Verdächtige Straßennamen in Graz
Aufgrund der - mehr oder weniger - fehlenden Sprachbarriere zwischen Österreich und Deutschland schwappt diverser Unsinn relativ oft vom nördlichen Nachbar zu uns herüber. Dazu zählt auch der Trend, sich in übereifriger Weise verdächtige Straßennamen vorzuknöpfen. So hat jüngst in Graz eine eigens dazu eingesetzte "Historikerkommission" u.a. herausgefunden, dass die Luthergasse nach jemandem benannt wurde, der nicht nur fromm gepredigt hat, sonder auch wortreich Juden beschimpfte. Potz Blitz, wäre hätte das gedacht?! Danke für die 'Neuigkeit'!
Übrigens, was Martin Luther über Frauen gesagt hat - siehe oben - entspricht auch nicht modernen ethischen Standards. Doch wäre es nicht sinnvoll und vor allem seriöser, den zeitlichen Kontext bei all dem zu beachten? Oder ist das für die Mitglieder der Grazer Historikerkommission kein gewichtiges Kriterium? Soll als unbequem empfundene Geschichte stattdessen einfach ausradiert werden?
Wenn nun Straßen aus ethischen Erwägungen nicht mehr nach Martin Luther benannt sein sollen, was machen wir dann erst mit der Evangelischen Kirche, die ja bekanntlich auf Luther zurückgeht? Verbieten wir die auch? Oder bringen wir - ähnlich wie es im Fall der Straßenschilder als Alternative zu einer kompletten Umbenennung vorgeschlagen wurde - von Historikern entworfene 'Warnschilder' an den Eingängen der entsprechenden Gotteshäuser an? 😊
Übrigens, was Martin Luther über Frauen gesagt hat - siehe oben - entspricht auch nicht modernen ethischen Standards. Doch wäre es nicht sinnvoll und vor allem seriöser, den zeitlichen Kontext bei all dem zu beachten? Oder ist das für die Mitglieder der Grazer Historikerkommission kein gewichtiges Kriterium? Soll als unbequem empfundene Geschichte stattdessen einfach ausradiert werden?
Wenn nun Straßen aus ethischen Erwägungen nicht mehr nach Martin Luther benannt sein sollen, was machen wir dann erst mit der Evangelischen Kirche, die ja bekanntlich auf Luther zurückgeht? Verbieten wir die auch? Oder bringen wir - ähnlich wie es im Fall der Straßenschilder als Alternative zu einer kompletten Umbenennung vorgeschlagen wurde - von Historikern entworfene 'Warnschilder' an den Eingängen der entsprechenden Gotteshäuser an? 😊
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Atomkraft-Fan?
Nachdem ich es kürzlich hier kritisiert habe, dass archäologische Ressourcen für die Ausgrabung eines Lagers von AKW-Gegnern verschwendet werden, hat sich jemand per E-Mail bei mir gemeldet: Ich sei "ein Atomkraft-Befürworter", meinte er. Und das finde er enttäuschend, weil ihm mein Blog sonst sehr gut gefällt.
Von wegen, mit der zurzeit gängigen Form der Atomkraft habe ich ausgesprochen wenig am Hut. Ich kann mich nämlich noch gut daran erinnern, als Tschernobyl in die Luft geflogen ist und es mir als Folge des Fallouts damals von meinen Eltern ein Jahr lang verboten wurde, im Freien zu spielen. Obst/Gemüse aus dem Garten war sogar noch länger tabu. Bei mir hat das einen äußerst starken Eindruck hinterlassen.
Andererseits ändert meine kritische Einstellung zur Kernkraft absolut nichts daran, dass ich das kostspielige Erforschen einer Barackensiedlung aus dem Jahr 1980 für ein unsagbar blödsinniges Projekt halte, welches nicht zuletzt aus einer ideologisch-weltanschaulichen Motivation heraus angeleiert wurde, wie die Beteiligung bestimmter Personen klar verdeutlicht.
Im Kommentarbereich hat es jemand folgendermaßen auf den Punkt gebracht: "[...] ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler. [...] wenn auf der anderen Seite nicht einmal das Geld vorhanden ist, um Kurse für an der Archäologie interessierte Laien wie mich finanziell zu unterstützen."
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Man darf auch die massiven Kosten nicht vergessen, die so eine Straßenumbenennung nach sich zieht. Mit dem Auswechseln einer einzigen Tafel ist es ja nicht getan.
AntwortenLöschenFür die Anwohner bedeutet es ebenfalls einiges an Aufwand und vor allem Ärger auf Jahre hinaus, weil Sendungen von uneingeweihten Postlern und Paketboten falsch zugestellt werden.
Noch dazu liegt an der ebenfalls bemängelten Conrad-von-Hötzendorf-Straße das Landesgericht. Das wäre ein "Spaß", wenn sich ausgerechnet dessen Adresse plötzlich ändert ...
LG,
Erwin
Hätte Österreich-Ungarn den 1. Weltkrieg gewonnen, dann würde so gut wie niemand Interesse daran haben, die nach dem ehemaligen Generalstabschef von Hötzendorf benannte Straße umzubenennen. Hier geht es deshalb auch weniger um die Moral dieses Herren, der ja unter anderem einen Präventivkrieg forderte, sondern eigentlich darum, dass er während des Kriegs auf seinem militärischen Posten nicht gerade geglänzt hat. Die Diskussion um ihn ist daher relativ verlogen.
LöschenDie Kosten und das jahrelange Durcheinander, das solche Straßenumbenennungen nach sich ziehen, sind in der Tat ein nicht zu vernachlässigender Punkt. Deshalb müssten zumindest die Betroffenen Anwohner um ihre Meinung gefragt werden. Da diese freilich überwiegend ablehnend wäre, lässt man es lieber bleiben.
Im Übrigen bin ich dafür, grundsätzlich keine Straßen nach Personen zu benennen. Einfach weil man in der Biographien der meisten Menschen im Nachhinein dunkle Flecken finden kann. Die alten Straßen sollten davon aber als Mahnung und Teil der Geschichte unangetastet bleiben.
Keine Vorschrift verpflichtet eine Gemeinde, neue Straßen grundsätzlich nach Personen zu benennen. Nichtsdestoweniger scheint diese Benennungsweise aber ebenso beliebt zu sein, wie die allfälligen Umbenennungen, beides (meist) politisch motiviert. Man denke nur an Meßkirch, wo den Gemeinderäten gar keine Alternativen zu irgendwelchen Personen mehr einfallen. Generell lehne ich Personennamen-Straßen nicht ab, wenn sie nur nicht zu Wort-Ungetümen geraten. Also keine "Conrad-von-Hötzendorf-Straße" oder gar "Generalstabschef Conrad-von-Hötzendorf-Straße", sondern bloß: Hötzendorf-Straße. Will man dann noch nach Hötzendorfs Urenkel unbedingt eine Straße benannt wissen, so kann man das durch eine Erklärung in einer gesonderten Tafel am Schild tun, wo alle Personen mit Namen Hötzendorf aufgeführt sind, die man da stehen haben will. Dieses ergänzende (eigentlich nicht erforderliche) Schild gerät bei der Müller-Straße zwar etwas lang, aber nur so können Verwechslungen bei Straßennamen grundsätzlich ausgeschlossen werden und der Name wird nicht zu lang (wichtig für alle, die ihre Adresse auf Formulare schreiben müssen). Man sollte neben allem Denkmals-Eifer den eigentlichen Zweck einer Straßenbenennung: Ein Haus auf einfache Weise und exakt zu bezeichnen, nicht aus den Augen verlieren.
AntwortenLöschenAlso beispielsweise in Meßkirch: Keine "Äbtissin-Regintrudis-Sauter-Straße", sondern entweder "Äbtissin-Straße" oder "Regintrudis-Straße" (nicht aber Sauter-Straße, denn Ordensleute werden mit ihrem Ordensnamen benannt). Und, wenn es schon sein muss: Roder-Straße, und nicht "Johann-Roder-Straße" oder gar "Johann-Baptist-Roder-Straße"; und: Abraham-Straße, und nicht Abraham-a-Sancta-Clara-Straße. Es gibt in Meßkirch ja auch die Jahnstraße, Zimmernstraße etc., warum hat man so nicht weitergemacht?
Leser
Dabei ist Conrad-von-Hötzendorf-Straße quasi schon eine 'Kurzfassung', weil sein voller Name lautet Franz Xaver Josef Conrad von Hötzendorf. Conrad ist hier interessanterweise kein zusätzlicher Vorname, sondern sein Familienname.
LöschenJa, in Österreich bewies man bei der Verleihung von Adelstiteln wirklich Sprachgefühl, also kein "Herr von Müller", was sprachlich wirklich Unsinn ist, sondern dann: "Müller von Müllersau" oder hier: "Conrad von Hötzendorf". Dennoch kann man auch solche Namen Abkürzen. Hindenburg hieß auch "von Beneckendorf und Hindenburg", dennoch tut eine schlichte "Hindenburgstraße" (bis zur allfälligen Umbenennung) gute Dienste.
LöschenLeser
"Ja, in Österreich bewies man bei der Verleihung von Adelstiteln wirklich Sprachgefühl,"
LöschenWobei man hier die Adelstitel bzw. das "von sowieso" nach dem 1. Weltkrieg komplett abgeschafft bzw. verboten hat. Aber das kommt eben dabei raus, wenn schwere Minderwertigkeitskomplexe politische Entscheidungen beeinflussen.
Die Nachfahren der Entscheider von damals posieren heute kurioserweise mit ihren meist nachgeschmissenen Doktortiteln als eine Art Ersatzadel, der sich wie der alte Erbadel dem gemeinen Volk haushoch überlegen fühlt.
Und nicht nur den Adelsnamen: Nein, sogar Wappen sind in Österreich verboten, weswegen auf dem Deutschen Genealogentag in Bregenz vor zwei Jahren kein Vortrag zur Heraldik gehalten werden konnte. Mit der Monarchie scheinen leider auch die guten Gepflogenheiten aus Österreich verschwunden zu sein.
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Warum eigentlich nicht Straßen nach fiktiven Personen benennen? Da kennt man die Biographie doch im Allgemeinen recht gut.
AntwortenLöschenStatt Hötzendorfstraße, könnte man eine Straße doch auch Thrawn-, Skywalker- oder Chewbaccastraße nennen. Tannhäuserweg klingt ebenfalls nicht schlecht, finde ich. Oder Luthienallee. Gegen einen Uthredplatz hätte ich auch nichts einzuwenden. Wobei man in letzterem Falle doch wieder biographisch induziertes Magengrummeln verspüren könnte...
Ulrich
Ich glaube, nach Star-Wars-Charakteren sind sogar schon Straßen oder Plätze benannt. Man kann da nur hoffen, dass die Drehbuchautoren zukünftiger Filme diese Charaktere nicht zu Fieslingen umschreiben :)
LöschenEs wurde auch schon einmal versehentlich Post an einen Empfänger im "Obelix-Weg" versandt. Es war aber der Ortskenntnis des Postboten zu verdanken, dass das Schreiben an diese nicht stimmige Adresse auch wirklich zugestellt werden konnte.
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