Sonntag, 11. Februar 2018

Das Twitter-Pos(t)ing eines Selfie-Archäologen



Ich bin ja kaum bei Twitter aktiv - wenn man von den automatisiert veröffentlichten Links zu meinen Blogbeiträgen absieht. Trotzdem beobachte ich die Vorgänge auf dieser Plattform ein wenig. Dabei stieß ich kürzlich auf die Wort-Kaskaden eines Archäologen, der unter dem Namen "Buddler" firmiert. Bedauerlicherweise nutzt dieser seine offenbar reichlich vorhandene Freizeit nicht dazu, um neue Sendungen seines ganz passabel gemachten Archäologie-Podcasts "Angegraben" zu produzieren, sondern brennt lieber Tag für Tag bei Twitter ein regelrechtes Feuerwerk an mitunter eher grenzintelligenten Wortspenden ab.

'Jo mei', könnte man an dieser Stelle konstatieren, zum Plappern ist diese Plattform schließlich da. In der Tat, doch ist es fragwürdig, wenn man - wie der gute Buddler - sich einerseits beruflich in der Geschichtswissenschaft herumtreibt, aber andererseits auf Twitter eben genau diese Geschichtswissenschaft als Tool für politische Meinungsmache zweckentfremdet. Konkret geht es dabei um folgenden Tweet:
Das Wort "Heimat" leitet sich von der indogermanischen Wurzel "kei" ab, was soviel wie "Ort an dem man sich niederlässt" bedeutet. Es entstand also in einer Zeit, in der unsere Vorfahren selbst Migranten waren.
Nun ist selbstverständlich sofort jedem mitdenkenden Menschen klar, dass hinter solchen Aussagen - besonders in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation - eine bestimmte Absicht steckt. Betrachtet man den inkriminierten Tweet im Kontext des restlichen 'Gezwitschers' dieses Herren, dann erhält man eine recht gute Vorstellung, was hier mehr oder weniger insinuiert werden soll: Weil auch wir Nachkommen von Migranten sind, möge man doch bitte die derzeitigen Migrationsströme gelassener, solidarischer und mit mehr Empathie betrachten. 
Keine Frage, es ist schon legitim, so eine Meinung zu vertreten. Allerdings muss der bemühte Vergleich - besonders wenn er von einem Archäologen kommt - bestenfalls als naiv, schlimmstenfalls als manipulativ oder strohdumm bezeichnet werden. Denn es ist ein großer Unterschied, ob menschenreiche Wanderbewegungen in weitestgehend un- oder dünn besiedelten Gegenden stattfinden - wie zur Zeit der Indoeuropäer - oder in einem außerordentlich  dicht bevölkerten Gebiet mit empfindlichen, genau austarierten staatlichen und sozialen Strukturen. Überdies kann ausgerechnet  die Archäologie anhand etlicher Zerstörungshorizonte aus verschiedenen Epochen wie der Spätantike nachweisen, welche Auswirkungen es mitunter hat, wenn kulturell heterogene Völker aufeinandertreffen.
Sollte freilich der Buddler den auffällig oft anzutreffenden Brandschutt als Überbleibsel einer ausgeprägten Barbecue-Kultur missinterpretieren, dann sei ihm dringend geraten, z.B. einen Blick in die Severin-Vita des Eugippius oder in die Gotengeschichte des Jordanes zu werfen. Sofern ihm solche edukativen Aktivitäten neben dem ausgiebigen 'Gezwitscher' überhaupt noch möglich sind 😉

Auf die entsprechende inhaltliche Kritik, die seine Twitter-Blase vereinzelt durchdrang, reagiert der Buddler vorhersehbar wie der berühmte Pawlowsche Hund: Es können nur Fremdenfeinde sein, die seinen Erguss bemängeln (und es nicht ertragen, wenn man sie auf den Umstand aufmerksam macht, dass auch ihre Vorfahren Migranten waren).
Wow, es ist ein wahres Tabernakel der Magie, das sich hier auftut. Scheinbar verfügt der gute Mann über die Fähigkeit, die geheimsten Gedanken seiner Kritiker zu lesen! Oder ist er lediglich ein mit schwerkaliebrigen Schmähworten hantierender Rabulist, der Andersmeinenden eine besonders niedrige Gesinnung unterstellt, um sich dadurch selbst moralisch zu erhöhen?

Weil dem Buddler insgeheim wohl bald klar wurde, dass er bei seinem Ausflug in die Etymologie Äpfel mit Birnen verglichen hat, schob er schließlich noch ganz unschuldig nach, dass es ihm ja nur darum gegangen sei, Bedeutung und Wandelbarkeit des Begriffs "Heimat" zu veranschaulichen.
Dieses fadenscheinige Wortgeknatter glaubt ihm freilich bestenfalls sein Zirkel Gleichgesinnter aus dem Caffè-Latte-Milieu, dessen Mitglieder sich auf Twitter gegenseitig hochpumpen  😊

Kommen wir zum Fazit, des länger als geplant geratenen Beitrags: Was dieser Selfie-Archäologe und ähnlich gestrickte Vertreter der Geschichtswissenschaft in den sozialen Medien betreiben, ist zum einen nichts anderes als politisches korrektes Posing bzw. das Heischen um Sozialprestige. Geschenkt!
Zum anderen wird leider auch versucht, für ein in der Gegenwart beheimatetes Anliegen, Argumente in der Vergangenheit zu finden - koste es, was es wolle. Wer dergestalt agiert, disqualifiziert sich als glaubwürdiger Geschichtsforscher. Frei nach einem Songtext der Schmuse-Band Bon Jovi, kann man diesen Leuten daher nur folgendes ins Stammbuch schreiben
You give historical science a bad name!

14 Kommentare:

  1. Danke, Hilti, für die gute Unterhaltung noch zu später Stunde! :D

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    1. Da muss ein Fehler vorgelegen sein, weil bei mir ist der Artikel im 5-Sekunden-Takt dreimal angekommen ??
      LG, W.T.C.

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    2. Ja, ich hatte den Beitrag versehentlich mehrfach abgespeichert. Ich habe das übersehen, weil ich zu dem Zeitpunkt schon dringend zum Flughafen fahren musste.

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  2. Lieber Hiltibold,
    die viele Freizeit hat wohl eher derjenige, der zur nächtlichen Stunde ellenlange Blogpost verfasst. Und noch eigens ein Bildchen mit Fedora dafür bastelt. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Das hätte ein guter Blogpost werden können. Einer der sich zum Beispiel inhaltlich mit dem Bedeutungsfeld "Heimat" oder vorgeschichtlicher Migration auseinandersetzt. Ein Blogpost, der mit den anderen gleichziehen könnte, dessen Qualität ich sonst immer sehr schätze.
    Stattdessen nutzt Du Deine Zeit, um eine Invektive gegen mich zu schreiben, die auf zwei auf Twitter gepostesten Zeilen beruht, deren inhaltliche Richtigkeit Du ja gar nicht anzweifelst. Aber so, wie Du mir vorwirfst, die Gedanken der kritischen Kommentatoren lesen zu können, scheinst Du ja nicht nur deren, sondern auch meine lesen zu können. Nein, ich habe nicht "insinuiert" dass wir irgendetwas gelassener betrachten sollen. Ich habe auf den Bedeutungswandel des Begriffs Heimat hingewiesen und das innerhalb des Kontexts der "Heimatministeriums"-Debatte, die derzeit in Deutschland durch dessen geplante Neuschaffung angestoßen wurde. Und wenn Du mich schon zitierst, dann bitte richtig: nein, es ist kein "Pawlowscher Reflex", wenn ich schreibe, dass "_manche_ Zeitgenossen dies als Angriff auf ihre Fremdenfeindlichkeit" verstanden haben. Die Behauptung "Es können nur Fremdenfeinde sein, die seinen Erguss bemängeln, behauptet er" ist weder von mir geäußert worden, noch zutreffend. Dass manche, aber selbstverständlich nicht alle, Kommentare von der äusserst rechten Ecke kommen, ist jedoch offensichtlich. Wenn mir jedoch Kommentatoren wünschen, dass meine Tochter "von einem 17jährigen Afghanen abgemurkst" werden solle, gehen ich nicht mehr von einem differenziert-sachlichen Kommentar aus.
    Ich finde es auch bezeichnend, dass Du auf meinen Twitterpost nicht anders als in einem von Injurien strotzenden Erguss antworten kannst, mir aber (fälschlich) Rabulistik, "schwerkaliebrige Schmähworten" und moralische Selbstgefälligkeit vorwirfst.
    Schade, gerade von dir hätte ich mehr erwartet.

    Der Buddler aka Mirko Gutjahr

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    1. Ach, das Schreiben des Blogposts hat nicht übermäßig lange gedauert. Und die Grafik hatte ich vorrätig. Zu später Stunde wurde da auch nichts verfasst, sondern bloß veröffentlicht.

      Natürlich habe ich die Heimat-Diskussion oder Migrations-Thematik hier nicht aufgegriffen, da dergleichen nicht mein Thema war. Der entsprechende Vorwurf von dir war jetzt schon wieder so ein typischer Rabulisten-Trick, um meine Kritik zu invalidieren und als irrelevant beiseite zu schieben.

      Gedanken lesen muss man in deinem Fall nicht können. Ich habe mir vor dem Verfassen des Beitrags sorgfältig Dutzende deiner Twitter-Postings angesehen. So zu tun, als hättest du nicht gewusst, was dein Beispiel mit dem Heimatbegriff für Reaktionen auslösen kann, ist im Kontext des von mir Gelesenen unglaubwürdig. Die Provokation wurde zumindest in Kauf genommen, anderenfalls hättest du dich präziser ausgedrückt.

      Diesen Blogbeitrag hätte ich nicht verfasst, wenn du nicht in einem gesonderten Tweet mittels vage formulierter Fremdenfeindlichkeitskeule indirekt auch mich angegriffen hättest, nachdem ich dir ja erst zuvor kurz erklärt habe, dass du einen Äpfel-Birnen-Vergleich gebracht hast.
      Ob das Absicht von dir war oder nicht, sei dahingestellt, aber ich sehe mich grundsätzlich nicht gerne in einen Topf mit irgendwelchen Online-Primitivlingen geworfen.

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    2. Lieber Buddler, ich lausche deinen Podcasts, seit Hilti sie hier empfohlen und immer wieder verlinkt hat, sehr gerne. Deine Aktivitäten auf Twitter habe ich bisher nicht verfolgt, weil ich Twitter, trotz eines Accounts, nichts abgewinnen kann. Sehe ich mir jetzt aber deine Tweets an, dann lassen sich schon sehr leicht politische Tendenzen ausmachen.
      Du schreibst einerseits von Kritikern, die weit aus der rechten Ecke kommen. Ja, die gibt es offensichtlich. Ich sehe aber andererseits auch, dass du etliche Beiträge von Postern positiv bewertest, die man als weit links stehend bezeichnen muss. Du bezeichnest dich auf Twitter selbst als "Skeptiker", und die Skeptikerbewegung ist ein umstittener Ideologenverein, sagen ehemalige Mitglieder.
      So wie ich das sehe, vertrittst du zT sehr exponierte Ansichten. Starker Gegenwind kann da nicht ausbleiben. Über deinen Tweet mit der angeblichen Fremdenfeindlichkeit der Kritiker hätte auch ich mich an Hiltis Stelle geärgert, weil hier der Eindruck einer Pauschalisierung entstehen kann.

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    3. @ Jürgen "Skeptiker", der Begriff wird in der öffenltichen Wahrnehmung immer mehr zum Deppenstenpel. Diese Sektierer sollen von mir aus ihre Homöopathen jagen, aber die Geschichtsforschung anderen überlassen.

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    4. Lieber Hiltibold,

      "Diesen Blogbeitrag hätte ich nicht verfasst, wenn du nicht in einem gesonderten Tweet mittels vage formulierter Fremdenfeindlichkeitskeule indirekt auch mich angegriffen hättest, nachdem ich dir ja erst zuvor kurz erklärt habe, dass du einen Äpfel-Birnen-Vergleich gebracht hast."

      Jetzt verstehe ich den Grund Deines Postings besser. Tatsächlich lag es mir fern, aus Deinem "Äpfel und Birnen"-Post irgendwelche fremdenfeindlichen Tendenzen bei Dir herauszulesen. Auch wenn ich Dich nur über Deinen Blog kenne, sehe ich bei Dir auch keinerlei Anlass, Dich in dieser Ecke zu verorten. Dass Du meinen diesbezüglichen Tweet (irrtümlich) auf Dich selbst bezogen hat, bedaure ich sehr und bitte Dich aufrichtig um Entschuldigung, falls ich Dich damit unabsichtlich beleidigt habe.

      Wer sich an meinen politischen Ansichten stösst, der möge sich daran stossen. Dagegen ist nichts einzuwenden, ich würde mir dann nur eine sachliche und weniger aufgeladene Diskussion wünschen.
      Der Buddler

      P.S. Die Skeptikerbewegung hat mit der Sache nun gar nichts zu tun. Das wäre eine ganz andere Diskussion, die man gerne führen könnte, diese gehört aber nicht hierher.

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    5. Es war zwar nicht der Hauptgrund, sondern in diesem konkreten Fall eher der berühmte Tropfen usw.
      Ich bin aber gerne bereit, das Kriegsbeil zu begraben. Daher Schwamm drüber!

      @Sucher: Das Skeptiker-Thema ist in der Tat etwas off-topic. Wir wollen hier nicht zu viele verschiedene Fässer aufmachen.

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  3. Die politische Intention für den sprachwissenschafltichen Exkurs dieses Herrn ist unübersehbarh. Sich dann rausreden zu wollen, indem er plötzlich wieder die Pose des scheinbar neutralen Wissenschaftlers einnimmt, ist lächerlich.
    Ich würde ihm das gerne selbst sagen, benutze diesen Twitter-Müll aber prinzipiell nicht. Dort verbrennt man mit sinnlosem Wortgeplänkel nur seine Zeit, die man anders sinnvoller nutzen kann. Z.B. mit dem Lesen dieser Website :-)

    Gero

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  4. Ein typischer Provokateur. Macht eindeutig zweideutige Anspielungen, wohl wissend, wie darauf reagiert wird, und tut dann im Anschluss so, als ob es die Schuld der Kritiker wäre, wenn die ihn angeblich falsch verstehen.

    Der hält sich für besonders helle, dabei brennt bei ihm wahrscheinlich nicht einmal mehr ein trübes Licht.

    PS: Außerdem ist das mein Hut!

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  5. Hinsichtlich des Kollegen bei Twitter gilt möglicherweise:
    Si tacuisses, philosophus mansisses.
    ;-)

    Spaß beiseite, solche Tweets sind geradezu prädestiniert, Kritik auszulösen, weil sie einen offensichtlich inadäquaten Vergleich implizieren.

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  6. Gegen sachliche Kritik ist nichts einzuwenden.

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  7. Ich warte ja nur darauf, dass so ein Poststrukturalist daherkommt und erklärt, dass es so etwas wie eine objektive/unpolitische Geschichtsforschung sowieso nicht geben kann. Diese Labertaschen mit ihrer Hirnakrobatik, machen es sich nämlich immer besonders leicht :o)

    C3PO

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