Mittwoch, 19. Juni 2024

📖 Zeitschrift Bayerische Archäologie - Heft 2.24: Orte des NS-Terrors im Fokus der Archäologie (nichts für mich!)

Der Heftschwerpunkt und meine Kritik daran

Eigentlich wollte ich diese Ausgabe der Reihe "Bayerische Archäologie" überhaupt nicht besprechen. Weil nämlich der NS-Staat kaum zum Blog passt und ich von dem Thema tendenziell miese Laune bekomme. Hinzu kommt, dass die Archäologie der Moderne, in deren Zuständigkeitsbereich das Dritte Reich fällt, meiner Ansicht nach überwiegend nichts anderes als das Verbrennen von ohnehin nur extrem dünn gesäten Archäologie-Ressourcen darstellt. Teilweise habe ich meine Kritik bereits am Ende der Rezension des Vorgängerhefts dargelegt. Interessanterweise wirkt nun das Vorwort im aktuellen Heft phasenweise wie eine Replik auf diese Kritik. Hat der Herausgeber Roland Gschlößl vielleicht meine Rezension gelesen? Oder ist das nur Zufall? Man weiß es nicht. Umgestimmt haben mich die einschlägigen Beiträge über die "Orte des NS-Terrors" jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil. Der Forschungsaufwand rechtfertigt offensichtlich nicht die Ergebnisse. Die bestehen nämlich vor allem aus vergleichsweisen Banalitäten; will heißen, diese Art Funde und Befunde bringen im Rahmen einer bestens dokumentierten Epoche viel zu selten einen signifikanten bzw. lohnenden Erkenntnisgewinn. Was interessieren mich etwa die zentimetergenaue Lage der Desinfektionsbaracke im KZ-Dachau (wo übrigens meine Großtante eingesessen ist, weil sie ein Pantscherl mit einem auf dem elterlichen Bauernhof eingesetzten polnischen Zwangsarbeiter hatte)? Und welchen wissenschaftlichen Wert haben die in einem Kriegsgefangenenlager ausgebuddelten Zahnpastatuben? Für so einen Unfug Geld rauszuschmeißen ist in Zeiten wie diesen schlicht und ergreifend blödsinnig bzw. ein Schlag ins Gesicht des auch so schon schwer ausgequetschten Steuerzahlers. Gleichzeitig werden Funde aus älteren, vergleichsweise schlecht erforschten Zeitabschnitten durch Baumaßnahmen, extensive Landwirtschaft und Bioturbation unwiederbringlich für die Forschung vernichtet, weil es am nötigen Geld für großflächige archäologische Maßnahmen mangelt (dass hingegen der Boden ein ganz toller Konservator sei, wie manch Archäologe gerne behauptet, ist ein geradezu atemberaubender Schwachsinn; wer dergleichen als Wissenschaftler ernsthaft postuliert, sollte sofort seinen Archäologie-Doktor oder -Master abgeben, weil offensichtlich ist er inkompetent zur x-ten Potenz).
Und während die oft mit Staatsknete finanzierte Archäologie betont interessiert im Schutt der Hitler-Jahre wühlt (dafür gibt es schließlich soziale Bonuspunkte), drückt der staatliche Denkmalschutz immer und immer wieder beide Augen zu, wenn es um das Abreißen von Bauwerken auch aus dieser Zeit geht. So viel 'Schizophrenie' muss man als dafür verantwortlicher Politdepp erst einmal zustande bringen!

Weiter gehe ich hier nicht auf den Schwerpunk dieses Hefts ein, sondern werfe viel lieber einen kurzen Blick auf einige der anderen Themen.


So geht Denkmalschutz: Wegschauen bis es rumst! 

Was ist ein "Jurahaus"? Die "Bude" einer Studentenverbindung im Umfeld einer juristischen Fakultät? Oder die Behausung von Sauriern im gleichnamigen Erdzeitalter? Alles falsch! Es handelt sich dabei um eine Gattung von historischen Häusern, die man in der bayerischen Altmühlregion finden kann.
In der Rubrik "Gefährdete Häuser" wird nun berichtet, dass eines dieser Gebäude, ein dreigeschossiges Herrenhaus aus dem 17./18. Jahrhundert, eingestürzt ist. Trotz intensiver Bemühungen von Bürgern und dem Jurahaus-Verein ließ der Besitzer - in einer Quasi-Komplizenschaft mit wieder einmal untätigen Denkmalschutzbehörden - das stattliche Haus seit Jahrzehnten verfallen, bis es nicht mehr zu retten war.

Tja, Denkmalschutz gibt es eben nicht zum Nulltarif. Aber es ist ja teilweise wohlbekannt, in welche famosen Projekte in Bayern bzw. Deutschland das Steuergeld stattdessen reingeschaufelt wird. Die oben genannte "Archäologie der Moderne" ist dabei zwar ein ärgerliches, aber hinsichtlich ihres finanziellen Volumens doch noch ein vergleichsweise harmloses Beispiel. 
Gleichzeitig setzt sich - wie ein Beitrag im vorliegenden Heft dokumentiert - der dafür in Bayern hauptverantwortliche Politiker bei der Wiedereröffnung der Archäologischen Staatssammlung in München dämlich grinsend als großer Freund der Geschichte in Szene. Man möchte diesen heuchlerischen Poser dafür am liebsten mit einem nassen Fetzen davonjagen. Und jene aus der staatlichen Denkmalpflege gleich mit, die sich als Staffage für so eine Show zur Verfügung stellen, anstatt lauthals im Sinne ihres beruflichen Tätigkeitsbereichs zu protestieren. Aber diese konformen Hofschranzen haben eben schlussendlich auch nur ihr eigenes finanzielles Auskommen im Sinn, das vom Staat bzw. der Gunst seiner intellektuell viertklassigen Parteipolitikern abhängt. Da lautet deshalb wieder einmal die Devise: Hände falten, Goschen halten!


Termin-Unsinn, aber Genderesternchen!

Die in der Heftmitte abgedruckten Mitteilungen der Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V. bieten wieder einmal gute Unterhaltung. Da wird eine Exkursion zum berühmten Tassilokelch angekündigt, der gerade in Bayern weilt (statt wie üblicherweise in Österreich). Anmeldeschluss dafür sei der 31.05.2024. Nun muss man wissen, dass - laut Amazon - das vorliegende Heft am 29. Mai erschienen ist, also nur zwei Tage davor. Ich habe es überhaupt - wie sicher etliche andere - erst in der zweiten Juni-Woche vom Verlag zugeschickt bekommen. Das heißt, kaum jemand wird auf Grundlage des Heft-Hinweises rechtzeitig die Möglichkeit gefunden haben, sich für die Veranstaltung anzumelden. Was soll also dieser Unsinn? Haben die noch alle Tassilokelche im Schrank? 😉 

Und natürlich haut dieser um sein soziales Standing dauerbesorgte Anbiederungsverein dem wehrlosen Leser wieder einmal rechts und links das Gendersternchen um die Ohren: Wissenschaftler*innen, Fachwissenschaftler*innen, bla bla bla. 
All die der deutschen Rechtschreibung offenbar feindlich gesinnten Stusstexter mögen sich das depperte Sternchen meinetwegen wie einen Gamsbart an den Hut stecken, gerne aber auch woanders hin.

Apropos "Sprachstuss": Ich lese gerade den eigentlich gut gelungenen Begleitband zur noch bis zum 3. November 2024 laufenden Bayerischen Landesausstellung "Tassilo, Korbinian und der Bär - Bayern im Frühen Mittelalter" (wie "Bayerische Archäologie" im Verlag F. Pustet erschienen; meine Rezension kommt hier spätestens im Juli). Auch darin macht man zwanghaft einen auf 'Geschlechtergerechtigkeit', und zwar im Abschnitt über den oben schon erwähnten Tassilokelch. Denn der soll, nach dem Willen des für den Text verantwortlich zeichnenden Frühmittelalter-Archäologen Egon Wamers, nun "Tassilo-Liutpirc-Kelch" heißen. Weil es Herrn Wamers - und sicher auch einigen anderen Schlaubergern in seiner konformistischen Historikerblase - wohl als antifeministische Garstigkeit erscheint, dass Liutpirc (Liutberga), Herzog Tassilos langobardische Frau, nicht in der Bezeichnung vorkommt, obwohl sie namentlich neben Tassilo als Stifterin auf dem prunkvollen Kelch genannt wird (allerdings erst an zweiter Stelle). Schauen wir mal, ob sich diese ideologisch intendierte Sprachvorgabe gegenüber einer alten Namenstradition durchsetzen wird. Ich mache diesen verkomplizierenden Stuss freilich nicht mit.


Fazit

Ich halte nicht viel von einer mit Steuergeld finanzierten "Archäologie der Moderne", wurscht ob man nun nun ein KZ oder den vergrabenen Müll einer Hippie-Kommune archäologisch beackert. Sinnvoll wäre es jedenfalls gewesen, wenn man auch Kritiker dieses Treibens im Heft hätte zu Wort kommen lassen, anstatt nur 'Apologeten', die selber damit ihre Brötchen verdienen. Obwohl ich mir natürlich gut vorstellen kann, dass es eher schwierig ist, Archäologen oder Historiker zu finden, die sich dazu wirklich kritisch in aller Öffentlichkeit äußern möchten; einfach aus Angst um die eigene Karriere. Gerade das kitzlige und mannigfaltig missbrauchte NS-Thema umgibt ja die Archäologie der Moderne wie ein unsichtbarer, aber äußerst wirkungsvoller Schutzschild à la Raumschiff Enterprise. Ich bezweifle daher stark, dass die geschätzten Macher der Zeitschrift "Bayerische Archäologie" überhaupt in Erwägung gezogen haben, kritische Stimmen für einen Kommentar zu gewinnen. Da fehlts wohl an den nötigen cojones. Auch ansonsten ist das vorliegende Heft meiner Ansicht nach von nur mäßigem Interesse. Die nächste Ausgabe, in der es um Burgenarchäologie geht, verspricht wesentlich mehr.


1 Kommentar:

  1. Die Archäologie der Moderne fügt sich nahtlos in ähnlichen Schwachsinn ein, wie der Denkmalschutz für heruntergekommene Brutalismus-Bauten.

    AntwortenLöschen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.