Freitag, 13. Oktober 2023

📖 Buch-Rezension: Altägyptische Zaubersprüche


Einem Menschen ganz offen oder im Verborgenen etwas zu wünschen - sei es nun gut oder schlecht - kommt selbst heute, in unserer angeblich "modernen" Gesellschaft, noch sehr häufig vor. Man könnte daher sagen, unsere zunehmende Abkehr von den Religionen ➤geht nicht so recht mit einer grundsätzlichen Abkehr vom Glauben an Übernatürliches einher (😄).  
In vormodernen Gesellschaften war und ist der Glaube an solche Kräfte freilich noch wesentlich stärker ausgeprägt. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist das alte Ägypten mit seiner Vielzahl an Göttern und Dämonen, die sich den damaligen Menschen offenbar geradezu anboten, um mittels Opferhandlungen, Gebeten sowie nicht zuletzt magischen Ritualen instrumentalisiert zu werden - wobei im letzteren Fall die Übergänge zur Heilkunde und zur ganz normalen Religion fließend sein konnten. Genau um solche magischen Manipulationsversuche höherer Mächte geht es primär im vorliegenden Büchlein, in dem diesbezüglich für den Leser eine gut strukturierte und passable Auswahl getroffen wurde. Die Beispiele umfassen Liebeszauber, Schaden- und Vernichtungszauber, das Herbeiführen von Gotteserscheinungen, Zauber zwecks Schutz vor gefährlichen Tieren usw. Hier beispielsweise eine eher praktische, und weniger magisch anmutende Maßnahme - und zwar um ein Haus vor Flöhen zu schützen:

62) Du sollst es (regemäßig) besprengen mit einer Natronlösung, bis (sie) sich entfernen.

Die alten Ägypter hatten allerdings noch ganz andere Dinge in petto, wie das folgende Ritual zeigt (von mir nur auszugsweise wiedergegeben):

96) [Eine] Weise, einen Dieb zu finden.
Du beschaffst dir einen Kopf eines Ertrunkenen, trägst ihn zum Feld, vergräbst ihn und säst Flachssamen darauf, bis du Flachs ernten kannst; und du erntest über ihm (dem Kopf), wenn er (der Flachs) sich alleine heraushebt, und bringst den Flachs ins Dorf; und du wäscht den besagten Kopf in Milch, hüllst ihn ein und bringst ihn, wohin du möchtest. Wenn du einen Dieb finden willst, nimmst du einen Faden von Flachs; du besprichst ihn mit folgenden Sprüchen und sagst die Namen aller möglicher Menschen, einen nach dem anderen, machst (dabei) einen Knoten und ziehst ihn (jedesmal) zu. (Wenn) er es ist, der gestohlen hat, so spricht er, während du den Knoten schlingst. 
Die Sprüche, die du sagen sollst. Rezitation: Mein ist die Sache des Chou, mein ist die Sache des Geb, [...].

Man hat hier den starken Verdacht, dass der Erfinder dieses komplizierten Brimboriums ganz genau gewusst hat, dass es alleine schon aufgrund der Schwierigkeit, an den Kopf eines Ertrunkenen (!) zu gelangen, sowieso nie jemand durchführen wird und deshalb auch kein Mensch jemals bemerkt, das alles nur Humbug ist. 😁

Im vorbildlichen und umfangreichen wissenschaftlichen Anhang des Buchs, findet der Leser zu allen enthaltenen Beispielen, die durchnummeriert sind, nützliche Zusatzinformationen; zuvörderst natürlich die jeweilige Quelle.
Die übersetzten Texte sind prinzipiell allgemein verständlich, allerdings je nach ihrer Natur lesen sie sich unterschiedlich angenehm (die beiden obigen Beispiele zählen zu den leichtgängigeren Texten). 
Ein wenig zu schlaudeutsch formuliert will mir die relativ umfangreiche Einleitung erscheinen (Bsp.: "infiniter, passivischer Verbalformen"). Hier hätte der dafür verantwortliche Ägyptologe - Hans-W. Fischer-Elfert - ruhig einen Gang zurückschalten können. Ist das Buch doch wohl kaum in erster Linie für ein wissenschaftliches Publikum gedacht. 
Abschließend eine Anmerkung zum eigentlich hübschen Cover: Auf dem hat man der Optik wegen mit voller Absicht auf die deutsche Rechtschreibung gepfiffen und den Bindestrich beim Titel weggelassen. So etwas muss wirklich nicht sein - und in der Erstausgabe des Buchs aus dem Jahr 2005 war das auch noch nicht der Fall.

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