Dienstag, 24. September 2024

📖 Buch-Rezension: Latein und Griechisch für jeden Tag

Griechisch und Latein haben einen großen Einfluss auf das Vokabular der deutschen Sprache ausgeübt. Teilweise direkt, teilweise indirekt über den Umweg von beispielsweise Englisch und Französisch.
Karl Wilhelm Weeber, ein Althistoriker, Philologe und Autor vieler Publikationen über das Leben in der Antike, zeigt nun im vorliegenden Buch anhand unzähliger Beispiele wie umfangreich die Sprachen der Alten Griechen und der Alten Römer tatsächlich bis in unsere Gegenwart nachwirken. 

Bei der Auswahl hat sich der Autor  einerseits an aktuellen Diskussionen und Erscheinungen orientiert; dazu zählen dann etwa der selten blöde Begriff "people of color", das ideologieverseuchte Bullshit-Fach "Postcolonial Studies", die "Globuli" aus der umstrittenen Homöopathie, die von Politschwätzern und den noch ahnungsloseren Journalisten so gerne im Mund geführte "Digitalisierung", der "Megahype", der "CEO" sowie "Fridays For Future" (deren Vertreter man mit einem ebenfalls nicht-autochthonen Begriff charakterisieren könnte, welcher sich passend zu ihrer Weltanschauung an einem mutmaßlichen Lenin-Zitat orientiert: youthful idiots).

Andererseits nimmt Karl-Wilhelm Weeber auch viele Wörter unter die Lupe, die schon lange in der deutschen Sprache angekommen sind; darunter befinden sich solche, denen man ihre ferne Herkunft relativ leicht ansieht - wie beispielsweise "Nostalgie", "Konsens", "Labor", "Diabetes" oder "Idiot". Darüber hinaus gibt es aber auch echte Überraschungen wie z.B. die "Zwiebel", den "Spickzettel", den "Kater", die "Brezel" und nicht zuletzt die "Tischplatte", welche etymologisch auf die beiden griechischen Worte diskos (Scheibe) und platỳs (flach) zurückgeht. Und wär hätte gedacht, dass der "Bursche" und die "Börse" den selben Ursprung haben? Nämlich das alte griechische Wort býrsa, mit dem einst eine abgezogene Tierhaut gemeint war. Sehr kurios, aber dem Leser werden sowohl hier wie auch bei den anderen Beispielen immer die entsprechenden Hintergründe erläutert. Neben gewissen sprachwissenschaftlichen Aspekten beinhaltet Weebers Einlassungen meist auch historische oder sonstige Kontextinformationen und mitunter auch die eine oder andere amüsante Anekdote oder Anmerkung. Beispielsweise schreibt er zum Begriff "Neutralität" eingangs folgendes:

In ihrem Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 hat sich die Republik Österreich zu immerwährender Neutralität verpflichtet. Mittlerweile bestehen zwar Zweifel, ob das de facto - von der Tatsache her - noch zutrifft, aber de lege - vom Gesetz her - wird sich wohl so schnell nichts ändern. [...]

Als Österreicher, der die diesbezügliche innenpolitische Diskussion nur zu gut kennt, musste ich hier fast lachen. Der Autor trifft nämlich den Nagel ziemlich auf den Kopf! Die Neutralität ist ja nahezu komplett zerbröselt, nachdem man meine Eltern- und Großelterngeneration vor drei Jahrzehnten mit falschen Versprechungen eiskalt in die EU hineingelogen hat ('der Schilling wird bleiben' usw.). Daher finanziert nun das 'neutrale' Österreich über den Umweg der EU unzählige Waffensysteme für einen kriegführenden Staat in Osteuropa und beteiligt sich an einem (selbstschädigenden) Wirtschaftskrieg gegen einen anderen. Für die erstere Maßnahme - und dieses Beispiel hätte wirklich sehr gut ins vorliegende Buch gepasst - hat man sich dann auch noch ein möglichst unverständliches und unsagbar verlogenes Vokabel ausgedacht: "Friedensfazilität." Schade, dass man dieses orwellsche Sprachmonster - das auf der Münchhausen-Skala ganz weit oben, direkt neben dem "antifaschistischen Schutzwall"  angesiedelt ist - nicht physisch greifen kann. Denn dann würde ich es seinem Erfinder nur zu gerne ins Hinterteil rammen ...
Es ist also eine politische Farce, wenn immer noch all die Falotten und intellektuellen Negeranten im österreichischen Parlament treuherzig der Neutralität funktionierende Vitalfunktionen attestieren (das waren jetzt gleich zehn zugereiste Begriffe in einem Satz!).

Man kann natürlich die Begriffserläuterungen im Buch - je nach Laune und Interesse -  kreuz und quer lesen oder aber auch der Reihe nach. Denn die Strukturierung des Inhalts ist gestaltet wie ein Kalender. Das heißt, man findet Tagesangaben vor, vom 1. Januar bis zum 31. Dezember, denen wiederum je ein Begriff zugeordnet ist. Auf dem Buchcover ist dementsprechend von 365 Begriffen (Aha-Erlebnissen) die Rede, was aber nicht ganz stimmt. Denn erstens wurde der 29. Februar mit einbezogen und zweitens geht der Autor in seinen Erläuterungen auch immer wieder auf weitere Fremdwörter ein - siehe etwa das oben zitierte Beispiel mit den darin enthaltenen Formulierungen "de facto" und "de lege". Der Leser bekommt demnach sogar mehr Leistung geboten, als angepriesen wird. So etwas ist selten!

Fazit: "Latein und Griechisch für jeden Tag" ist ein kurzweiliges Büchlein, das die Allgemeinbildung fördert. Ich bilde mir ein, über einen eher überdurchschnittlichen Wortschatz zu verfügen, aber auch ich konnte hier noch sehr viele neue Informationen sammeln. 
Man kann dem Autor auch nicht unterstellen, dass er in seinen kurzen Einlassungen einseitig, also im Stil eines Propagandisten, Stellung bezieht. So lässt er etwa im Fall des politischen Modebegriffs "Regelbasierte Ordnung" die Kritik daran nicht unter den Tisch fallen. Und auch wenn seine eigene Meinung manchmal durchblitzt oder er einer Fehlinformation aufsitzt, wie in seiner Einleitung zum Wort "postfaktisch", so hält sich das insgesamt sehr in Grenzen und es hat mein Lesevergnügen unterm Strich nicht nachhaltig negativ beeinflusst.


5 Kommentare:

  1. Ich erinnere mich noch wie mein Opa (geboren 1910 in Murau) das Klo immer als "Abort" bezeichnet hat. Du kannst dir nicht vorstellen wie überrascht ich war, als ich zum ersten Mal als Schüler vor einem englischsprachigen Windows gesessen bin und das Menükästchen mich vor die Wahl zwischen "Save" und "Abort" gestellt hat. 🙂
    Marcus

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    1. Ich glaube, mein Großvater hat das auch noch so genannt. Das war sogar exotischer als der Begriff "Lokus". Hat aber wohl einen gemeinsamen Ursprung, weil Lokus/locus = Ort. Und im mutmaßlich niederdeutschen Wort "Abort" hast du auch den "Ort" drinnen (laut Wiktionary ein "abgelegener Ort"). Mit dem englischen "abort" scheint das allerdings nichts zu tun zu haben.

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  2. Als ehemaliger Direktor eines Gymnasiums hat Weeber sicher auch eine eigene Meinung zu Fridays For Future. Aber gibts die überhaupt noch? So richtig, meine ich. Selbst die Klima-Greta ist überwiegend auf ein anderes Thena umgestiegen.

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    1. Aber gibts die überhaupt noch?
      In geringen Restbeständen.

      Selbst die Klima-Greta ist überwiegend auf ein anderes Thena umgestiegen.
      Ja, und der neue Themenschwerpunkt hat ihr in PR-Hinsicht das Genick gebrochen. Als "one-trick pony" hat sie wesentlich besser funktioniert.

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    2. Da hat sie sich mit den Falschen angelegt. Wenn man selbst wegen einem bibelgetreuen Film über Jesus die Karriere gekillt bekommt, dann erst recht wegen dem was sie macht.

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