Vor einiger Zeit las ich das doch recht umfangreiche antike Werk "Jüdische Altertümer", welches im späten 1. Jahrhundert n. Chr. vom jüdisch-römischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus verfasst worden ist. Von den Anfängen der Juden bis in die Gegenwart des Autors wird darin der Bogen gespannt. Wobei Josephus gezwungen war, die frühe Geschichte des Volkes Israel fast nur anhand alttestamentarischer Quellen zu schildern, da es ansonsten schlicht so gut wie nichts gab, das hätte entsprechende Auskunft geben können. Getrost dürfen wir aber davon ausgehen, dass er als gläubiger Jude die wohl legendenhaften Schilderungen über das Entstehen seines Volks zumindest größtenteils als unverrückbare Tatsachen betrachtete.
Das Lesen des 'biblischen Teils' von "Jüdische Altertümer" ging etwas zäh vonstatten, da ich schlicht das Gefühl hatte, hier bloß mit 'Märchen' konfrontiert zu werden. Und mit Märchen konnte ich selbst schon als Kind nicht viel anfangen. Vielmehr galt mein Interesse bereits damals den "Fakten, Fakte, Fakten" - wie es Helmut Markwort ausdrücken würde!
Doch halt, so einfach ist die Sache dann auch wieder nicht. Selbst im 'märchenhaften'/biblischen Teil des Werks finden sich nämlich einige Stellen, die mich immerhin zum Schmunzeln gebracht haben; manchmal sogar richtig zum Lachen. Etwa wenn es heißt, ein Enkel des jüdischen Erzvaters Jakob habe "Phallus" geheißen (2.7.4)! Der arme Bub dürfte wegen seinem originellen Namen in der Schule ziemlich gehänselt worden sein 😁😉.
Es kommt freilich noch besser - dazu ein Schlenker in die Gegenwart: In dem mit viel Staatsknete alimentierten Käseblatt "Kurier" verbreitet der Krawallschreiber Dirk Hautkapp die im Kern auch nicht gerade neue Erzählung, der ehemalige US-Präsident Donald J. Trump wäre von seiner Tochter Ivanka sexuell angetan....
Unter Berufung auf Mitarbeiter des Weißen Hauses, gesondert John Kelly, früherer Stabschef Trumps, schreibt Taylor, dass Trump während seiner Präsidentschaft "regelmäßig schlüpfrige Kommentare” über seine Tochter abgegeben habe. So habe sich Trump über ihre Brüste und ihren Po ausgelassen und "darüber phantasiert, wie es wäre, mit ihr Sex zu haben”. Weibliche Mitarbeiterinnen im Weißen Haus hätten sich beim Zuhören unwohl gefühlt. |
Nun kann man solche unbewiesenen Behauptungen eines verärgerten Ex-Mitarbeiters natürlich für bare Münze nehmen, wenn man unbedingt mag (und gleichzeitig die filmisch gut dokumentierte Kinderhaarschnüffelei von Trumps klapprigem Nachfolger seit Jahren standhaft ignorieren). Unter dem boulevardesken Geschmiere des Schreibsöldners empörte sich jedenfalls sogleich ein heftig 'getriggerter' Leser, der vermutlich ebenfalls den 45. US-Präsidenten nicht ausstehen kann.
Nie im.Leben fällt einem Normalsterblichen ein, mit seiner Tochter schlafen zu wollen! |
"Au contraire!", möchte man hier ausrufen. Der erfahrene Psychologe weiß ganz anderes zu berichten. So selten sind solche Gedanken nämlich auch wieder nicht. Nur reden tut wenig überraschend kaum jemand darüber, weil das sozialem Selbstmord gleichkommt.
Doch nun zurück zu Flavius Josephus: Beim Lesen des oben erwähnten Artikels erinnerte ich mich plötzlich daran, dass in den "Jüdischen Altertümern" ebenfalls ein (fiktives) inzestuöses Verhältnis zwischen einem Vater und gleich zweien seiner Töchter vorkommt. Doch nicht nur deshalb stehen mir bei der entsprechenden Textstelle - welche ich unten vollständig zitiere - die Haare zu Berge. Vielen Lesern wird hier übrigens einiges bekannt erscheinen, lernt man doch üblicherweise im Religionsunterricht davon; die pikanten Details werden dort natürlich immer weggelassen ...
Als Abram dies hörte, betrübte er sich über die Sodomiter, stand auf und bat Gott, doch mit den Gottlosen doch nicht zugleich die Gerechten und Guten zu verderben. Gott aber erwiderte, unter den Sodomiten sei kein Gerechter mehr; wenn aber nur zehn unter ihnen wären, wolle er ihnen die Strafe für ihre Sünden nachlassen. Da Schwieg Abram. Und die Engel kamen nach Sodom, wo Lot sie bat, wo Lot sie bat, bei ihm einzukehren, denn er zeichnete sich durch Gastfreundschaft aus und wetteiferte mit Abram in freundlichem Wesen. Als nun die Sodomiter sahen, dass so schöne Jünglinge bei Lot einkehrten, wollten sie ihnen sogleich Schande und Gewalt antun. Doch Lot beschwor sie, sich zu mäßigen und die Fremdlinge nicht zu beleidigen, sondern die Gastfreundschaft heilig zu halten; wenn sie sich nicht bezwingen könnten, wolle er lieber seine Töchter anstelle der Fremdlinge ihrer Lust opfern. Doch auch damit waren sie nicht zu beruhigen. Gott aber, durch ihr lasterhaftes Unterfangen erzürnt, schlug sie mit Blindheit, sodass sie den Eingang in das Haus nicht finden konnten, und er weihte alle Sodomiter dem Verderben. Lot, dem Gott den Untergang der Sodomiter verkündete, entfernte sich mit seinem Weibe und seinen Töchtern, die beide noch Jungfrauen waren; denn ihre Verlobten verschmähten es mitzugehen, indem sie Lots Mahnungen Torheiten nannten. Da warf Gott Feuer in die Stadt und verbrannte sie mit seinen Einwohnern. Auch das Land ringsum zerstörte er durch Feuer, wie ich schon in der Geschichte des Jüdischen Kriegs erzählt habe. Übrigens wurde Lots Weib, die beim Abzug nach der Stadt zurückblickte und ihren Untergang allzu neugierig anschaute, obgleich dies Gott ausdrücklich verboten hatte, in eine Salzsäule verwandelt. Diese Säule habe ich selbst gesehen, denn sie steht noch da. Lot aber gelangte mit seinen Töchtern an einen kleinen Ort, der vom Feuer verschont geblieben ist. Dieser Ort heißt noch jetzt Zoher, was im Hebräischen "klein" heißt. Dort lebte er eine Zeit lang, getrennt von den Menschen, kümmerlich und elend. Die Jungfrauen aber verkehrten in der Meinung, das ganze Menschengeschlecht sei vertilgt, mit dem Vater, ohne dass er etwas davon gewahrte, und zwar um dasselbe vor dem Untergang zu bewahren. Und so gebaren sie Söhne, die ältere den Moab, das heißt "vom Vater", die jüngere den Amman, das heißt "Sohn des Volkes". Von Moab stammen die Moabiter, die noch jetzt ein großes Volk bilden. Von Amman die Ammaniter; beide Völker bewohnen Coelsyrien. So ist Lot von den Sodomitern weggezogen. Flavius Josephus | Jüdische Altertümer 1.11.3-5 | Übersetzer: Heinrich Clementz | Marix Verlag, 2018 (1899) |
Zusammenfassung und nicht ganz bierernstes Fazit:
- Gott erscheint hier - wie überhaupt sehr oft im Alten Testament - als unduldsamer, manchmal sogar kleinkarierter Wüterich, den man am liebsten schnurstracks zum Psychologen zwecks 'Anger Management' schicken möchte. Sein geschildertes Betragen steht in starkem Widerspruch zur wesentlich liebenswürdigeren Darstellung im Neuen Testament (ich bin mir sicher, geschickte christliche Theologen können sich diese offensichtliche Diskrepanz trotzdem irgendwie zurechtbiegen). Nicht zuletzt weil man hier das Gefühl hat, es mit zwei völlig verschiedenen Göttern zu tun zu haben, wurde unter den frühen Christen ernsthaft diskutiert, das Alte Testament ganz oder zumindest größtenteils aus der Bibel zu schmeißen (eine Idee, dich ich befürwortet hätte).
- Gott ist zwar einerseits über das "lasterhafte" Begehren der Einwohner Sodoms erzürnt (nicht zufällig wurde Homosexualität lange Zeit auch als "Sodomie" bezeichnet), rettet dann aber andererseits ausgerechnet jenen Sodomiter vor der Vernichtung, der seine Töchter einem geilen Mob anbot - und das bloß um paar Fremde zu schützen, die er gerade erst kennengelernt hatte. Sicher, es sind "Engel" und das Gastrecht war dazumal von sehr großer Bedeutung, ja geradezu heilig. Trotzdem, grau ist alle Theorie; und was ist das in der Realität für ein Vater, der so eine Grauslichkeit auch nur erwägt?! Diese Attitüde zieht sich freilich durch das ganze Alte Testament. Abraham, der Onkel Lots, hätte ja laut einer berüchtigten Story, die mich schon als Kind verstört hat, sogar seinen eigenen Sohn geopfert (abgestochen), sofern Gott darauf bestanden hätte. Es ist unübersehbar: Mit solchen Geschichten wollte man dem Rezipienten absoluten Gehorsam und totales Vertrauen gegenüber Gott einimpfen. Der ideale Gläubige soll sozusagen wie ein gefügiger, von absolutem Untertanengeist beseelter Roboter agieren. Und weil Gott natürlich nie zu ihm persönlich spricht, um ihm Befehle zu erteilen, ist er auf selbsternannte Vermittler angewiesen, die sozusagen das Befehlen übernehmen: Die Priester. Das haben sich genau diese Herrschaften offensichtlich schön zum eigenen Vorteil ausgedacht...
- Lots Töchter haben nichts besseres zu tun, als sich für ihre Rettung bei Gott erkenntlich zu zeigen, indem sie ihren Vater besteigen und sich damit unzweifelhaft versündigen; denn Inzest war auch in der Antike kein sozial akzeptables Verhalten (wenn man von Ausnahmen wie den ägyptischen Pharaonen absieht). Natürlich taten die beiden Töchter das aus total selbstlosen Beweggründen, nicht etwa weil sie notgeil/Lot-geil waren😉. Obwohl also ihr Handeln auf einem Irrtum beruht haben soll, stellte Gott diesen nicht richtig; seltsam, ist er doch laut Bibel ansonsten immer so gerne in Träumen erschienen, um den Menschen etwas zu offenbaren. Dass außerdem Lot von dem Geschlechtsverkehr mit seinen Töchtern rein gar nichts mitbekommen haben soll - wie wenn er mit KO-Tropfen betäubt wurde (laut Buch "Genesis" hat man ihn lediglich besoffen gemacht) - ist selbst für Bibel-Verhältnisse komplett unglaubwürdig. Ich bin mir sicher, dass schon vor über 2000 Jahren manch Leser im Angesicht dieser hanebüchenen Erzählung in sich hineingelacht oder gar zotige Witze gerissen hat.
- Lot und seine Töchter hätten - wenn man ihre Moral betrachtet - eigentlich mit den Einwohnern Sodoms in ein Häufchen Asche verwandelt werden müssen ^^. Heutige Wissenschaftler meinen übrigens, dass die in der Bibel (Buch "Genesis") bzw. bei Josephus geschilderte Zerstörung von Sodom (und Gomorrha) eine Art Wiederhall auf ein tatsächliches Ereignis gewesen sein könnte; nämlich auf einen massiven Meteoriteneinschlag in der Region (vielleicht ähnlich dem in Tunguska), der noch im kollektiven Gedächtnis der Menschen vorhanden war, als der biblische Text im 1. Jahrtausend vor Christus verfasst worden ist. Andere Forscher glauben hingegen, die Story rühre von einem Mega-Vulkanausbruch her und wäre schon recht früh mit Einwanderern nach Palästina gelangt.
Inzest hat Tradition in der Bibel. Die Kinder von Adam und Eva mussten es ja auch miteinander treiben. Gab ja sonst niemanden ;o)
AntwortenLöschenC3PO
Man könnte demnach sagen, Lots Töchter waren lediglich sehr traditionsverbunden ;)
LöschenToll trieben es die alten Bibelleut!
AntwortenLöschenInteressanter und unterhaltsamer Text, darauf muss ich mal unseren Pfarrer ansprechen 😄
Marcus
Unbedingt!
Löschenlol
Wenn ich mich richtig erinnere gibt es im AT auch Onkel-Nichten-Beziehungen.
AntwortenLöschenIm Alten Testament bzw. im Pentateuch gibts sogar Engel-Erdenfrauen-Beziehungen (übrigens ein sehr beliebtes Thema in Präastronautiker-Kreisen, bei denen die Engel als Aliens interpretiert werden....). Der Fantasie waren beim Schreiben der Texte kaum Grenzen gesetzt, wie es aussieht.
LöschenFragt sich, wer die blühendere Fantasie hat: Die Bibelautoren oder die Däniken-Jünger.
LöschenIch habe es immer so interpretiert, dass der/ die Verfasser die Moabiter und Ammaniter nicht leiden konnte und denen "eine reinwürgen" wollte...
AntwortenLöschenDas könnte natürlich sein!
LöschenGibts innerhalb des Judentums Gründe für diesen subtilen Stich in den Rücken von Moabitern und Ammanitern??
LöschenMarcus
>>Krawallschreiber<< ist eine perfekte Bezeichnung für diese Sorte Journalist! Wenn jemand >>fantasiert<<, dann er selbst. Für das Verbreiten solcher rufschädigenden Vorwürfe, ohne sie zu belegen, würde ich sowohl den Buchautor wie auch den Journalisten in Grund und Boden klagen. Andererseits über Ashley Bidens mutmaßliches Tagebuch schreiben sie nichts, trotz sehr guter Beweislage und der Möglichkeit, das Geschriebene graphologisch zu verifizieren... LG Trilion
AntwortenLöschenNaja, wen man schon die Hunter-Biden-Laptop-Story totgeschwiegen hat, dann das besagte Tagebuch mit noch brisanterem Inhalt natürlich erst recht.
LöschenEin launiger Text, den ich mit Interesse gelesen habe. 😀
AntwortenLöschenVor zwei Jahrzehnten habe ich Psychologie studiert (mit BA als Abschluss), mehr aus jugendlicher Desorientiertheit, weniger aus echtem Interesse. Was ich damals aber gelernt und mir bis heute gemerkt habe: Die menschliche Sexualität ist ein tiefer, dunkler Abgrund. Darüber offen zu sprechen trauf sich kaum jemand. Zu viele Tabus verhindern das.
Darios