Freitag, 1. Oktober 2021

😃 Witziges (und Informatives) aus der Antike: Darüber haben schon die Caesaren gelacht!



Schriftliche Überlieferungen aus der Antike stehen nicht ganz grundlos in dem Ruf so staubtrocken zu sein wie der aus Afrika importierte Sand für die Pferderennbahn des Circus Maximus. Und doch findet man in alten Texten manch humorvolle Passage, die uns heute noch zum Schmunzeln oder gar zum Lachen bringt. Im Folgenden habe ich einige Beispiele herausgesucht, die mir besonders gut gefallen. 


Eine Gebiss-Ruine 

Vor ca zwei Jahren beleuchtete ich in einem Blogbeitrag die z.T. relativ fortschrittliche antike Zahnhygiene. Freilich, selbst die besten zahnhygienischen Methoden helfen nichts, wenn man sie nicht frühzeitig anwendet...

Wenn ich mich recht entsinne, Aelia, hattest du einst vier Zähne.
Zwei stieß ein Husten aus, dann weit're zwei Husten zwei. 
Schon kannst sorglos du an allen Tagen nun husten,
nichts mehr kann anrichten dort Husten Numero drei.  
Martial, Epigramme 1,19


Geplagte Ehemänner

Schon in der Antike hatte man es als Ehemann (oder Ehefrau) nicht immer leicht. Da muss man nur den Philosophen Sokrates fragen, der mit der ständig nörgelnden Xanthippe gestraft war. König Agamemnon wurde von seiner Frau Klytaimnestra sogar um die Ecke gebracht. Obschon letzterer Fall nur Teil eines Mythos ist, so werden auch in manch echter Ehe ordentlich die Funken geflogen sein. Wurden diese Verbindungen doch meist aus finanziellen oder anderen unromantischen Gründen arrangiert. Auch der oft relativ hohe Altersunterschied zwischen Bräutigam und Braut dürfte nicht dazu beigetragen haben, das sich immer eine besonders glückliche Partnerschaft entwickeln konnte (griechische und römische Mädchen heirateten in einem Alter zwischen 12 und 16 Jahren - ausgenommen die Spartanerinnen, die wohl meist 'erst' ab 18 vermählt wurden; die Ehemänner auf der anderen Seite dürften im Schnitt 10 bis 15 Jahre älter als ihre Frauen gewesen sein). 
Bei dieser eher ungünstigen Gemengelage kann davon ausgegangen werden, dass dazumal über unglückliche Ehen reichlich getratscht wurde. Es verwundert daher auch nicht, dass Philogelos dieses Thema in seiner bekannten Witzesammlung gleich mehrfach verwendet hat. Hier drei schöne Beispiele.

Um ihn zu ärgern, sagte jemand zu einem Witzbold: "Ich habe deine Frau umsonst gehabt." Der antwortete nur: "Ich bin freilich gezwungen, dieses Übel zu ertragen - aber du? Wer zwingt dich?"
Philogelos, Antike Witze, Nr. 263

Ein Frauenfeind stellt sich auf den Marktplatz und sagt: "Ich verkaufe meine Frau unverzollt." Als sich Passanten nach dem Grund dafür erkundigen, antwortet er: "Damit sie beschlagnahmt wird."
Philogelos, Antike Witze, Nr. 246

Ein Frauenhasser bestattete seine Frau. Als jemand fragte: "Wer hat da ausgelitten?", antwortete er: "Ich, der Witwer!"
Philogelos, Antike Witze, Nr. 247


Vorsicht ist die Mutter der Weinkiste

Diebische oder verschlagene Sklaven begegnen uns in antiken Theaterstücken immer wieder. Philogelos greift auch diesen 'Topos' in seiner Witzesammlung auf.

Ein Scholastikos besaß ein Fässchen kostbaren Aminaia-Wein und versiegelte es. Sein Sklave aber bohrte unten ein Loch hinein und nahm sich ab und zu Wein. Der Scholastikos wunderte sich, dass der Wein immer weniger wurde, obwohl das Sigel unversehrt war. Ein anderer sagte zu ihm: "Schau mal nach, ob nicht unten angezapft worden ist." "Dummkopf", entgegnete der Scholastikos, "nicht unten fehlt ein Teil, sondern oben!"
Philogelos, Antike Witze, Nr. 254

Ein guter Witz! Aber gleichzeitig ein etwas verwirrender. Denn wie konnte der Scholastikos (Lehrer) feststellen, dass der Wein im Fass (mitunter auch als 'Krug' aus dem Griechischen übersetzt) weniger wurde, wenn es doch aufgrund des Sigels nicht möglich war, einen Blick hineinzuwerfen? Oder hat der gute Mann das Gefäß womöglich immer wieder neu versiegelt (üblicherweise wurden - zumindest Amphoren - in der Antike mit Pech oder Gips verschlossen)? War diese Vorsichtsmaßnahme dazumal möglicherweise eine gängige Praxis, um es dem trunksüchtigen Personal oder dem ähnlich gearteten Nachwuchs möglichst schwer zu machen, sich am teuren Rebensaft zu vergreifen? Möglicherweise, denn wohl nicht ganz zufällig schreibt der römische Komödiendichter Plautus von Sklaven, die sich im Weinkeller ihres Herren gehörig die Kante geben. Die Versuchung war wohl groß, bekamen doch Sklaven mitunter nur minderwertige Nachpressungen der Trauben - sogenannten Trester - zu trinken. Außerdem war der Weinkonsum, zumindest in der Zeit der Römischen Republik, Frauen (theoretisch) untersagt, da man diesen Maßlosigkeit attestierte (kurioserweise war damals ausgerechnet der angeblich so sittenstränge Cato der Ältere - der als Censor eine Zeit lang das Benehmen (auch der weiblichen) Römer bewertete und überwachte - als Schluckspecht stadtbekannt). Auch Ehefrauen hätten demnach ein Motiv gehabt, in Abwesenheit des Mannes dem hauseigenen Weinkeller einen Besuch abzustatten ...
Apropos Wein: Er dürfte in der Antike relativ häufig nicht nur mir Kräutern und Gewürzen, sondern auch mit zum Teil sehr kräftigen Drogen angereichert worden sein - wie der Forscher und Autor Brian Muraresku erläutert: Video


Alles Diebe

Vom angeblich in einem tönernen Faß (dolium) hausenden Kyniker Diogenes von Sinope ist uns mancherlei Humorvolles überliefert; man denke etwa nur an seine berühmte Begegnung mit Alexander dem Großen. Gleichzeitig regen die Anekdoten rund um Diogenes - deren Wahrheitsgehalt heute nicht mehr feststellbar ist - auch immer zu einem tieferen Nachdenken an. Was freilich nur folgerichtig ist, schließlich haben wir es hier mit einem waschechten Philosophen zu tun.

Als Diogenes einmal sah, wie einige hohe Priester einen Mann abführten, der eine Schale aus dem Tempelschatz gestohlen hatte, kommentierte er: Die großen Diebe führen den kleinen ab.
Ebd. 6,45

Das erinnert ein wenig an Berthold Brechts Frage: "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"


Wer kennt es nicht?

Aus meiner Sicht darf man daran zweifeln, dass die folgende Episode - in der wieder Diogenes im Mittelpunkt steht - sich tatsächlich so zugetragen hat. Immerhin ist sie witzig. Und wer kann außerdem nicht die eine oder andere Person aus z.B. Wirtschaft oder Politik nennen, mit der er insgeheim gerne ähnlich verfahren würde? 😉

Diogenes besuchte einen reichen Mann in dessen prächtiger Villa. Der Hausherr bat ihn, in seinem luxuriösen Haus nicht zu spucken. Diogenes räusperte sich kurz und schleuderte dann seinem Gegenüber eine ganze Ladung Speichel ins Gesicht. "Einen passenderen Ort habe ich hier nicht gefunden", meinte er.
Ebd. 6,32


Spott, Kritik und Ansichtssache

In unserem postaufgeklärten Zeitalter gehen die meinungsprägenden Kreise (Unis, Massenmedien, politische Parteien, Silicon Valley) immer stärker dazu über, das Verspotten von religiösen Vorstellungen per se als pfui zu Brandmarken. Dahinter steckt die Angst vor den überdurchschnittlich rabiaten und mittlerweile auch im sogenannten "Westen" zahlreich präsenten Anhängern einer bestimmten Religion. Weil nun aber unsere Zensoren und Benimm-Linienrichter insgeheim wissen, dass ihr Verhalten nichts anderes als ein erbärmlicher Kotau sowie einen Verrat an den schwer erkämpften Errungenschaften der Aufklärung ist, verkaufen sie ihr Gebaren der Öffentlichkeit kurzerhand als Tugend. "1984" und "Newspeak" lassen grüßen. 
Doch wie war die Situation in der Antike? Durfte man sich dazumal über religiöse Vorstellungen lustig machen? Ja. Hier zwei Beispiele.

Der im späten 5. Jahrhundert vor Christus lebende Diagoras von Melos galt als geradezu hartgesottener Atheist. Eines Tages wies in ein Freund auf Votivtafeln geretteter Schiffbrüchiger hin und fragte ihn: "Wie kannst du angesichts dieser Indizien daran zweifeln dass es Götter gibt, die diese Menschen aus höchster Seenot wohlbehalten in den Hafen zurückgebracht haben?"
Diagoras nahm nur einen Perspektivwechsel vor: "Was ist mit denen", fragte er seinen Kritiker, "die hier auf keinen Weihgaben abgebildet sind, weil sie Schiffbruch erlitten und im Meer ertrunken sind?"
Cicero, De natura deorum 4,89

Als der Philosoph Antisthenes in die orphischen Mysterien eingeführt wurde, die ihren Anhängern im Unterschied zur Staatsreligion ein Weiterleben nach dem Tod versprachen, stellte ihm der Priester mit überschwänglichen Worten die Annehmlichkeiten und Wonnen vor Augen, die ihn in der Unterwelt erwarten.
"Und warum stirbst du dann nicht?", erwiderte der Philosoph mit skeptischer Ironie.
Diogenes Laertios, Leben und Meinungen berühmter Philosophen 6.2

Auch in der Antike war das Verspotten bzw. Bloßstellen von Religionen und damit verknüpften Werten nicht immer risikofrei, man denke etwa an den finalen Prozess gegen Sokrates. Insgesamt gewinnt man jedoch den Eindruck, dass die Situation spätestens seit dem Hellenismus liberaler gewesen ist (siehe dieses Beispiel mit Jesus als Esel). Überhaupt war es um die Gedanken- und Redefreiheit dazumal unterm Strich besser bestellt als heute. Was durchaus beredt ist.
Beim Kritisieren herrschender Monarchen (und ihren Familien) musste man allerdings erhöhte Vorsicht walten lassen. Wobei couragierte Kritiker sich anscheinend auch von diesem 'Mienenfeld' nicht abschrecken ließen - sofern wir den mitunter recht skurrilen Überlieferungen immer vollständig glauben wollen...

Der Tyrann Dionys von Syrakus las einmal Auszüge aus eigenen Tragödien vor. Die Tafelrunde klatschte pflichtschuldig Beifall, nur der Dichter Philoxenos rührte keine Hand. "Wie gefallen dir meine Verse?", fragte Dionys ihn deshalb direkt. Er erhielt eine ehrliche Antwort: "Überhaupt nicht." Solch Freimut schien dem Tyrannen dann doch als strafwürdige Majestätsbeleidigung. Er verurteilte den Dichter für eine Zeit lang zu Schwerstarbeit in den Steinbrüchen. 
Einige Monate später wurde Philoxenos begnadigt. Er wurde sogar wieder zu den Abendgesellschaften im Palast eingeladen. Bei einer dieser Gelegenheiten trug Dionys wieder einmal eine seiner eigenen Dichtungen vor. Philoxenos hörte eine Weile zum stand dann auf und wandte sich zur Tür. "Wohin gehst du?", rief Dionys ihm nach. "Zurück in die Steinbrüche", erhielt er zur Antwort.
Stobaios, Anthologium 3,13,31


Who's your daddy?

Der römische Politiker Marcus Tullius Cicero war bekannt für seine scharfe Zunge und gilt bis heute als einer der größten Rhetoriker der Geschichte. Deshalb ist es sicher angemessen, ihm hier das Schlusswort zu überlassen.

Metellus Nepos hörte nicht auf, den aufsteigenden Cicero mit der Frage zu löchern, wer denn eigentlich sein Vater sei. Endlich riss Cicero der Geduldsfaden, und konterte, auf den lockeren Lebenswandel der Mutter des Metellus anspielend: "Was dich angeht, so hat deine Mutter die Beantwortung dieser Frage für dich ausgesprochen schwierig gemacht!"
Plutarch, Moralis 205 A

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Quelle der zitierten Witze und Anekdoten: 

Weiterführende Literatur / Buch-Tipps:

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2 Kommentare:

  1. Dem 1. Cäsar ist spätestens an den Iden des März das Lachen vergangen! ;-)
    Obwohl es schon eine ziemliche Ironie war, dass er ausgerechnet zu Füßen eines Standbildes seines großen Gegenspielers Pompeius abgemurkst worden ist.

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    1. Mehr noch, es hat sich sogar im Theaterkomplex des Pompeius zugetragen. Als ob die Ereignisse damals die Rache des alten Haudegens an Caesar waren. Man könnte es aber auch einfach Karma nennen ;)

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