Zahnheilkunde war bereits im bronzezeitlichen Ăgypten nicht unbekannt und gehörte wohl zum Repertoire der damaligen Allgemeinmediziner. Das gilt auch fĂŒr die Antike, wobei sich in den ĂŒberlieferten Quellen - z.B. bei Martial (Epigramme X 56, 3) - vereinzelte auch Hinweise auf ZahnĂ€rzte finden. Möglicherweise waren es genau diese Spezialisten, die Zahnkronen - Ă€hnlich der oben abgebildeten - anfertigten. Kopiert haben die Römer diese Technik von den benachbarten Etruskern, die sie bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. beherrschten. Solche goldenen Zahnkronen sind nicht nur anhand archĂ€ologischer Untersuchungen belegt, sondern finden sogar im berĂŒhmten römischen Zwölftafelgesetz ErwĂ€hnung, das in der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. verfasst wurde. Zwar verbot man darin goldene Grabbeigaben, ĂŒbte aber bei Zahnprothesen auch Nachsicht.
Und er soll kein Gold beigeben, auch wenn jemandem die ZĂ€hne mit Gold befestigt sind. LĂ€sst man ihn aber mit diesem Gold begraben oder verbrennen, soll dies ohne Nachteil sein. (tab X 8)
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Freilich, wer die ZĂ€hne regelmĂ€Ăig reinigte, kam mit etwas GlĂŒck gar nicht erst in die Situation, eine Zahnkrone verwenden zu mĂŒssen. Und in der Tat hatte der durchschnittliche Römer laut archĂ€ologischen Befunden deutlich geringere Karies-Probleme als der moderne Mensch. Der Hauptgrund hierfĂŒr: Es gab den heute massenhaft verarbeiteten Kristallzucker noch nicht.
Doch wie sah die römische Zahnhygiene konkret aus? Einerseits scheinen einfache Mittel wie das AusspĂŒlen des Mundes allgemein verbreitet gewesen zu sein (Ovid, Ars amatoria III, 197); und das nicht nur mit Wasser, sondern laut dem Dichter Catull auch mit Eigenurin (39, 17). Um besonders widerborstige Essensreste zu entfernen, wurden Zahnstocher verwendet, die wohl hĂ€ufig aus Mastixholz gefertigt waren (Martial, Epigramme XIV 22, 1), aber auch aus Edelmetall:
Er (der neureiche Trimalchio) stocherte sich die ZĂ€hne mit einem silbernen Zahnstocher. (Petron, Satyricon 33)
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Daneben gab es verschieden Arten von Zahnpulver (dentifricium), die hauptsĂ€chlich auf Natron beruhten, teilweise mit Duftstoffen der Narde versetzt waren und auf den ZĂ€hnen verrieben wurden. Plinius der Ăltere ĂŒberlieferte entsprechende Rezepturen (Naturalis historia XXVIII 178-182).
Besonders interessante Zahnpulver beschreibt der fĂŒr antike VerhĂ€ltnisse sehr gut ausgebildete Arzt Scribonius Largus. Mitunter reinigen sie die ZĂ€hne nicht nur oberflĂ€chlich, sondern bleichen sie auch ein wenig.
Ein Zahnpulver, das die ZĂ€hne glĂ€nzend macht und sie festigt: 1 Krug Gerstenmehl muss man mit Essig besprengen, der mit Honig vermischt ist lĂ€ngere Zeit durchkneten und dann in 6 KĂŒgelchen teilen; nachdem man diese ausgerollt hat, muss man 1/2 Unze Steinsalz beimischen und sie dann in einem Backofen dörren, bis sie sich in Kohle verwandeln. Dann wird man diese KĂŒgelchen zerreiben und ihnen so viel NardenblĂŒte beimengen mĂŒssen, wie zur Erzeugung von Wohlgeruch genĂŒgt. Dieses Mittel hat Octavia, die Schwester des Augustus, verwendet. (Scribonius Largus, Compositiones, 59)
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Bei Zahnschmerzen und zur Festigung der ZĂ€hne wirkt Rettichschale, in der sonne gedörrt, zerstoĂe und geseiht, ebenso helles, kristallĂ€hnliches Glas, nachdem es sorgfĂ€ltig verrieben und ihm NardenblĂŒte beigemischt worden ist.
Sehr viele verwenden auch Zahnpulver folgender Art: Sie sammeln Glaskraut, wenn es schon im Samen steht, so viel wie möglich, mit der Wurzel. Dann waschen sie es und trocknen es an einem Tag. Am folgenden machen sie es in frischer und scharfer Salzlake mĂŒrbe. Am dritten Tag drĂŒcken sie es aus und setzen es in einem neuen Topf auf, unmittelbar darauf geben sie gleichsam tafelförmiges Steinsalz hinzu und kochen es in einem Badofen durch, bis es in Kohle verwandelt ist. Dannachen setzen sie ein Drittel genĂŒgend zerriebene NardenblĂŒte zu. Dadurch, dass dieses Mittel einerseits die ZĂ€hne glĂ€nzend macht, festigt es sie andererseits auch. Es steht fest, dass Augusta dieses Mittel benutzt hat.
Messalina, die Gemahlin unseres Gottes, des Kaisers (Claudius), gebrauchte folgendes Mittel: 1 Krug in einem neuen Topf gebranntes und in Asche verwandeltes Hirschhorn, 1 Unze (= ca 27,5 g) chiisches Mastixbaumharz und 1 1/2 Unzen Ammoniacum-Salz ("Ammoniacum" bezieht sich auf eine in der Àgyptischen Ammon-Oase wachsende, harzig tropfende Pflanze). (Scribonius Largus, Compositiones, 60)
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Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass diese Rezepturen - zumindest teilweise - recht wirksam sind. Nachmachen trotzdem auf eigene Gefahr! đ
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Quellen (Auswahl):
- Scribonius Largus | Compositiones / Der Gute Arzt | Marix Verlag | 2018 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
- Karl-Wilhelm Weeber | Alltag im Alten Rom - Das Landleben | Patmos / Primus | 2000/2012 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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Hallo lieber Hiltibold, danke fĂŒr das Publizieren diese hochinteressanten Rezepturen!
AntwortenLöschenNichts zu danken!
LöschenSehr interessante Rezepturen! Das Nachmachen scheitert im Alltag wahrscheinlich schon daran, dass es nicht so einfach sein wird, alle Zutaten aufzutreiben! ;-)
AntwortenLöschenLG
Calendula
Wohl wahr!
LöschenDie Zutaten fĂŒr den Zaubertrank von Miraculix dĂŒrfte man leichter zusammenbekommen ;)
Oder mit diesem Produkt:
AntwortenLöschenhttps://amzn.to/2V5VcMy
Mund ausspĂŒlen ist bei uns scheinbar in Vergessenheit geraten. Wie Zahn- und Mundhygiene ĂŒberhaupt. Mir kommen Leute unter die stinken wie eine Pizzaschachtel und haben faule ZĂ€hne, keine Ahnung vom Zahnputzen, Zungenbelag wie der Böse... wir hatten in der Volksschule Unterricht in Zahnpflege, vieles ist hĂ€ngengeblieben. Das selbe Problem mit HĂ€ndewaschen und Duschen.
AntwortenLöschenDas kenne ich. Besonders gerne mag ich jene Zeitgenossen, deren Mund schon am frĂŒhen Morgen nach einer Mischung aus Zigarettenrauch, Kaffee und dem jeweiligen FrĂŒhstĂŒck riecht.
LöschenDas Maà der Hygiene ist auch ein Aspekt des Kulturkreises, aus dem man stammt.