Mittwoch, 14. März 2018

Krimskrams: Living History oder Wehrsportübung? -- Der 'karolingische' Pileus Pannonicus des Campus Galli



Living History oder Wehrsportübung?

Eine Journalistin hat sich bei mir gemeldet und wollte mich u.a. hinsichtlich meines Interviews mit Marcus Junkelmann ausfragen. Die gestellten Fragen ließen bei mir allerdings den starken Verdacht aufkommen, dass es ihr vor allem darum ging, einen Living-History-feindlichen Artikel zu verfassen. Diese doofe Nuss hat doch tatsächlich einen Vergleich zwischen Reenactment (Living History) und Wehrsportübungen (!) insinuiert. So nach dem Motto: Tummeln sich in dem Hobby vor allem Spinner, die gerne mit altertümlichen Waffen machomäßig in der freien Natur Krieg spielen?

Da ihr Fazit wohl schon vorab feststand, habe ich sie wissen lassen, dass sie sich bitte nach einer anderen Auskunftsperson umsehen möge. Ich bin ohnehin nicht dazu da, eine hauptberufliche Journalistin in meiner Freizeit kostenlos mit Informationshappen zu füttern, bloß weil die zu faul ist, selbst zu recherchieren (für jemanden, der angeblich schon seit Wochen an dem Thema dran ist, hat sie nämlich herzlich wenig gewusst). 

Als Reaktion auf meinen 'Korb' hat die Frau dann noch einen letzten Versuch gestartet und geschrieben, dass sie meine "ablehnende Haltung" schade findet, weil sie hätte mich nämlich gerne als "Experten und Insider" zitiert. 
Auf die Nummer, mir Honig um den Bart zu schmieren, falle ich freilich nicht herein. Das hat vor ein paar Jahren schon der Geschäftsführer der maximalentschleunigten Kloster-Baustelle in Meßkirch vergeblich versucht. Und so eitel bin ich auch nicht, dass ich darauf aus wäre, meinen Namen in irgend einem Käseblatt zu lesen.

Außerdem: Kein Mensch braucht im Zeitalter des Internets diesen Dilettanten-Journalismus, bei dem Leute, die überhaupt nicht "vom Fach" sind, zu jedem Thema lang und breit ihren unqualifizierten Senf geben, nachdem sie sich Informationsbrocken - deren Qualität sie gar nicht bewerten können - irgendwo zusammengegoogelt haben. Da besucht der kluge Medienkonsument doch lieber gleich spezialisierte Webseiten, Blogs und Youtube-Kanäle, deren Betreiber tief in der jeweiligen Materie drinnenstecken. Man geht ja beispielsweise im Krankheitsfall auch lieber zum Arzt bzw. Facharzt, und nicht zum Gelegenheits-Schamanen.

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Der 'karolingische' Pileus Pannonicus des Campus Galli

Bilder belegen, dass ein Holzhandwerker der Mittelalterbaustelle Campus Galli als Kopfbedeckung einen antiken/spätantiken Pileus Pannonicus trägt (außerdem schaut bei ihm die Untertunika weit unter der Übertunika hervor; nicht gut!). Wie einige Leser wissen dürften, handelt es sich dabei nicht gerade um eine typische Kopfbedeckung des  9. Jahrhunderts - also jener Zeit, in der das Kloster-Bauprojekt angeblich angesiedelt ist; ich habe darauf im vergangenen Herbst ja schon einmal kurz aufmerksam gemacht.
Besagte Merkwürdigkeit ist auch einem anderen Beobachter aufgefallen, der deshalb auf der Internetseite des Campus Galli nach der entsprechenden historischen Quellen für die Mütze fragte. Bemerkenswerterweise erhielt er sogar eine Antwort: 
"Eine Kopfbedeckung in dieser Art gab es möglicherweise schon im 9. Jahrhundert. Die Anregungen hierzu kommen aus den Illustrationen des Stuttgarter Psalter (24r, 44r, 134r und 142r). Unsere Mützen wurden von uns frei nach diesen Zeichnungen angefertigt. Es gibt jedoch keine direkten archäologischen Vorlagen. Hier der Link zum Stuttgarter Psalter der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart: Stuttgarter Psalter 142r
Man vergleiche nun bitte die Handwerker-Kopfbedeckung des Campus Galli mit jenen verlinkten Varianten im Stuttgarter Psalter, die dort von höherrangigen (!) Personen getragen werden und frappierend Stirnreifen oder evtl. Stirnbändern (Diademen) ähneln. Von einem einzigen Beispiel abgesehen, fehlen nämlich die Oberseiten der angeblichen Mützen, sodass die Haare der Träger klar zu sehen sind. Die Ähnlichkeit zur Kopfbedeckung des Campus-Galli-Handwerkers kann demnach bestenfalls als peripher bezeichnet werden.

Dieser lockere, völlig unkritische Umgang mit Quellen verdeutlicht wieder einmal, dass es sich beim angeblich beratenden Wissenschaftler-Netzwerk des Campus Galli um ein Phantom, zumindest aber um einen Obskurantenzirkel bzw. eine Art Dark-Net der Intelligenz handeln dürfte 😊

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2 Kommentare:

  1. So jemandem würde ich auch nicht als Erklärbär zur Verfügung stehen wollen.
    Ich habe außerdem schon selbst mehrmals miterlebt, was für einen Blödsinn Journalisten über LH-Veranstaltungen geschrieben haben. Z.T. das genaue Gegenteil von dem, was man ihnen am Vortag geduldig erzählt hat.

    Guinevere

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  2. Fake-News halt. Gut, dass du das bereits im Ansatz erstickt hast. Hoffentlich findet sie keinen Blöden, der sich stattdessen dafür hergibt!

    Der Wanderschmied

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