal wieder vom auf historische Romane spezialisierten Freiburger Verlag "Audiobuch" eine Hörbuch-Fassung. Und zwar - was meiner Ansicht nach sehr wichtig ist - eine ungekürzte! Auch die beiden kommenden Vespasian-Romane, die auf Deutsch im Januar und Februar 2019 erscheinen, werden parallel zu Rowohlts Taschenbuchausgaben als Hörbücher erhältlich sein.
"Das Tor zur Macht" ist Robert Fabbris zweiter Roman über den Aufstieg des späteren römischen Kaisers Titus Flavius Vespasianus. Die Handlung schließt - trotz eines zeitlichen Abstandes von ein paar Jahren - relativ nahtlos an den ersten Teil an.
Aus Karrieregründen hatten sich Vespasian und sein Bruder Sabinus in die Machenschaften der römischen Eliten verstricken lassen und werden nun immer tiefer in einen Sumpf aus Intrigen, Gier, Mord und Rachedurst hineingezogen. Waren sie anfangs noch weitestgehend anonyme Akteure im Hintergrund, so rücken sie nun mit ihren Aktivitäten immer stärker ins Blickfeld der Mächtigen. Dabei geraten sie diesmal nicht nur mit Piraten und äußerst gefährlichen Geten aneinender, sondern auch mit gedungenen Mördern, die auf ihre Familie angesetzt wurden. Schlussendlich kommt außerdem der im ersten Roman begonnene Handlungsbogen mit dem machthungrigen Prätorianer-Präfekten Seianus zum Abschluss.
Die rund um den Aufsteiger Vespasian erdachte Geschichte wirkt recht stimmig, die Sprache der handelnden Personen ist oft unterhaltsam derb und der Autor verzettelte sich nicht in irgendwelchen Nebensächlichkeiten. Fabbri hat hier gar nicht erst versucht, Literatur für Hochdenker zu kreieren sondern will wohl vor allem leichte Unterhaltung bieten. Mir gefällt das, denn mit Autoren, die z.B. über mehrere Seiten hinweg vom Bodenbelag bis zu den Topfpflanzen jedes Detail eines Raumes beschreiben, bevor sie überhaupt nur daran denken, endlich die Handlung voranzubringen, kann ich herzlich wenig anfangen.
Ein sicher nicht unwichtiges Qulitätskriterium für einen historischen Roman ist das halbwegs korrekte Darstellen des geschichtlichen Rahmens, in dem die erzählte Story spielt. Im Großen und Ganzen hat hier Fabbri seine Hausaufgaben gemacht und die wichtigsten überlieferten Quellen - wie z.B. Suetons Kaiserbiographien - studiert. Dieser Schluss ergibt sich aus vielen Details - etwa wenn der jugendliche und (noch) nicht wahnsinnige Caligula sich vorzeitig mit Kopfschmerzen von einem Festmahl zurückzieht. Das mag ziemlich trivial erscheinen, allerdings litt der spätere Kaiser tatsächlich an chronischen Kopfschmerzen und einige moderne Historiker führen seine zunehmende Grausamkeit sogar auf ein verstärktes Auftreten dieses Leidens zurück. Auch die Charakterisierung von Kaiser Tiberius als Lustmolch und Perversling geht mit biographischen Quellen der Antike konform (ist aber in der modernen Geschichtsforschung nicht ganz unumstritten).
Trotz Fabbris Blick in die Überlieferungen finden sich wie schon im ersten Roman auch diesmal ein paar Patzer. Z.B. wenn es an einer Stelle heißt: "Seianus hat mir kurz zuvor einen Sitz im Senat vereitelt, um einen seiner Männer ins Amt zu hieven. Zum Trost gab er mir das Kommando über die Vierte Scythica". Der Fehler liegt hier darin, dass es in jener Zeit Senatoren vorbehalten war, (als Legat) eine Legion wie die 4. Scythica zu kommandieren - es sei denn, der Stationierungsort lag in der Provinz Ägypten, was hier aber nicht der Fall ist. An sich sind solche vereinzelt auftretenden Kleinigkeiten ja verheizbar. Wenn dann aber bei einer Beschreibung von Rom ausgerechnet die Caracalla-Thermen erwähnt werden, welche, wie alleine schon der Name verdeutlicht, erst von einem wesentlich später lebenden Kaiser errichtet wurden, dann ist mir das doch zu viel der Schludrigkeit und führt entsprechend in meiner Bewertung zu Punkteabzügen.
Ein für mich unterhaltsamer Aspekt der Vespasian-Bücher ist der Umstand, dass man darin etlichen historischen Persönlichkeiten begegnet, bevor diese voll ins Licht der Geschichte getreten sind. Dazu zählt nicht nur der Protagonist selbst, sondern auch der oben schon erwähnte Caligula und die beiden (Ex-)Sklaven Pallas und Narcissus (die später unter Kaiser Claudius zu großem Einfluss gelangen sollten). Fabbri hat sich hier einige durchaus plausible und interessante Geschichten ausgedacht, um die mehr oder weniger großen Löcher in den frühen Abschnitten der Lebensläufe all dieser Personen zu füllen.
Fazit: "Vespasian - Das Tor zur Macht" ist keine Welt-, sondern Unterhaltungsliteratur und in gewisser Weise das Äquivalent zu einem modernen Action-Kracher im Kino. Wer mit genau dieser Erwartung an das Buch herangeht, dürfte trotz kleinerer Mängel Gefallen daran finden.
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🔊Hinweis: Wie schon beim ersten Teil der Reihe, so gibt es auch diesmal wieder vom auf historische Romane spezialisierten Freiburger Verlag "Audiobuch" eine Hörbuch-Fassung. Und zwar - was meiner Ansicht nach sehr wichtig ist - eine ungekürzte! Auch die beiden kommenden Vespasian-Romane, die auf Deutsch im Januar und Februar 2019 erscheinen, werden parallel zu Rowohlts Taschenbuchausgaben als Hörbücher erhältlich sein.
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Weiterführende Informationen:
Weitere interessante Themen:
Die einzelnen Teile erscheinen ja ganz schön schnell hintereinander. Das ist mal etwas anderes, als ein Jahr oder länger auf die Fortsetzung warten zu müssen wie zB bei Bernard Cornwells Uhtred.
AntwortenLöschenGero
Obwohl es ein Schweizer Autor ist, sind die Bücher alle zuerst in englischer Sprache erschienen. Und jetzt veröffentlicht man quasi in einem Rutsch die deutschen Übersetzungen davon.
Löschen>> Unterhaltungsliteratur <<
AntwortenLöschenGenau. Jelinek und Musil sollen die selbstzertifizierten Oberschlauen lesen und dann so tun, als hätten sie alles verstanden :-)
JJ