Jerusalem um 70. n. Chr., Rekonstruktionsversuch. Hinten, in der Bildmitte, erkennt man an ihren vier Ecktürmen die Festung Antonia, in der Petrus möglicherweise eingekerkert war (Foto: Superikonoskop / Wikimedia.org) |
Die in der Bibel beschriebenen Wunder und Phänomene, entlocken heutzutage den meisten Menschen wohl nur noch ein spöttisches Lächeln. Allerdings möchte ich anhand eines konkreten Beispiels zeigen, wie diese Legenden entstanden sein könnten.
Unter dem von Rom eingesetzten König Herodes Agrippa († 44 n. Chr.), kam es in Jerusalem auf Betreiben des religiösen Establishments zu den ersten Christenverfolgungen. Nachdem man 42 n. Chr. urplötzlich den Jesus-Jünger Jakobus ergreifen und töten hat lassen, nahm man sich alsbald auch Petrus vor und verfrachtete ihn ins Gefängnis, wo er streng bewacht auf seine Hinrichtung warten musste.
Doch, und jetzt wird es "wunderlich", mitten in der Nacht erschien ein Engel, der Petrus aufweckte und ihn, an den Wachen vorbei, aus dem Gefängnis geleitete.
An dieser Stelle ist es wichtig zu wissen, dass sich das Wort Engel vom griechischen Angelos ableitet; was wiederum nichts anderes als Bote oder Gesandter bedeutet. Wenn man als aufgeklärter Mensch davon ausgeht, dass nicht Gott hier einen Gesandten geschickt hat um Petrus zu befreien, wer bleibt dann noch als Auftraggeber übrig? Eigentlich nur Herodes, oder einer seiner mächtigen Vertrauten. Warum man die Festnahme so rasch wieder rückgängig machte, ist natürlich die entscheidende Frage. Eine Antwort könnte sein, dass man die Stimmung im Volk falsch eingeschätzt hat. In Jerusalem lebten damals bereits rund 5000 Christen (hauptsächlich Judenchristen), die auch bei vielen Juden alles andere als unbeliebt waren. Herodes jedoch galt nicht zu Unrecht als römische Marionette. Es dürfte ihn, der er Jahre lang in Rom ein feuchtfröhliches Leben geführt hat, einige Mühe gekostet haben, in seiner von Frömmelei geprägten Heimat den braven Juden zu geben. Das mühsam erarbeitete Prestige, stand nun durch seine zu harten Maßnahmen gegen führende Christen auf dem Spiel. Deshalb erfolgte möglicherweise die Enthaftung des Petrus mitten in der Nacht. Diesen Rückzieher konnte man der rumorenden Öffentlichkeit als einen Gefängnisausbruch verkaufen und so einen Gesichtsverlust vermeiden. Auch der Umstand, dass es nach dieser "Flucht" des Petrus unter Herodes Agrippa zu keiner weiteren Verfolgung der Christen kam, spricht für die Annahme, dass bei der Aktion politische Überlegungen eine wichtige Rolle spielten. Denn Rom hätte sicher höchst ungehalten reagiert, wenn Unruhen ausgebrochen wären, nur weil man ein paar Anhänger einer jüdischen Sekte hätte hinrichten lassen.
Der bekannte und leider viel zu früh verstorbene Papyrologe Carsten-Peter Thiede, war einer der Vertreter obiger These (wenn auch nicht exakt in der Form, wie von mir hier dargestellt).
Literatur-Tipp:
Werner Dahlheim | Die Welt zur Zeit Jesu | C.H.Beck | Infos bei Amazon
Danke für den Blogeintrag! Den habe ich mirt sofort als Recherchematerial eingetragen, denn vermutlich wird Petrus in einem meiner Romane vorkommen.
AntwortenLöschenEmpfehlenswert ist punkto Petrus das Buch "Der erste Papst", von Michael Hesemann - auch wenn der Autor meiner Meinung nach aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen auf die er sich durchgehend stützt, teilweise vorschnelle Schlüsse zieht.
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