Jene germanischen Gefolgschaften, die im 5. und 6. Jahrhundert weite Teile der ehemaligen römischen Provinz Britannien eroberten, hinterließen nicht zuletzt in vielen bis heute gebräuchlichen Ortsnamen eindeutige Spuren. Diese näher unter die Lupe zu nehmen ist recht interessant, da so einiges über die Siedler und ihre Herkunftsländer in Erfahrung gebracht werden kann.
Birmingham repräsentiert die am häufigsten anzutreffende Konstruktionsform eines altenglischen Ortsnamens.
Die erste Silbe, Bir, bezieht sich vermutlich auf den männlichen Namen Beorma. Ham bedeutet so viel wie Heim oder im weitesten Sinne Hof. Das Bindewort ing lässt in dieser Konstellation auf eine Gruppe von Menschen schließen, denen der erwähnte Beorma vorstand.
Im Klartext: Bei Birmingham handelte es sich ursprünglich um einen Bauernhof, der von Leuten betrieben wurde, die einem Beorma unterstellt waren. Ob Beorma selbst dort lebte, geht aus dem Ortsnamen nicht eindeutig hervor. Es ist allerdings recht wahrscheinlich.
Die Stadt Canterbury hieß in altenglischer Sprache Cantwarabyrg. Auch dieser Name setzte sich aus mehreren Bestandteilen zusammen.
Cant bzw. Cantia bezieht sich auf einen vorgermanischen Raumnamen, der wohl noch von der keltisch-britischen Urbevölkerung vergeben wurde. Seine Bedeutung - eventuell "Grenzland" oder "Küstenland" (Land an der "Kante"?) - dürfte sich den germanischen Eroberern nicht mehr erschlossen haben. Trotzdem wurde er beibehalten und mit dem Wort byrg verbundenen, was so viel wie Burg bedeutet. Wobei hier keine hoch- oder spätmittelalterliche Steinburg gemeint ist, die auf einem steilen Felsen thront, sondern eine mit Erdwällen und Palisaden geschützte Siedlung. Das Bindewort wara bezeichnet eine zugewanderte Menschengruppe.
Aufgelöst bedeutet Cantwarabyrg bzw. Canterbury also: Befestigte Siedlung von Menschen, die in die Gegend Namens Kent eingewandert sind.
Es gibt natürlich auch weniger komplizierte Beispiele, wie der Ortsname Steyning zeigt.
Steyn bzw. stan bedeutet Stein (siehe etwa auch den altenglischen Personennamen Æthelstan = Edelstein). Ing ist wiederum das "Zuordnungswort" für eine Gruppe von Menschen, die bei eben diesen Steinen lebte.
Wohl handelte es sich hier aber nicht um irgendwelche x-beliebigen Steine, sondern um ein damals herausragendes Landschaftsmerkmal - möglicherweise die zwischenzeitlich zerstörten Überreste der Megalithkultur, welche in Sussex, wo sich dieser Ortsname findet, anzutreffen war.
Steyn bzw. stan bedeutet Stein (siehe etwa auch den altenglischen Personennamen Æthelstan = Edelstein). Ing ist wiederum das "Zuordnungswort" für eine Gruppe von Menschen, die bei eben diesen Steinen lebte.
Wohl handelte es sich hier aber nicht um irgendwelche x-beliebigen Steine, sondern um ein damals herausragendes Landschaftsmerkmal - möglicherweise die zwischenzeitlich zerstörten Überreste der Megalithkultur, welche in Sussex, wo sich dieser Ortsname findet, anzutreffen war.
Beverington ist eine ebenfalls in Sussex gelegene Stadt. Bever bedeutet so viel wie Biber, ton bezeichnet, ähnlich wie ham, ein Heim bzw. einen Hof. Wobei ton eigentlich auf denselben Wortursprung zurückzuführen ist, wie das deutsche Wort Zaun. Hier könnte demnach die Sonderform eines Hofes gemeint sein, der über eine (spezielle?) Umzäunung verfügte.
Auch bei diesem Beispiel ordnet das Bindewort ing dem Hof eine Gruppe von Menschen - die "Biberleute" - zu.
Interessanterweise findet sich in und um Beverington kein geeignetes Gewässer, in dem sich die nagenden Pelztiere normalerweise wohlfühlen würden. Woher stammt also der Name? Eventuell wurde er von sehr weit - aus der alten kontinentalen Heimat - mitgebracht. An der für Biber attraktiven Weser gab es nämlich bereits im frühen Mittelalter nachweislich den Ort Beverungen.
Die Biberleute behielten ihre Gruppenbezeichnung also auch in der neuen Heimat bei, obwohl der eigentliche Sinn durch die Umsiedlung verloren gegangen war.
Die Biberleute behielten ihre Gruppenbezeichnung also auch in der neuen Heimat bei, obwohl der eigentliche Sinn durch die Umsiedlung verloren gegangen war.
Dass nach Britannien - neben den bekannten Angeln, Sachsen und Jüten (siehe obige Karte) - auch Friesen einwanderten, könnte der in Kent befindliche Ort Freezingham belegen. Entweder bedeutet er "Heim der Friesen" oder es wird hier eine Gruppe von Menschen benannt, die auf dem Hof eines gewissen Friso lebte.
Natürlich bedient sich die Ortsnamenforschung zum Teil der Kaffeesatzleserei. Trotzdem ist man mit ihrer Hilfe oft in der Lage ein wenig Licht ins Dunkle der Vergangenheit zu bringen - vor allem dort, wo die Archäologie keine verwertbaren Informationen liefert.
Natürlich bedient sich die Ortsnamenforschung zum Teil der Kaffeesatzleserei. Trotzdem ist man mit ihrer Hilfe oft in der Lage ein wenig Licht ins Dunkle der Vergangenheit zu bringen - vor allem dort, wo die Archäologie keine verwertbaren Informationen liefert.
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Weiterführende Literatur:
- Die Angelsachsen | H. Kleinschmidt | C.H. Beck | 2011 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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