Was ist Arbeit? Für die meisten Menschen ist sie ein notwendiges Übel. Einige aber empfinden sie als Vergnügen oder sehen in ihr zumindest etwas, das dem eigenen Leben Sinn verleiht. Wobei die unterschiedliche Bewertung naturgemäß stark vom Charakter der jeweiligen Arbeit abhängt. Wer etwa auf einer Baustelle bei Wind und Wetter körperlich schuften muss, wird vergleichsweise selten sein Los preisen; anders der leitende Angestellte im Home Office, dessen größte Herausforderung es darstellt, die Zeit bis zum nächsten Zoom-Meeting irgendwie totzuschlagen.
In der antiken Welt war es nicht wesentlich anders. Zwar unterschieden sich die beruflichen Tätigkeiten von den heutigen teilweise drastisch, aber das soziale Gefälle drückte sich schon damals gerade in der Arbeit und ihre Sicht darauf aus. Holger Sonnabend wirft in seinem Büchlein "Von harter Arbeit und fairen Löhnen" einen Blick auf die damaligen Verhältnisse. Und zwar anhand kommentierter Stellen aus antiken Texten. Als Quellen dienen ihm dabei so berühmte Zeitzeugen wie Cicero, Plinius, Plutarch, Herodot usw.
Es wird manch Leser überraschen, wie ausgerechnet in einer vorindustriellen Gesellschaft die "Eliten" über manuell arbeitende Menschen hergezogen sind. Zumindest legen die überlieferten literarischen Texte, die naturgemäß von gebildeten Mitgliedern der griechischen und römischen Oberschicht verfasst wurden, eine weit verbreitete, extrem snobistische Betrachtungsweise nahe. Beispielsweise meint Xenophon in seinem Werk "Oikonomikos" folgendes über körperliche ("banausische") Arbeit.
Die banausischen Arbeiten sind berüchtigt. In den Städten werden sie zu Recht geringgeschätzt. Sie schwächen die Körper der Arbeiter und die der Aufseher. Denn sie sind gezwungen, im Dunkeln (einer Werkstatt) zu sitzen, manche sogar dazu, den ganzen Tag am Feuer zu verbringen. Dadurch aber wird der Körper in Mitleidenschaft gezogen, und es lassen auch die Kräfte des Geistes nach. Doch vor allem rauben die banausischen Tätigkeiten die Muße, sich den Freunden und der Politik zu widmen. Aus diesem Grund sind diese Menschen nicht geeignet, Freundschaften zu pflegen oder ihre Heimat zu verteidigen. |
Was für ein Unsinn, was für eine Gemeinheit! Da wünscht man sich fast, Xenophon wäre bei seinem legendären "Zug der 10000" ("Anabasis") von einem Perserschwert der Scheitel neu gezogen worden. ^^
Die Zusammenstellung der Texte finde ich recht gelungen, auch wenn das eine oder andere Beispiel vom eigentlichen Thema abschweift. Mir persönlich waren darüber hinaus bereits einige Zitate bekannt; z.B. Senecas legendärer Besuch im öffentlichen Bad, wo u.a. ein Haarausrupfer mit seiner schmerzhaften Tätigkeit für eine gehörige Geräuschkulisse sorgte.
Es werden in den Textstellen verschiedenste Aspekte des Themas 'Arbeit' behandelt und mal mehr, mal weniger vom Autor in erklärender Weise kommentiert. Vom gesellschaftlichen Ansehen bestimmter Berufe abgesehen geht es beispielsweise auch um Fragen wie den Verdienst, was Armut bedeutete, in welchen beruflichen Feldern Frauen tätig waren, was es für Karrierenetzwerke gab oder wie Vitamin B funktionierte (bzw. nicht funktionierte, siehe den berüchtigten militärischen Versager Publius Quinctilius Varus, der seinen Job als Statthalter Germaniens wohl nicht zuletzt seiner Verwandtschaft mit Augustus verdankte).
Man muss klar sagen: Außerordentlich tief wird bei all dem nicht in die Materie vorgedrungen. Doch gerade dieser Umstand macht das Buch kurzweilig; besonders in Kombination mit den z.T. amüsanten und kuriosen Inhalten der antiken Überlieferungen. Sozusagen im Vorbeigehen streift man dabei auch manch andere Besonderheit des damaligen Lebens, was einen zusätzlichen Gewinn für den Leser darstellt. Dementsprechend ist "Von harter Arbeit und fairen Löhnen" wohl besonders jenen zu empfehlen, die sich zwar kein Expertenwissen aneignen wollen, aber trotzdem an einer anschaulichen und authentischen Schilderung der antiken Verhältnisse interessiert sind.
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Danke für den Tipp!
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