Im von Brigitte Haas-Gebhard verfassten Buch Die Baiuvaren - Archäologie und Geschichte (Verlag Friedrich Pustet) wird der Versuch unternommen, den aktuellen Stand der Bajuwarenforschung in übersichtlicher und allgemein verständlicher Weise zusammenzufassen. Zeitlich erstrecken sich die Betrachtungen primär von der späten Völkerwanderungszeit bis hin zur Absetzung Tassilos III. durch Karl den Großen. Räumlich wird dabei das Gebiet des Frühen Bairischen Stammesherzogtums erfasst; das heißt, neben Teilen des heutigen Freistaates Bayern auch nahezu die gesamte Republik Österreich und Südtirol.
Da die schriftlichen Überlieferungen aus jenen fernen Tagen überaus spärlich sind, rekonstruiert die Autorin die Entstehung und Entwicklung des bajuwarischen Stammes nicht zuletzt anhand archäologischer Erkenntnisse. Hierbei wurde auch nicht darauf vergessen, die wichtigsten naturwissenschaftlichen Methoden der Archäologie zu erläutern.
Trotz vieler hochinteressanter Detailinformationen, die uns die Forschung aufgrund des technologischen Fortschritts neuerdings zur Verfügung stellen kann, darf man sich von diesem Buch nichts bahnbrechend Neues erwarten. So wurde etwa die alte These, wonach die aus der antiken Geschichtsschreibung recht plötzlich verschwundenen Markomannen die unmittelbaren Vorfahren der Bajuwaren seien, schon vor zig Jahren widerlegt. Und selbst in der Literatur der 1960er-Jahre findet man bereits den Hinweis, dass das romanische Element bei den Bajuwaren anfänglich eine gewisse Rolle spielte.
Das Dunkel der Vergangenheit restlos zu auszuleuchten, gelingt der Autorin hier verständlicherweise nicht. Diesen durchaus entschuldbaren Mangel versucht sie leider gelegentlich mit wenig geschickten Vergleichen wettzumachen, die in den Köpfen vieler Leser kaum zutreffende Bilder hervorrufen dürften. So stellt sie etwa die Ethnogenese der Bajuwaren mit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika auf eine Stufe, spricht von einem "melting pot" und führt die unterschiedlichen Ethnien an, aus denen sich das US-Volk zusammensetzt - nämlich Afrikanern (gemeint sind wohl Schwarzafrikaner), Asiaten, Indianer und Europäer. Was die Autorin hierbei freilich ignoriert, und deshalb hinkt der Vergleich dermaßen, ist, dass die USA einzig und alleine vom "weißen Mann" gegründet und über 250 Jahre regiert wurden. Asiaten, Indianer und vor allem Schwarzafrikaner galten hingegen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Bürger zweiter Klasse. Bei den Bajuwaren stellte nun aber andererseits weder die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung zu irgend einem Zeitpunkt ein dermaßen verschiedenartiges Sammelsurium dar, noch liegen uns Informationen vor, denen zufolge man über Jahrhunderte hinweg eine Art Rassentrennung aufrecht erhalten hätte. Im Gegenteil, die Assimilation der noch vorhandenen keltoromanischen Reste durch die germanische Mehrheit ging vergleichsweise zügig vonstatten, so dass die provinzialrömische Kultur - sieht man von vergleichsweise wenigen Fragmenten ab - im fortschreitenden Mittelalter bald kaum noch fassbar ist.
Trotz vieler hochinteressanter Detailinformationen, die uns die Forschung aufgrund des technologischen Fortschritts neuerdings zur Verfügung stellen kann, darf man sich von diesem Buch nichts bahnbrechend Neues erwarten. So wurde etwa die alte These, wonach die aus der antiken Geschichtsschreibung recht plötzlich verschwundenen Markomannen die unmittelbaren Vorfahren der Bajuwaren seien, schon vor zig Jahren widerlegt. Und selbst in der Literatur der 1960er-Jahre findet man bereits den Hinweis, dass das romanische Element bei den Bajuwaren anfänglich eine gewisse Rolle spielte.
Das Dunkel der Vergangenheit restlos zu auszuleuchten, gelingt der Autorin hier verständlicherweise nicht. Diesen durchaus entschuldbaren Mangel versucht sie leider gelegentlich mit wenig geschickten Vergleichen wettzumachen, die in den Köpfen vieler Leser kaum zutreffende Bilder hervorrufen dürften. So stellt sie etwa die Ethnogenese der Bajuwaren mit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika auf eine Stufe, spricht von einem "melting pot" und führt die unterschiedlichen Ethnien an, aus denen sich das US-Volk zusammensetzt - nämlich Afrikanern (gemeint sind wohl Schwarzafrikaner), Asiaten, Indianer und Europäer. Was die Autorin hierbei freilich ignoriert, und deshalb hinkt der Vergleich dermaßen, ist, dass die USA einzig und alleine vom "weißen Mann" gegründet und über 250 Jahre regiert wurden. Asiaten, Indianer und vor allem Schwarzafrikaner galten hingegen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Bürger zweiter Klasse. Bei den Bajuwaren stellte nun aber andererseits weder die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung zu irgend einem Zeitpunkt ein dermaßen verschiedenartiges Sammelsurium dar, noch liegen uns Informationen vor, denen zufolge man über Jahrhunderte hinweg eine Art Rassentrennung aufrecht erhalten hätte. Im Gegenteil, die Assimilation der noch vorhandenen keltoromanischen Reste durch die germanische Mehrheit ging vergleichsweise zügig vonstatten, so dass die provinzialrömische Kultur - sieht man von vergleichsweise wenigen Fragmenten ab - im fortschreitenden Mittelalter bald kaum noch fassbar ist.
Fazit: Eigentlich ein sehr informatives und kurzweiliges Buch, das wohl jedem gefallen wird, der sich für den jüngsten der germanischen Großstämme interessiert. Lediglich der Preis, ein nicht makelloses Lektorat (ja, ich könnte auch eines brauchen) und die gelegentlich überbordende Lust am Hineininterpretieren trüben das Bild ein wenig. Man muss der Autorin allerdings zugute halten, dass sie nicht völlig blind für ihre eigenen (kleinen) Unzulänglichkeiten ist, denn sie schreibt im Schlusssatz etwas, das eigentlich ins Vorwort nahezu aller Schriften gehört, welche die Geschichtsforschung und die ihr angeschlossenen Hilfswissenschaften produzieren:
Auch die heutigen Historiker und Archäologen sind wie die des 19. Jahrhunderts Kinder ihrer Zeit und natürlich geprägt von der multikulturellen Gesellschaft einer weitgehend globalisierten Welt! Selbstverständlich sind auch ihre Vorstellungen vom Leben in einer bestimmten historischen Epoche vom Zeitgeist beeinflusst!Ich vergebe 4 von 5 Punkten.
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Inhaltsverzeichnis (gekürzt):
Vorwort
Einleitung: Raum und Zeit
TEIL I - FORSCHUNGSMETHODEN DER ARCHÄOLOGIE
Die Quellen
Siedlungs-, Hort-, und Grabfunde
Erforschung, Restaurierung, Aufbewahrung
TEIL II - RÖMISCHES ERBE
Das Römische Imperium
Die letzten Römer und ein Neuanfang
TEIL III - DIE WELT DER BAIUVAREN
Auftritt der Baiuvaren
Herrschaft
Tägliches Leben
Die Menschen
Land der Klöster
Tassilo und das Ende der Agilolfinger
Nachklang
Anhang
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das buch wurde auch in der sz empfohlen, für mich ist das ja eigentlich ein schlechtes zeichen. die argumentation dort war wie üblich ideologietriefend, so dass ich mir dachte, es handle sich hier um eine art gesellschaftspolitische kampfschrift, die im deckmäntelchen der geschichtsforschung daherkommt. nach deiner rezension denke ich aber, dass man es da vor allem mit dem wunschdenken des sz-rezensenten zu tun bekommen hat . es könnte sich also schon lohnen das buch zu kaufen. besten dank für den tip!
AntwortenLöschenchris
Eine Kampfschrift ist dieses Buch in der Tat nicht. Und wenn die Autorin ausnahmsweise die eine oder andere Interpretation einstreut, die man eventuell als politisch-weltanschaulich motiviert deuten könnte, dann spielt sich das durchaus im Rahmen des Akzeptablen ab. Von daher kann ich das Buch auf jeden Fall empfehlen.
LöschenDas Buch ist populärwissenschaftlich, flott geschrieben, aber leider ohne Fußnoten, so daß man dann bei der Erwähnung von Einzelfunden anhand der Literaturliste raten kann, wo denn etwas über den entsprechenden Fund drinstehen könnte.
AntwortenLöschenManches schien mir auch überinterpretiert, oder es wurden nicht belegte Behauptungen aufgestellt.
- Exilwikingerin -
Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass das Fehlen der Fußnoten einige Leser als störend empfinden. Platz wäre ja auf den Seiten jedenfalls noch gewesen.
LöschenWenn man auf den Balkan sieht kann man das Verschwinden der Flassen ( Aeromunen) als Vergleich für die Integration der romanischen Bevölkerungsreste ansaehen. Gemeinsame Religion führte in 100 Jahren zur vollkommenen slawisierung weiter Gebiete obwohl die Andersartigkeit im Denken trotz verlust der Sprache aufrecht bleibt wäre interessant dies in Baiern zu untersuchen. Ich wette man würde kulturelle Resthinweise finden. Tracht, Wappen , Brauchtum usw
AntwortenLöschenDas zu untersuchen wäre sicher interessant, denn es stellt sich die Frage, welche der erkennbaren Unterschiede tatsächlich auf weit zurückreichenden historischen Traditionen beruhen und welche deutlich jüngeren Datums bzw. einfach nur herbeigeredet sind.
Löschen"Multikulturell"
AntwortenLöschenDen Begriff soll mir in dem Zusammenhang ohnehin mal bitte jemand erklären.
Denn wenn ich auf einem Reihengräberfeld mit 500 Bestattungen vielleicht ein bis zwei finde, die aufgrund des beigegebenen Trachtenschmucks als möglicherweise ortsfremd zu bezeichnen sind, und signifikant anders sind die Verhältnisse meist nicht, ist das dann bereits eine multikulturelle Gemeinschaft?
Aber es kommt ja eigentlich noch viel besser. Diese "Fremden" sind meist selbst Germanen, auch wenn sie nicht aus dem Gebiet des heutigen Süddeutschlands stammen, sondern stattdessen aus Thüringen etc. Wie große werden hier die kulturellen Unterschiede innerhalb der Germanen wohl gewesen sein? Waren sie groß genug, um bereits von "multikulturell" in einem modernen Sinn, und nichts anderes ist ja insgeheim damit gemeint, zu sprechen? Weil in dem Fall wäre auch eine WG aus Münchnern, Berlinern und Hamburgern bereits "Multikulti".
Und zum anderen Hauptargument:
Dass die Romanen im frühen baierischen Stammesherzogtum noch eine erkennbare Größe darstellten, ist sicher unbestritten. Trotzdem waren sie nur mehr eine vergleichsweise kleine Minderheit, die sich z.B. um wenige urbane Zentren sammelte. Das zeigen schriftliche Überlieferungen (Eugippius), Ortsnamen und Gräberfelder. Wäre es anders, dann wären die spürbaren romanischen Einflüsse auf Sprache und Kultur viel nachhaltiger gewesen, als sie es im bayerischen Kulturraum tatsächlich sind.
"Multikulturell" mag es kurze Zeit, direkt nach der Eroberung und Besiedlung, in einigen eng begrenzten Siedlungskammern zugegangen sein, aber von den Ladinern und ein paar anderen kleinen Gruppen/Gebieten abgesehen, kam es, wie schon geschrieben wurde, erwiesenermaßen zu einer relativ raschen Assimilation.
Klar, es ist Aufgabe der Forschung sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Aber nicht wenn dies zum reinen Selbstzweck verkommt, um die eigene berufliche Existenzberechtigung immer wieder aufs Neue zu belegen.
QX
Es erscheint auch mir etwas fragwürdig, aus Einzelfunden pauschal eine große Mobilität der bereits sesshaft gewordenen frühmittelalterlichen Bevölkerung abzuleiten. Es ist aber andrerseits auch nicht so, dass diese Überlegung im besprochenen Buch überstrapaziert wird.
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