Wahrscheinlich wurde Ostia irgendwann im 4. Jh. v. Chr. als eine der ersten Kolonien Roms gegründet. Von diesem an der Mündung des Tibers liegenden Hafen aus, versorgte man die Hauptstadt mit importierten Waren aus dem gesamten Imperium. Ostia selbst blühte durch den Handel auf - abzulesen an unzähligen prächtigen Bauwerken. Ca. ab dem 6. Jahrhundert verlandete und versumpfte der Hafen allerdings völlig; neben den ständigen Kriegen der Völkerwanderungszeit war vor allem dieser Umstand für die Einwohner existenzvernichtend. Schlussendlich brach das Wasserleitungsnetz der zunehmend vernachlässigten Stadt zusammen und die Malaria begann sich auszubreiten. Ostia wurde nun fast vollständig verlassen.
Im 19. und 20. Jahrhundert legtem man den Großteil der alten Ruinen frei. Zuerst nur, um wertvolle Kunstobjekte zu bergen. Später rückte dann wissenschaftliches Interesse in den Vordergrund. Wie man bald feststellte, waren noch erhebliche, zum Teil erstaunlich gut erhaltene Reste des aufgehenden Mauerwerks erhalten.
In der Monographie Wohnkultur im spätantiken Ostia (Reichert Verlag) untersucht der Autor Marcel Danner die facettenreichen Aspekte des Wohnens in Ostia zwischen dem 3. und 5. Jh. n. Chr. Große Bedeutung kommt dabei sozialhistorischen Fragestellungen zu - wie etwa: In welcher Form wirkte sich der allgemeine wirtschaftliche Niedergang in der Spätantike auf die Wohnkultur aus? Wurden die Häuser ärmlicher oder z.T. sogar prächtiger?
Von zentraler Wichtigkeit sind auch die technischen Gesichtspunkte; z.B. hinsichtlich der häusliche Trinkwasserversorgung, des verwendeten Baumaterials, der Verschönerung von Wänden und Fußböden mit Fresken bzw. Mosaiken, der angewandten Mauerwerkstechniken usw. Da hierbei immer wieder Vergleiche zu den vorhergehenden Jahrhunderten gezogen werden, erweitert sich zwangsläufig der im Buch betrachtete Zeitraum ein wenig.
Wer an kompletten zeichnerischen Rekonstruktionen antiker Wohngebäude interessiert ist, wird in diesem Buch nicht fündig werden, da sich der Autor auf (zahlreiche) Grundrisse und Fotos der noch vorhandenen Bausubstanz beschränkt hat. Das ist einerseits zwar etwas schade, andererseits aber auch nicht tragisch, da solche Rekonstruktionen ohnehin überwiegend mehr Fantasie als harte Fakten enthalten. Trotzdem weist ihr Fehlen darauf hin, dass die vorliegende Publikation weniger für interessierte Laien, sondern eher für Fachwissenschaftler gedacht ist. Deutlich macht das auch der Text, der an sich allgemein verständlich geschrieben ist, doch einige Auslassungen darin schränken den Kreis der potentielle Leserschaft klar ein. So blieben beispielsweise fremdsprachige Zitate unübersetzt; außerdem hat man die (sehr zahlreich) vorhandenen Fußnoten nicht genutzt, um Fachvokabular zu erläutern; selbst im Anhang wurde das unterlassen. Ganz nachvollziehbar ist dergleichen für mich nicht, da hier der Mehraufwand durchaus in einem vertretbaren Rahmen geblieben wäre.
Weniger gefallen hat mir außerdem der Umstand, dass der äußerlich eigentlich robust wirkende Einband im Inneren des Buchs bereits bei der Lieferung deutliche Auflösungserscheinungen gezeigt hat. Hoffentlich handelt es sich dabei nur um einen Einzelfall ...
Fazit: Für Fachwissenschaftler ist Wohnkultur im spätantiken Ostia eine interessante Recherchequelle; auch weil hier einige bisher unveröffentlichte Befunde Berücksichtigung finden. Laien allerdings ist das Buch nach meiner Einschätzung nur eingeschränkt zu empfehlen; auch wegen dem Kaufpreis von 78 Euro.
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Weiterführende Informationen:
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