Donnerstag, 4. Juli 2013

Warum Living History?


Warum beschäftige ich mich mit Living History? Und wieso fiel meine Wahl ausgerechnet auf das 10. Jahrhundert? Zwei Fragen, die ich hier einer kurzen Beantwortung zuführen möchte.

Zum einen habe ich mich schon immer gerne verkleidet - und bevor jemand fragt, nein, nicht als Frau ;) Zum anderen beschäftige ich mich schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit Geschichte. Was lag also näher, diese Dinge miteinander zu verbinden?
Offensichtlich sehr viel, denn erst vor ca. drei Jahren ging ich die Sache tatsächlich an. Auslöser hierfür war die Wikinger- bzw. Angelsachsenreihe von Bernard Cornwell. Dessen extrem lebendige Darstellung der englischen Wikingerkriege hatte mich schon seit Jahren fasziniert und nicht mehr losgelassen. 
Mir deshalb aber Outfit und Ausrüstung eines Angelsachsen oder Wikingers des 9. Jahrhunderts zuzulegen, kam für mich nicht in Frage, da in meinen Augen so eine Geschichtsdarstellung hier in Österreich ähnlich sinnfrei wäre wie amerikanisches Bürgerkriegs-Reenactment in der Lüneburger Heide ;)
Ein gewisser Bezug zur eigenen Heimat war deshalb Voraussetzung. Trotzdem sollte die ganze Sache - meinem persönlichen Geschmack entsprechend - im Frühmittelalter angesiedelt sein. Einer Zeit also, in der das "typische" Mittelalter - mit klar umrissenen Ständen, großen Städten und hoch aufragenden Steinburgen - bestenfalls im zaghaften Entstehen war. 
Der Grund, warum ich mich letztendlich für das 10. Jahrhundert entschied ist der, dass in jener Epoche Österreich in vielerlei Hinsicht geschichtlich erstmals greifbar wird - zumindest meinem Empfinden nach. Außerdem erscheint mir die Regierungszeit Ottos des Großen (936-973) als eine sehr spannende Epoche (Ungarn-Raubzüge, Bürgerkriege, Aufschwung in den Bereichen Kunst und Architektur,... ).

Abgeschlossen ist die Zusammenstellung meiner Ausrüstung auch nach drei Jahren noch nicht. Im Moment suche ich einen Handwerker, der gewölbte Rundschilden baut (vielleicht mag mir diesbezüglich jemand einen Tipp geben?).
Und obwohl ich, wie gesagt, mit meiner ottonischen Ausstaffierung noch gar nicht fertig bin, stecke ich eigentlich schon seit einigen Monaten in den Recherchearbeiten für mein nächstes Projekt: Einen römischen Militärtribunen (oder Präfekten), der darstellerisch entweder in der späten Republik, oder in der frühen Kaiserzeit angesiedelt sein soll. Mir erschien die reine "Mittelalter-Nummer" nämlich auf Dauer ein wenig schal; etwas Abwechslung musste her ;)
Problematisch ist jedoch, dass bei einer Römer-Darstellung die in die späte Republik fällt, der Bezug zum Gebiet des heutigen Österreichs kaum herstellbar ist. Ein Punkt, den ich bisher leider zu wenig bedacht habe. Sicher, ich könnte mir eine "Story" ausdenken und beispielsweise so tun, als ob ich irgend ein Abgesandter wäre den es nach Noricum verschlagen hat - aber so etwas wirkt doch ziemlich konstruiert; um nicht zu sagen, völlig lächerlich. Einen Angehörigen jener römischen Armee darzustellen, die 113 v. Chr. von den Kimbern und Teutonen bei Noreia gewaltig eine auf den Deckel bekommen hat, ist schon glaubhafter. Aber auch nicht in dem Maß, wie ich es mir wünschen würde. Nun gut, ich habe ja noch Zeit um darüber nachzudenken. Letztendlich bleibt mir immer noch die frühe Kaiserzeit, wenn das mit der Republik nichts werden sollte.

Vielleicht möchten die Living-History-Darsteller unter den Lesern kurz erzählen, wie sie zu ihrem Hobby gekommen sind, und wieso es ausgerechnet dieses, und nicht jenes Jahrhundert wurde, das man für die Darstellung wählte?

18 Kommentare:

  1. Also, mit Living History habe ich während meines Geschichtsstudiums begonnen - nachdem ich im Zuge eines Projekts in dieses Metier hineinschnuppern durfte. Das Studium habe ich nach 4 Semestern gewechselt, das Hobby nicht ;)

    Zitat: "Ein gewisser Bezug zur eigenen Heimat war deshalb Voraussetzung."

    Da stellt sich wie so oft die Frage, was man mit Living History eigentlich bezwecken möchte.
    Handelt es sich um einen reinen Selbstzweck, der den persönlichen Interessen entspringt? Das ist sicher ok - ich selbst betreibe dieses Hobby in erster Linie genau aus dem Grund. Andererseits, wenn man gleichzeitig seinen Mitmenschen die Geschichte der Vorfahren näherbrignen kann, dann ist das doch ein überaus positiver Nebeneffekt! Deshalb bin ich Bajuwaren-Darsteller und kein Wikinger, Spartaner oder Pirat ;-)

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    1. Ich und die Kollegen betreiben die Sache zurzeit auch eher als eine Art "Privatissimum". Veranstaltungen für das Frühmittelalter sind einfach sehr rar gesät.
      Einer der Gründe übrigens, warum ich zukünftig parallel in römischen Gewässern fischen werde. In der Hinsicht ist mehr los; vor allem punkto Qualität.
      PS: Ich hoffe das neue Studium hat größeren Anklang gefunden ;)

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    2. Ja, es großen Anklang gefunden, danke der Nachfrage.
      Jetzt muss ich es nur noch erfolgreich beenden ;-)

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  2. Servus boldiger Hilti,

    bei mir begann es als Schülerprojekt "Die Ottonenzeit", die ja immer noch lebt, wenn die Schüler auch inzwischen Master oder Doktor oder so was sind...leider ist auch keiner mehr dabei, nur noch wir "Ollen"

    warum organisiert ihr nicht mal ein Lager bei Euch im schönen Österreich, bei Logistik sind Uhl und ich bestimmt behilflich?

    bei den Ömern könnte ich als Schleuderer mitmachen, sollten wir dranbleiben, oder?

    Dein Dich immer gern lesender Isí

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    1. Servus auch!

      Also wenn wir einmal eine eigene Ottonen-Frühmittelalter-Veranstaltung auf die Beine stellen, dann wären wir dir für jede Hilfe überaus dankbar. Wir drei verfügen diesbezüglich ja über absolut keine Erfahrung. Einer von uns ist zwar gelernter Eventmanager, allerdings hat er den Beruf nie wirklich ausgeübt ;)

      Du meinst mit "Ömern" sicher die Römer, oder?
      Ich habe bei Google nämlich nur herausgefunden, das "Ömer" ein türkischer Vorname ist ;D

      Und ja, bleiben wir dran - auch was die Schleuderer betrifft!
      Vielleicht werde ich mir sogar selbst eine Schleuder bauen. So etwas wäre nämlich ein schönes Bastelprojekt für den Herbst, das ich dann auch hier im Blog behandeln könnte...

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    2. Multiperiod!!! Macht ein Muldiperiod!!!

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    3. Mach Spätantike *muahahahaha*

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  3. Hallo Hiltibold,

    seit kurzem verfolge ich deinen Blog und bin begeistert von deinen Beiträgen: einfach gestrickt, klar verständlich und hoch interessant, so muss geschichte ;)

    Zu deinem Problem mit der Darstellung eines spätrepublikanischen Militärtribunen und dem Österreichbezug:
    Sehe ich jetz nicht so problematisch. Caesar pflegte sehr enge militärische Kontakte nach Noricum; ich glaube im "De bello Gallico" (wo genau müsste ich nachschauen) wird erwähnt, dass die Noriker Caesar mit 300 Reiterkriegern (wohl die damaligen Elitekämpfer der Alpenkelten) unterstützte. Auf der anderen Seite legen die archäologischen Befunde vom Magdalensberg den Schluss nahe, dass bei der Errichtung des römisch-keltischen Handelsplatzes und bei seinem Ausbau römisches Know-How zum Einsatz kam. Man kann also durchaus davon ausgehen, dass im Sinne einer wechselseitigen militärische Unterstützung Berater des römischen Militärs, etwa für den Ausbau der Gipfelbefestigung des Magdalensberges, noch vor der Okkupation im Jahr 15. v. Chr. vor Ort waren.
    Spätestens aber mit der Okkupation Norikums im Zuge des Alpenfeldzuges unter Kaiser Augustus ist in Norikum mit römischem Militär und einer entsprechenden Verwaltung zu rechnen.
    Die Darstellung eines spätrepublikanischen bzw. frühkaiserzeitlichen Militärtribuns in Österreich ist also gar nicht abwegig

    LG
    Christoph

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    1. Hallo Christoph,
      danke für das Lob! Ich versuche in der Tat die Beiträge einfach und relativ kurz zu halten: Also keine verschachtelten Endlossätze und Fremdwortkuriositäten. Es ist eh schon schlimm genug, dass man so etwas immer wieder lesen muss. Da möchte ich es mir nicht auch noch zur Angewohnheit machen, selbst so zu schreiben ;)

      Bezüglich der norischen Reiter die in römischen Diensten kämpften, und auch sonst, hast du absolut recht.
      Ich habe eigentlich auch keine Bedenken, bezüglich der möglichen Anwesenheit von römischen Militärberatern in Noricum. Die Frage die ich mir stelle ist, wie stark deren Präsenz war. Ich möchte nämlich lieber das Typische darstellen, nicht die Ausnahme. Zur Zeit des Augustus kann ich mir allerdings gut vorstellen, dass die Präsenz römischer Militärangeehöriger in Noricum deutlich zugenommen hat.
      Mal sehen ;)

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  4. http://wh1350.at/uber-uns/warum-ich-dieses-hobby-mache/ kann ich immer noch genau so halten :-)
    Dass es gerade das 14. Jhdt war, ist eigentlich Zufall, denn darüber nachgedacht hab ich damals nicht, als mir eine Vereinskollegin davon vorschwärmte. Heute, wo ich mehr darüber weiß, bin ich aber überzeugt davon, dass es die einzig richtige Wahl war. Das 14. Jhdt mit seinen Umbrüchen, Zusammenbrüchen und Aufbrüchen ist einfach superspannend. http://wh1350.at/ueber-uns/warum-1350/

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    1. denn darüber nachgedacht hab ich damals nicht, als mir eine Vereinskollegin davon vorschwärmte

      Ich denke, das ist bei sehr vielen eine "Bauchentscheidung".

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    2. eigentlich wollten wir ja 13. machen... aber ich bereus keine Sekunde mit 1350 gestartet zu haben! Es ist einfach die spannendste Zeitstellung die man sich nur wünschen kann, auch quellentechnisch!

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    3. Punkto Quellen hast du völlig Recht, denn fürs Früh-MA ist die Informationsdichte nicht gerade üppig...

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  5. Hallo Hiltibold,

    bezüglich der gewölbten Schilde kann ich wärmstens Andy empfehlen, http://www.reenactment-bedarf.de/,er macht auch sehr gute Schuhe!

    Grüße aus Deutschland
    Jörn

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  6. Bernard Cornwell ist klasse, aber ich finde die Derfel-Trilogie(Arthur) bedeutend besser als die später erschienene Uthred-Endlos-Reihe...

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    1. Kenne ich beide. Die Uhtred-Reihe mochte ich anfangs immens... aber ja, es zieht sich mittlerweile "endlos" in die Länge - sehr zum Nachteil der Story. Cornwell hat den Zeitpunkt für das passende Ende schon lange verpasst. Eventuell wegen der Penunze...

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