Nach rund fĂŒnf Jahren Wartezeit ist nun der dritte und wohl letzte Teil der Reihe "Das FrĂ€nkische Heer der Merowingerzeit" vom Zeughaus Verlag veröffentlicht worden. Warum es so lange gedauert hat ist mir nicht bekannt, das Ergebnis entspricht jedoch meinen hohen Erwartungen.
Nach einer zweiseitigen Einleitung - mit einer ausfĂŒhrlichen Zeittafel sowie einer kurzen EinfĂŒhrung in die politische Situation im Frankenreich des 7. Jahrhunderts - geht der Autor Andreas Strassmeir sofort in medias res. So beschreibt er etwa anhand der schönen Rekonstruktionszeichnung eines berittenen Alamannenkriegers eine Kleider- und Waffenausstattung jener Tage. Das liest sich dann so:
"Die Abbildung zeigt einen vornehmen jungen Alamannenkrieger (primus Alamannus) bei einem letzten Ausritt unter Waffen, bevor er sich dem Aufgebot seines Herzogs anschlieĂt [...]. Der etwa 16jĂ€hrige JĂŒngling, der im zweiten Viertel des 7. Jahrhunderts in Grab 8 von Niederstrotzingen beigesetzt wurde, gehört seiner Ausstattung nach einer Familie von adelsgleichem Rang innerhalb der alamannischen Gesellschaft an. Da einige seiner Beigaben aus dem langobardischen Italien stammen und andere zumindest nach langobardischem Vorbild gefertigt sind, ist er auch hier nach langobardischer Mode gekleidet abgebildet. Die reich verzierte Tunika, die weiten Hosen und die spitzen Stiefeln sind nach Darstellungen von Langobardenkriegern auf der Silberschale von Isola Rizza (I) gestaltet (Abb. Bd. 1/ S 17). Ăber der Tunika trĂ€gt der junge Alamanne einen sogenannten vierteiligen GĂŒrtel, [...] Die wertvollste Waffe des Kriegers, seine Spatha, hĂ€ngt an einem aus Haupt- und Schleppriemen bestehenden separaten WehrgehĂ€nge vom Typ Civezzano, [...]."
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Junger alamannische Krieger; links daneben der beschreibende Bildtext, aus dem ich oben zitiert habe. In dieser Form werden alle Komplettrekonstruktionen dargestellt und erlÀutert. | Buchinhalt: (C) Zeughaus Verlag | Foto: Hiltibold |
Man sieht ganz klar an diesem Beispiel, dass hier vom Autor nicht wie in manch Konkurrenzpublikation nach dem Motto "Friss, Vogel, oder stirb!" verfahren wurde, sondern vielmehr aufgrund umfangreicher Quellenangaben der Leser in die Lage versetzt wird, die zeichnerischen Rekonstruktionen auf ihre GlaubwĂŒrdigkeit hin selbst zu ĂŒberprĂŒfen bzw. Zusatzinformationen dazu einzuholen. Gerade die Recherche im Internet wird ja sehr vereinfacht, wenn man die passenden Suchbegriffe bei der Hand hat.
Gesamtrekonstruktionen von Kriegerausstattungen sind aber nur einer kleiner Bestandteil des Inhalts (in den VorgĂ€ngerbĂ€nden, vor allem im ersten, gab es davon deutlich mehr). Stattdessen widmet sich der Autor primĂ€r den einzelnen AusrĂŒstungsbestandteilen in gesonderten, gut strukturierten Kapiteln. Im Vorliegenden Band liegt der Fokus auf Beilwaffen, Sax sowie Stangen und Bogenwaffen. Der abgedeckte Zeitrahmen erstreckt sich vom 5. bis zum 8. Jahrhundert und umfasst dabei nicht nur die Franken, sondern auch die von ihnen unterworfenen GermanenstĂ€mme der Alamannen, Burgunden, ThĂŒringer und Bajuwaren.
Auf lokale Unterschiede und zeitlich bedingte Ănderungen wird dabei immer wieder eingegangen. So weist man etwa darauf hin, dass im 6. Jahrhundert hölzerne Sax-Scheiden nach und nach durch Leder-Scheiden ersetzt wurden. Sogar die Holzarten, aus denen solche Scheiden gefertigt waren, werden anhand archĂ€ologischer Befunde aufgezĂ€hlt. Der Autor geht also erfreulicherweise relativ weit in die Details hinein.
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Auszug aus dem Kapitel ĂŒber merowingerzeitliche Streit- bzw. WurfĂ€xte ('Franziska'). Man verwendet grundsĂ€tzlich keine Fotos, sondern stellt die Objekte in Form von aufwendigen farbigen Rekonstruktionszeichnungen dar. | Buchinhalt: (C) Zeughaus Verlag | Foto: Hiltibold |
Neben den farbigen Rekonstruktionszeichnungen von Andreas Gagelmann und Sascha Lunyakov enthĂ€lt das Buch auch einige interessante Diagramme, in denen die Entwicklung der Sax-, Axt- und Lanzentypen ĂŒbersichtlich dargestellt wird. Zu guter Letzt wurde ein Literaturverzeichnis angefĂŒgt.
Noch ein Wort zur zeichnerischen/kĂŒnstlerischen QualitĂ€t der szenischen Darstellungen bzw. Gesamtrekonstruktionen von KriegerausrĂŒstungen: Diese kommt hier nicht an die BĂŒcher eines Peter Connolly heran, ist aber absolut ausreichend und immer noch besser als in manch Ă€hnlicher Publikation anderer Verlage. AuĂerdem sind die Quellenangaben wesentlich ausfĂŒhrlicher und naturgemÀà auch aktueller, was ohnehin das bedeutendere Kriterium ist.
Fazit: Insgesamt ein sehr gutes und empfehlenswertes Buch. Der groĂe Pluspunkt ist, dass man sich beispielsweise als Reenactor die fĂŒr das Zusammenstellen einer merowingerzeitlichen Ausstattung benötigten Infos nicht mĂŒhsam aus archĂ€ologischen Grabungsberichten einzeln zusammenklauben muss, sondern sie mundgerecht serviert bekommt. So erspart man sich viel Zeit, Nerven und Geld; obschon einem nicht sĂ€mtliche weitere Recherche erspart bleibt - doch gerade dabei sind ja die vielen Quellenangaben, die vom Autor zur VerfĂŒgung gestellt werden, auĂerordentlich nĂŒtzlich.
Aber auch fĂŒr alle anderen Leser, die abseits von Reenactment am FrĂŒhmittelalter bzw. am Kriegswesen der Merowingerzeit interessiert sind, handelt es sich bei diesem Buch um ausgezeichneten Lesestoff, in dem Wissen unkompliziert und allgemein verstĂ€ndlich vermittelt wird.
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WeiterfĂŒhrende Informationen:
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- Das Heer des Varus: Römische Truppen in Germanien - Teil I
- Das Heer des Varus: Römische Truppen in Germanien - Teil II
Habe mir das Buch auch schon gekauft und bin zufrieden mit dem Inhalt. Es macht aber Sinn, sich auch die BĂ€nde 1 und 2 zu kaufen, weil mehrmals inhaltlich darauf verwiesen wird.
AntwortenLöschenEigentlich hÀtte man die drei BÀnde gleich in einem einzigen zusammenfassen können.
Gero
Das Konzept gefÀllt mir. Gezeichnete Rekonstruktionen sind alle mal aussagekrÀftiger als Fotos von fast unkenntlich zusammengerosteten archÀologischen Funden, darunter kann sich der Laie nix vorstellen.
AntwortenLöschenZeichnungen sind aber auch aufwendig fĂŒr den Verlag und vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis Teil 3 erschienen ist?
Ich habe fast alle Hefte, die Zeughaus in dieser Machart anbietet. Die Zeichenstile unterscheiden sich, aber Andreas Gagelmann zÀhlt zu meinen Lieblingszeichnern darunter.
Halo Hilti, danke fĂŒr diese Empfehlung, das habe ich noch nicht gekannt. Scheint so, als wĂŒrde das mehr in die Tiefe gehen als die BĂŒcher von Osprey, die mir ansonsten gut gefallen.
AntwortenLöschenLG