Montag, 11. März 2013

Besitzen antike Münzen einen archäologischen Wert? Ein Gericht sagt, nein.

Gestern entdeckte ich in den Weiten des WWW ein auf den 11. Dezember 2012 datiertes Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes. In dem verhandelten Fall ging es unter anderem darum, ob man antiken Münzen grundsätzlich einen besonderen archäologischen (wissenschaftlichen) Wert zubilligen könne.
Diese Frage bedurfte einer juristischen Klärung, da dem Kläger vom Zoll, unter Verweis auf den Kulturgüterschutz, die Annahme einer Ausfuhranmeldung für 32 antike Münzen (Einzelwert zwischen 50 und 400 Euro) verweigert wurde.

Der Bundesfinanzhof stellte nun jedoch fest, dass es sich bei antiken Münzen nicht grundsätzlich um archäologische Gegenstände im Sinne geltender Gesetzte handle. Der Kläger habe demnach Anspruch darauf, dass seine Ausfuhranmeldung angenommen wird.

Im Detail führt der Bundesfinanzhof unter anderem aus:
Ob Gegenstände [...] "archäologische Gegenstände" sind, lässt sich [...] nicht allein anhand ihres Alters und ihrer [...] Herkunft aus Funden oder Grabungen beurteilen. Ein archäologischer Gegenstand ist vielmehr nur ein solcher, der einen Wert für die Archäologie hat, also ein von Menschenhand geschaffener oder bearbeiteter Gegenstand, der Erkenntnisse über vergangene Kulturen zu vermitteln vermag, insbesondere etwa über deren Gebräuche, den damaligen technischen und künstlerischen Entwicklungsstand, politische und gesellschaftliche Strukturen, die Religion und dergleichen mehr. 
Gegenstände, die anderweit gewonnene Erkenntnisse über vergangene Kulturen allenfalls illustrieren und deshalb für die Archäologie keine Bedeutung haben, sind keine "archäologischen Gegenstände" oder Funde.
[...]
Dem entspricht es ferner, dass Gegenstände, die für die Archäologie keinen (Erkenntnis-)Wert haben, nicht von einem Mitgliedstaat aufgrund eines archäologischen Interesses unter Schutz gestellt werden können. 

Mit Recht macht der Kläger sinngemäß geltend, dass Münzen, die aus der sog. Antike stammen, in der Regel keinen solchen archäologischen Wert haben und deshalb keine archäologischen Gegenstände sind, insbesondere wenn es sie in großer Anzahl gibt und sie [...] nicht (mehr) einem bestimmten Fundort zugeordnet werden können.

Obige Argumentation des Bundesfinanzhofs dürfte nicht jedem gefallen. Auch wenn an anderer, hier nicht zitierter Stelle, eingeräumt wird, dass Münzen im Einzelfall durchaus einen archäologischen Wert besitzen können. Allerdings handle es sich dann lediglich um die Ausnahme von der Regel.
Nun stellt man sich natürlich die Frage, was diese Erkenntnis für Auswirkungen auf den Flickenteppich deutscher Denkmalschutzgesetze haben könnte. Denn auch die scheinen mir davon (indirekt) betroffen zu sein. Den Antikenhandel dürfte dieses Urteil jedenfalls freuen.

Die Verfahrensmitteilung: Klick mich
Hier die gesamte Urteilsbegründung: Klick mich

2 Kommentare:

  1. Ich finde das Urteil durchaus vernünftig, da im Zweifelsfall jeder Archäologe einen "Wert für die Archäologie" feststellen kann, wenn er will. Aber hier sind ja offenbar weder Archäologen noch eines der Landesdenkmalämter betroffen, sondern nur übereifrige Zollbeamte. Und ehrlich gesagt ist mir ein rechtlich klar definierter Antikenhandel lieber als der momentanen Wildwuchs. Jetzt verschweigt jeder Händler im Zweifelsfall dubiose Quellen, weil er den Kontakt mit Behörden grundsätzlich fürchtet, denn man findet fast immer etwas, was man ihm anhängen kann. Gäbe es klarere Richtlinien, könnte man die schwarzen Schafe besser aussortieren.

    Zudem definieren sich leider die meisten Numismatiker als Teil der Alten Geschichte und nicht als Archäologen, insofern ist es nur folgerichtig, dass ihr Forschungsgegenstand nicht als archäologisch relevant gesehen wird...

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    1. Die juristische Klärung der Lage ist sicher zu begrüßen, aber zumindest bei Münzen dürften sich Archäologen nach diesem Urteil zukünftig meist schwert tun, ihnen einen archäologischen Wert zu attestieren.
      Folgt man der Begründung, dass Massenware in der Regel keinen archäologischen Wert besitzt, stellt sich außerdem die Frage, auf auf welche Gegenstände das Urteil noch Anwendung finden könnte. Keramik ist beispielsweise auch eine Massenware. Ähnliches gilt für Fibeln, usw usf.

      Interessant ist auch, wie das Gericht die angeforderte Auskunft des Landesmuseums Württemberg zerpflückt hat (das offensichtlich dem Zoll helfend zur Seite springen wollte):
      Die ihm vom Landesmuseum Württemberg unter dem 28. April 2009 erteilte Auskunft wäre keine geeignete Grundlage für eine entsprechende Feststellung, zumal sie widersprüchlich ist, wenn einerseits sinngemäß die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für erforderlich erklärt wird, andererseits das Landesmuseum offenläßt, ob es sich überhaupt um "archäologisches Gut" handelt.
      (BTW: "offenlässt mit einem scharfen ß?)

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