Mittwoch, 11. Juli 2018

Krimskrams: Die archäologische Datierung mittels Rehydroxylation -- Karlsgraben vs. Campus Galli -- Junk-Journalismus, Homer und Geläster über Blogger



Die archäologische Datierung mittels Rehydroxylation

Rehydrox... was?! Ja, das ist eine verständliche Reaktion. Von dieser vergleichsweise neuen, noch nicht sehr verbreiteten Datierungsmethode werden nämlich die wenigsten Menschen je etwas gehört haben - auch einige Archäologen nicht.
C14 und Dendrochronologie kennt mittlerweile hingegen fast jeder Geschichtsinteressierte - schließlich werden diese naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden für organische Funde auch in populärwissenschaftlichen Büchern und TV-Dokumentationen gerne erwähnt. Im Fall der Thermolumineszenz-Datierung - bei der man in keramischen Objekten die verbliebene elektromagnetische oder ionisierende Strahlung misst -  schaut es hinsichtlich des Bekanntheitsgrades hingegen schon wesentlich schlechter aus. Die Methode der Rehydroxylation funktioniert jedenfalls so ähnlich, nur dass hier der Wassergehalt der Keramik gemessen wird. Es ist nämlich so, dass beim Brennen im Ofen erst einmal sämtliches Wasser im Ton verdunstet; nach dem Abkühlen nimmt die Keramik allerdings wieder langsam, aber sehr konstant Wasser aus der Atmosphäre auf. Misst man nun die eingelagerte Wassermenge, dann lässt sich daraus das Alter bzw. Brenndatum ableiten.

So viel zur Theorie, die Praxis ist freilich nicht ganz so einfach: So wurde testweise mit dieser Methode ein unzweifelhaft mittelalterlicher Ziegelstein datiert. Das Ergebnis lautete, er sei zwischen sechs und sieben Jahrzehnten alt. Was war da schiefgegangen? Ganz einfach: Besagter Ziegelstein war im 2. Weltkrieg nach Bombenangriffen einem Feuer ausgesetzt gewesen. Dabei verdunstete in ihm sämtliches Wasser und er wurde sozusagen auf "Null" zurückgesetzt. 

Näheres zu dem Thema werde ich im Rahmen einer Buchbesprechung im kommenden Herbst schreiben.

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Karlsgraben vs. Campus Galli

Die Tageszeitung "Der Standard" berichtet in einem Artikel, dass man vor rund 1200 Jahren bei der Planung des berühmte Karlsgrabens (Fossa Carolina) mit Bedacht zu Werke ging. Nicht eine gerade Streckenführung, sondern eine s-förmige bedeutete für die Arbeiter den geringsten Aufwand bei den schweißtreibenden Aushubarbeiten. Was auf den ersten Blick widersinnig erscheint, ergibt bei näherer Betrachtung des Geländes Sinn: Klick mich

Die *hust* 'Experimentalarchäologen' der Mittelalterbaustelle Campus Galli, die nach eigenem Bekunden "ohne Maschinen" und "ohne modernes Werkzeug" ein karolingisches Groß-Kloster errichten wollen, gehen sogar mit noch mehr Schläue als ihre mittelalterlichen Vorgänger ans Werk: Das Ausheben ihres Klosterteichs ließen sie nämlich kurzerhand von einem Bagger erledigen 😃. Außerhalb des regulären Betriebs, versteht sich. Denn schließlich sollen Besucher nichts vom eher unmittelalterlichen Bagger zu sehen bekommen oder gar Fotos von ihm machen und ins Internet stellen. Das wäre ganz schlecht für die PR, da es der öffentlichen Darstellung des Projekts krass widerspricht.

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Geläster über Blogger, Homer und Junk-Journalismus

Da war jemand auf einer Konferenz des "Netzwerks Recherche" in Hamburg und berichtet u.a. von einer Veranstaltung, bei der anwesende Journalisten über Blogger lästerten. Letztere würden gar nicht oder nur online recherchieren.
Was für ein pauschalisierender Nonsens. Oder anders gesagt: Was für primitive Fake-News von Vertretern einer zunehmend abgewirtschafteten Branche. Gerade die haben es nötig. Schließlich sind sie es, die inflationär bei einigen wenigen Presseagenturen wie der DPA, AP, APA oder Reuters abschreiben und dann oft nicht einmal die Quelle angeben.
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass mittlerweile die große Mehrzahl der Artikel von diesen wenigen Agenturen produziert wird und Eigenrecherche nur noch eine völlig untergeordnete Rolle bei Zeitungen spielt. Kein Wunder also, dass die Meinungsvielfalt in den Dinosauriermedien gegen Null tendiert.

Sehr schön ersichtlich wird dieser obsolete Copy&Paste-Journalismus anhand eines aktuellen Beispiels: In Olympia wurden ca. 2200 Jahre alte Textfragmente von Homers "Odyssee" entdeckt. Mehrere österreichische Zeitungen und Online-Magazine enthalten in ihrer Berichterstattung darüber ein und denselben absurden Fehler:
"Vorläufig wird das Entstehungsdatum der Tafel auf die romanische Ära geschätzt." Siehe: Die Presse, Kronenzeitung, ORF
Es kommt aber noch besser: Der ursprüngliche Urheber - offensichtlich ein veritabler Dolm - hat auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Wikipedia abgeschrieben. Darauf deutet die Wortwahl im letzten Absatz hin, die auffällige Ähnlichkeiten mit der Einleitung des Wikipediartikels über Homers "Odyssee" aufweist.

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5 Kommentare:

  1. Das riecht nach APA. Die haben ja auch schon Alexander den Großen als Kaiser bezeichnet und Julius Caesar zu den mythischen Königen Roms gezählt.

    Gero

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    1. Ja, wahrscheinlich ist das von der APA und deren Qualitätsjournalisten.

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  2. Funktioniert die Rehydroxylationsmethode auch mit Funden, die im Wasser gelegen sind?

    Grüßle,
    Maria

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    1. Gute Frage. In allem was ich darüber bisher gelesen habe, ist immer nur vom in der Atmosphäre gebundenen Wasser die Rede, mit dem der gebrannte Ton reagiert. Ich könnte mir zwar vorstellen, dass das auch mit Funden im Wasser funktioniert, aber dann müsste man der Datierung wohl ein anderes Berechnungsmodell zugrunde legen.

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  3. "romanische Ära", huahahaha! :-)

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