Vermutlich in den 80er-Jahren des 4. Jahrhunderts machte sich eine römische Christin namens Egeria auf, um die im Osten des Reichs liegenden heiligen Stätten des Christentums zu besuchen. Egeria beschreibt sich selbst als "ziemlich neugierig"; dementsprechend lange - nämlich vier Jahre - durchstreifte sie gemeinsam mit anderen Pilgern den Nahen Osten bis hinunter nach Ägypten. Der Nachwelt hinterließ sie einen interessanten Reisebericht in Form von Briefen, die später zu einem Buch gebündelt wurden.
Man weiß über die Autorin nicht viel - selbst ihr Name kann nicht als völlig gesichert gelten. Fest steht aber, dass es sich um eine Dame von einiger Bedeutung gehandelt haben muss, denn beispielsweise erhielt sie in gefährlichen Landstrichen Geleitschutz durch das Militär und durfte überdies in Militärstützpunkten übernachten.
Teile des antiken Reiseberichts fehlten, als er 1884 in einer mittelalterlichen Handschrift entdeckt wurde. Daher bleibt nicht nur bezüglich der Autorin mancherlei im Unklaren. Trotzdem wurde in dieser Ausgabe versucht, mittels anderer antiker Quellen die Überlieferungslücken zu füllen.
Der Text gliedert sich in zwei Teile: Der erste enthält den eigentlichen Reisebericht. Im zweiten wird die christliche Liturgie in Jerusalem beschrieben, wie sie Egeria beobachten konnte.
Die Autorin blendet bei ihren Beschreibungen von Bauwerken heidnische Tempel, die damals noch in relativ großer Zahl vorhanden waren, weitestgehend aus und konzentriert sich stattdessen auf christliche Kirchen und Pilgerstätten; sozusagen mit der Bibel in der Hand machte sie sich auf die Suche nach ihnen. Immer wieder traf sie dabei mit lokalen Bischöfen zusammen und wurde von diesen bereitwillig herumgeführt, wodurch ihr Einblicke ermöglicht wurden, die normale Pilger nicht gehabt haben dürften.
Die vorliegende (3. überarbeitete) Ausgabe des bei Herder erschienen Reiseberichts ist zweisprachig und verfügt über eine ausgezeichnete, rund 100 Seiten umfassende Einleitung. Der in ein leicht verständliches bzw. zeitgemäßes Deutsch übertragene lateinische Originaltext wurde mit vielen nützlichen Fußnoten versehen. Darüber hinaus findet sich am Ende des Buchs ein umfangreiches Register, ein Quellenverzeichnis sowie Landkarten.
Fazit: Der neugierigen und reiselustigen Dame Egeria verdanken wir hinsichtlich des antiken Christentums eine interessante Quelle, die hier für heutige Leser in gelungener Weise aufbereitet wurde. Der Kaufpreis beträgt 38 Euro.
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Ich überlege mir schon seit ein paar Jahren, mir eine Übersetzung des Reiseberichts der Egeria zuzulegen. Hatte aber an den Ausgaben immer etwas auszusetzen. Bei dem Preis-Leistungsverhältnis schlage ich jetzt aber zu.
AntwortenLöschenWieder einmal ein sehr schöner Quellen-Tipp, danke!
Gero