Samstag, 4. November 2023

📖 Buch-Rezension: Cicero zum Vergnügen


Kaiser Augustus stand als Alleinherrscher politisch für so ziemlich alles, was der große römische Redner Marcus Tullius Cicero vehement abgelehnt hatte. Und doch soll - laut dem antiken Geschichtsschreiber Plutarch - Augustus zu seinem Enkel, als er diesen beim Lesen eines Buchs des damals längst verblichenen Cicero vorfand, gesagt haben: "Er war ein Meister der Wortes und ein Freund seines Vaterlandes." 
Von welchem Politiker in unseren Breiten kann man das heute noch ernsthaft behaupten?

Das vorliegende Büchlein ist eine nette Zusammenstellung von unterhaltsamen und interessanten Texten aus der Feder Ciceros, der bis kurz vor seiner Ermordung im Jahr 43 v. Chr. versucht hatte, die Römische Republik vor der Umwandlung in eine Monarchie zu bewahren.  Als Quelle diente u.a. jene spannende Sammlung von privater Korrespondenz, die Tiro, Ciceros Sekretär und Vertrauter, nach dem Tod seines Herren in Buchform veröffentlicht hatte.
Wer nicht (wie ich) alle überlieferten Werke von Cicero wälzen möchte - und das sind doch einige - der findet mit "Cicero zum Vergnügen" einen schönen Zugang zur Gedankenwelt und zum Charakter dieses Zeitgenossen Caesars. Darüber hinaus werden hier interessante Schlaglichter auf den Herbst des republikanischen Roms geworfen, das mit Cicero unterging. Aber auch vom Alltagsleben im Alten Rom bekommt man etwas mit. Etwa wie das Versenden von Briefen in Ermangelung einer Post funktionierte. So schrieb Cicero folgendes an den mit ihm befreundeten Gaius Cassius - der übrigens später als eine der zentralen Protagonisten bei der Tötung Caesar in die Geschichte eingehen sollte:

Du hast ja komische Briefboten - ich lasse mich freilich nicht ärgern. Doch jedes mal wenn sie von mir weggehen verlangen sie einen Brief; wenn sie zu mir kommen, bringen sie aber keinen mit. Und dabei könnten sie doch etwas zuvorkommender sein; wenn sie mir nämlich etwas mehr Zeit zum Schreiben ließen! 
Aber sie kommen gestiefelt und gespornt an und sagen, ihre Reisegefährten warten bereits am Tor. Also sei nicht böse - du bekommst wieder nur einen kurzen Brief, aber du darfst einen ganz ausführlichen erwarten. Doch warum entschuldige ich mich eigentlich bei dir? Schließlich kommen deine Leute mit leeren Händen zu mir, zu dir aber kehren sie immer mit Briefen zurück!

Man sieht hieran, dass das Schreiben von Briefen auch schon lange vor der schnellen elektronischen Kommunikation unserer Zeit ziemlich stressig sein konnte! 😄

Die Herausgeberin Marion Giebel hat für Reclam bereits mehrere umfangreiche antike Texte ins Deutsche übersetzt, die meiner Erfahrung nach allesamt immer sehr angenehm zu lesen waren. Das heißt: Keine kaskadierenden Endlossätze, wie man sie ansonsten immer noch selbst in neuen Übersetzungen findet. Diesen bekömmlichen Schreibstil findet man auch in diesem Buch vor.

Fazit: Für bescheidene fünf Euro erhält man hier ein lehrreichen Einstieg in die Welt und in die Gedanken einer herausragenden Persönlichkeit der Antike.

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3 Kommentare:

  1. Das römische Postbeförderungswesen ist erst mit der Staatspost in der Kaiserzeit etwas besser geworden.
    Gregarius

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    1. Aber nur für Staatsdiener bzw sehr wenige Privilegierte. Der große Rest musste es machen wie zu Ciceros Zeiten.

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    2. Das ist also so ähnlich wie heute: Wenn du dein Päckchen von Amazon schnell bekommen möchtest, musst du Teil des exklusiven Amazon Prime Clubs sein. :-)

      Widukind

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